IV

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Ich bin schon Stunden auf diesem immerwährenden gleichen Weg. Nichts verändert sich. Mit Sicherheit träume ich. Es kostet mich einiges an Kraft, aufmerksam zu bleiben und nicht zu früh nach vorne zu treten, wenn der Pfad noch nicht erkennbar ist. Denn dieser bildet sich stets lediglich für eine gewisse Strecke. Monoton und lautlos. Das ist sicher ihr Plan! So wandel ich auf den Wegen des Westens. Jetzt nehme ich das auch schon an.

»Ssss ... Ssss ...« Zischende Geräusche wecken plötzlich meinen Geist. Wo kam das her? Behutsam platziere ich den Krug vor meinen Füßen. Beinahe wäre er mir durch meine bereits feuchten Hände geflutscht. Ich glaube kaum, dass Hathor noch einmal vorbeikommt, um mir Ersatz zu bringen. Konzentriere dich! Aye aye, wird gemacht. Ich bin kurz davor, vor mir selbst zu salutieren, aber ich lasse es dann doch. Zu einem Gespött muss ich nicht auch noch mutieren.

Ich horche in die bedrohliche Lautlosigkeit hinein und befürchte, dass sie mich gleich anschreit. Doch es bleibt – wie es sich für eine Stille gehört – still.

»Ssss ... Ssss ...«, erklingt erneut. Eventuell wird es bloß vom Wind zu mir herübergetragen? Ja, genau. Und welcher Wind?

»Ssss ... Sag mir, wer ich bin ... Ssss ...«, werde ich plötzlich angesprochen und damit so sehr erschreckt, dass ich beinahe vom Weg gesprungen wäre. Ich wische mir über die Stirn. Das war knapp. »Ssss ... Sonst weißt du nicht, wohin ... Ssss ...«

»Schlechter Reimetyp?«, kommt doch tatsächlich zwischen meinen Lippen laut heraus. Mist. »Aber andererseits ...«, sage ich lang gezogen, um mir Zeit zu verschaffen und denke diese Worte auch genauso lange, als würde es hier jemanden interessieren. »Weiß ich ja gar nicht, wie du aussiehst?«, beende ich meinen Einfall, wobei ich zum Ende hin eher fragend klinge. Wahrscheinlich, weil ich es nicht unbedingt herausfinden will.

»Ssss ... Ssss ...«, dringt erneut zu mir, nur viel eindringlicher, verächtlicher und dazu gesellt sich ein grausiger Luftzug, der die Härchen meiner freien Arme – wieso habe ich eine lange Hose, aber nur ein Shirt an? – prompt aufstellen lässt. Nur ein Blinzeln später blicke ich auf ein geschupptes Etwas, was sich hin und her windet.

»Du bist ...« Verdammt! Wie heißt noch mal dieses Viech? Pardon, ich meine natürlich der göttliche Wächter ... Ich räuspere mich – zur Überbrückung – und falte meine Hände. Geschuppter, der aus dem Nichts erscheint.

»Tretet ein, in das nächste Reich«, erwidert der Wächter auf meine Antwort, die ich meiner Eingebung nach rezitiert habe und gibt meine Sicht auf sein Tor frei.

Dass das geklappt hat, ... damit habe ich nicht gerechnet. Noch völlig geplättet, nicht als Schlangenfutter geendet zu sein, nicke ich ihm ehrfürchtig zu. In leicht gebückter – vielmehr unterwürfiger – Haltung schreite ich durch einen wunderschönen steinernen Bogen und stelle mich darauf ein, auf der anderen Seite dem nächsten Ungeheuer in die Arme – oder sonstigen Körperteile – zu laufen.

Doch ich lande an einer Weggabelung, in beide Richtungen geht es zu einem See. Wahrscheinlich zu dem, den ich von hieraus bereits sehen kann. Blutrot ist sein Wasser. Hoffentlich ist es nur die Farbe, bete ich.

Oder ich gelange von einem ins nächste Unding. Ist wahrscheinlicher. So wie im Leben, so auch im ... Hier unterbreche ich mich lieber. Rechts oder links?

Wie soll ich herausfinden, was richtig ist? 

Schritt nach vorneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt