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Pov Lee

Lange redeten wir noch und saßen zusammen auf den Bänken. Wir erzählten von unserem Leben und spaßten rum, ohne, dass auch nur eine Sekunde lang die Luft mit Stille gefüllt worden war. Ich fühlte mich so wohl bei ihm, dass es schon fast unglaublich war.
Er verurteilte mich nicht, und hörte mir aufmerksam zu wenn ich erzählte.
Sicherheit. Er gab mir Sicherheit und Vertrauen.

Er fragte nicht zu viel, wahrscheinlich hatte er Angst, dass er mich vergrault, wenn er nach zu persönlichen Dingen fragte. Um ehrlich zu sein, wollte ich ihm auch nicht mehr erzählen. Wir kannten uns nicht wirklich, und da werde ich ihm ja nicht nach ein paar Minuten meine ganze Lebensgeschichte erzählen.

Es war ziemlich spät, als wir wieder in Richtung Kreuzung gingen.
"Wo musst du eigentlich hin?" fragte ich, da ich total vergessen hatte, dass ich gar nicht weiß, wo er wohnt.
"Weiter geradeaus, fast am Ende der Straße" antwortete und hüpfte aufeinmal los. Total überfordert guckte ich ihm hinterher und lachte in mich rein. Wie kann man so viel Kraft und Selbstbewusstsein dafür haben?
Ich legte einen Zahn zu, um in seiner Nähe zu bleiben.

"Ich wohne da, im hellbraunen Haus" sagte ich und zeigte mit dem Finger auf das kleine Haus. Von außen sah es wirklich abgeranzt aus.
"Ah, na dann"
Er blieb stehen und kam auf mich zu.
"Ist umarmen okay?"
Ich nickte nur und ging einen Schritt auf ihn zu. Wirklich nett, dass er sowas fragte.
Ich umarmte ihn und musste mich etwas größer machen, da ich im Gegensatz zu ihm ziemlich klein war, trotz der hohen Plateau-Schuhe, die ich trug.
"Wir sehen uns!" sagte er, als er ein paar Meter gelaufen war. Er winkte noch hinterher, und ich tat es ihm gleich.

Zuhause angekommen, wollte ich eigentlich sofort in mein Zimmer, da ich ziemlich müde war, doch meine Mutter hielt mich ab.
"WO WARST DU? Ich komme nach Hause, von einem langen Tag, und du bist nicht da, um mir essen zu machen?!"
Ich hatte Angst. Ich ging ein Stück zurück, doch sie kam mir einen Schritt nach. Ich hatte keine Ausweichmöglichkeit.

Sie stank nach Alkohol. So sehr. Ich konnte es bis hier riechen.
Ich bekam kaum Luft, als sie mich weiter anschrie.
Einerseits vom Gestank aus ihrem Mund, andererseits auch vom Geschrei. Mein Vater hatte mich auch oft angeschrien, doch meine Mutter fing erst damit an, ihre Wut an mir auszulassen, als sie sich trennten.

Ich stand wie eingefroren da. Nach wenigen Minuten, die sich jedoch wie Stunden anfühlten, ließ sie mich endlich gehen. In meinem Zimmer ließ ich mich gegen die Tür gleiten. Einige Tränen rollten über meine Wangen, nicht, weil ich traurig war, dass sie mich angeschrien und festgehalten hat, sondern eher, weil ich total überfordert war. Solche Situationen holen Erinnerungen hoch, die lieber unten hätten bleiben sollen. Eigentlich weiß sie das auch, immerhin stand sie oft genug daneben, als mein Vater dies tat, doch sie war betrunken. Das heißt, sie wird sich daran Morgen nicht erinnern können.

Und wenn ich ihr etwas vorhalte, wovon sie gar nichts mehr weiß, wird sie genauso sauer wie sie es gerade eben war.

Anscheinend schlief ich in dieser Position ein, denn als am Morgen der Wecker zur Schule klingelte, lag ich vor der Tür, mit dem Kopf auf dem Boden.
Ich raffte mich auf, um mich fertig zu machen. Im Spiegel sah ich eine einzige Leiche. Blasse Haut und tiefe Augenringe.
Ich überschminkte alles, sodass ich wie ein ganz normaler Schüler aussah.

Ich überlegte was ich anziehen sollte. Da es ziemlich warm war, entschied ich mich für eine kurze Cargo-Hose und ein normales schwarzes Tshirt, das ich ein bisschen mir Chlor verschönert hatte. Ich nahm noch das Bandana mit, welches ich mir vor einigen Wochen gekauft hatte und schnappte mir meinen Rucksack.

Ich setze das Bandana auf als ich gerade die Tür aufmachte, und sah Eddie auf der anderen Straßenseite stehen.
Ich grinste wie ein kleines Kind. Er wartet auf mich? Wie nett ist das denn? Das hat noch nie jemand für mich getan.
Als er mich sah, winkte er mit ausgestrecktem Arm und grinste mich zurück an.
"Guten Morgen Lee!"
"Guten Morgen!" antwortete ich weniger Motiviert, immerhin bin ich vor ein paar Minuten erst aufgestanden.

"Du siehst scheiße aus. Nicht gut geschlafen?"
"Ne, ich hatte Stress mit meiner Mutter" sagte ich gleichgültig und holte mein Dreh-zeug heraus, um mir eine Zigarette zu drehen.
"Darf ich fragen, worum es ging?" fragte er nach ein paar Sekunden Stille.
Ziemlich überrascht, dass er danach fragt, brauchte ich einige Zeit, um mir die Worte zurecht zu legen.
"Sie war sauer, dass ich nicht bescheid gesagt hatte, wo ich war."
"Oh... Tut mir leid"
"Du bist doch gar nicht Schuld? Wieso entschuldigst du dich?"
"Tut mir leid, dass du damit ganz alleine warst. Du hast dich sicherlich schlecht gefühlt."

Darauf antwortete ich nicht, da er recht hatte. Ja, sehr schlecht sogar Eddie.
Aber du hörst mir zu.
"Ich bin für dich da, wenn etwas ist" sagte er ehrlich.

Eddie Munson FF 🧄 - Dungeons n' Drugs Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt