Wiedersehen

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Ich werde durch das penetrante Klingeln meines Weckers geweckt.
Mit einem immensen Kater zwinge ich mich aus dem Bett und mache mich auf den Weg ins Bad.
Ein Blick in den dreckigen Spiegel, durch den man fast gar nicht mehr durchsehen kann, verrät mir, dass ich so aussehe, wie ich mich fühle - beschissen.

Ich drehe mich um und öffne den Medikamentenschrank.
Aspirin. Meine Rettung.
Ich schlendere in die Küche und nehme mir ein Glas, welches schon ziemlich alt und überhaupt nicht mehr klar ist, und fülle es mit Wasser aus dem Wasserhahn.
Zack ist die Tablette unten.

Ich öffne meine Haustür und lasse ein bisschen frische Luft hinein.
Im nüchternen Zustand sieht mein Garten noch viel beschissener aus, als mein betrunkenes Ich dachte.
Das kann ich nicht so lassen!
Noch bevor die Tablette richtig wirkt, gehe ich zu meinem Geräteschuppen und hole den roten Rasenmäher.
Es ist kein schönes Teil, aber es tut seine Aufgabe und das ist die Hauptsache.

Das Gras reicht mir schon bis über die Knie und wuchert einfach vor sich hin.
Eigentlich ist der Sommer bisher gar nicht so warm gewesen, aber das Gras ist trotzdem trocken und raschelt unter meinen Schritten.
Ein Funke und mein Rasen würde lichterloh brennen.

Immer mal wieder muss ich den Rasenmäher an- und ausschalten, denn er kommt mit dieser Menge an Gras einfach nicht zurecht.
Ich brauche mehr als zwei Stunden, um den eigentlich gar nicht so großen Garten zu mähen.

Anschließend nehme ich mir die Heckenschere und schneide das wenige Gestrüpp, was ich habe, zurecht.
Der alte Zaun benötigt auch mal wieder einen neuen Anstrich. Die Farbe ist spröde und blättert an den Holzlatten ab.
Ich fege den Weg zu meinem Haus mit einem Besen und die beiden Stufen zu meiner Haustür mit einem Handfeger.
Später werde ich nach London fahren, um ein paar Dinge zu besorgen.
In zwei Wochen werde ich anfangen zu arbeiten und bis dahin will ich mein Haus auf Vordermann gebracht haben, denn dann werde ich keine Zeit mehr für so große Baustellen haben.

Ich brauche unbedingt Farbe für meinen Zaun, Putzmittel damit ich das gesamte Haus mal ordentlich schrubben kann, vielleicht auch mal neue Gläser und ein wenig mehr Werkzeug für all die Reparaturen, die dringend nötig sind. Außerdem wäre ein neues Spielzeug für Sir Henry gar nicht schlecht.

Eigentlich hätte ich den alten Golden Retriever gerne jeden Tag bei mir, aber ich habe nicht genug Zeit für ihn. Selbst für einen lausigen Goldfisch im Glas habe ich keine Zeit, also begnüge ich mich dann mit ihm, wenn ich die Zeit habe. Immerhin geht es ihm bei meinen Eltern auch nicht schlecht.

Apropos Eltern, die will ich heute auch noch besuchen, denn gestern habe ich sie nur kurz gesehen und Sir Henry will ich auch unbedingt wiedersehen!
Und am Nachmittag bin ich bei meinen Großeltern eingeladen - die habe ich wirklich lange nicht mehr gesehen.
In meinen Semesterferien habe ich in Kanzleien gearbeitet und war nur selten zuhause in England.
Umso mehr freue ich mich, wieder zuhause zu sein und meine Freunde und Familie zu sehen.
Ich will meine Zeit in den nächsten Tagen nutzen, um möglichst viel Zeit mit den Leuten zu verbringen, die mir wichtig sind, bevor ich wieder den ganzen Tag im Anzug sitze und meine Arbeit mich erfüllt.

Ich ziehe mir etwas an, was ich schon lange nicht mehr getragen habe - etwas bequemes, etwas wo drin man nicht sofort an einen Anwalt denkt - und mache mich auf den Weg zu meinen Eltern.
Sie wohnen nicht weit und der Weg zu Fuß ist nicht beschwerlich.

Ich gehe durch den Park an der Ecke in dem die ganzen Familien und Leute mit ihren Hunden sich tummeln.
Auch heute ist hier viel los. An einem Tag wie diesem, würde ich auch mit meiner Familie hierherkommen oder meine Arbeit auf einer der Bänke verrichten.

Ein Hund kommt zu mir gelaufen, den ich sofort erkenne und ihn so begrüße, wie er mich - mit großer Freude.
»Hallo, Clover! Na, mein Großer!«
Ich streichle durch sein borstiges Fell.

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