Teil 11

38 3 8
                                    

Dieser Beitrag wird sehr persönlich

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Dieser Beitrag wird sehr persönlich. Ich möchte ihn dennoch schreiben, weil ich mitterweile das Selbstvertrauen habe und weiß, dass ich anderen helfen kann.

Die Personen unter euch, die ,,Living my best life'' gelesen haben, wissen, dass ich mit 15 mit F30.1 diagnostiziert wurde. Was das bedeutet, würde ich gerne hier erklären.

Manie ohne psychotische Symptome:

Manie ist eine seelische Erkrankung. Bei einer Manie ist die Stimmung übertrieben gehoben. Man kann dann sehr reizbar oder unruhig sein. Man kann auch viel Energie haben und sich leistungsfähiger fühlen als sonst. Dabei ist es möglich, dass man sich selbst überschätzt. Möglicherweise redet man viel, schläft wenig oder kann sich schlecht auf einen Gedanken konzentrieren. Eine Manie kann den Alltag, die Arbeit oder das Privatleben stark beeinträchtigen.

Das war zumindest die Einschätzung meiner damaligen Therapeutin. Ich kann verstehen, warum sie das geglaubt hat. Aber warum ich der Meinung bin, dass das nicht gestimmt hat, würde ich gerne in diesem Text klären.

Kommen wir erstmals zu der Frage, warum ich überhaupt zu einer Therapeutin geschickt wurde. Im Unterricht habe ich mich kaum gemeldet und mit meinen Klassenkameraden habe ich so gut wie kaum etwas unternommen. Daraufhin hat mein Klassenlehrer mit meinem Vater gesprochen und ich wurde zu einer Psychologin geschickt.

Wenn ich ehrlich bin, konnte ich mit ihr nicht wirklich viel anfangen. Sie war eher im esoterischen Bereich und hat viel mit ,,Energien'' gearbeitet, womit ich kaum etwas anfangen konnte. Eigentlich wollte ich damals auch keine therapeutische Unterstützung, weil ich diese nicht für nötig empfunden hatte.

Ihr fragt euch jetzt bestimmt, warum ich so ruhig war.

Alle in meiner Klasse haben eine Stunde von mir entfernt gewohnt und da fragt man sich, warum ich nichts mit ihnen gemacht habe?

Sowieso wurde ich von den meisten als eine ,,Außenseiterin'' gesehen und habe durchaus Mobbing erfahren. Ich habe mich in dem Umfeld ganz und gar nicht wohl gefühlt und es gab keinen andere Schule, auf die ich gehen konnte. Wie denn auch, ich war in Shanghai ... Die einzige andere deutsche Schule war mindestens eine Stunde dreizig entfernt.

Ich hatte Freunde, aber diese waren jünger als ich. Das fand ich aber absolut nicht schlimm, weil ich mich von ihnen verstanden und wertgeschätzt gefühlt habe im Gegensatz zu meinen Klassenkameraden. Und als ich mal eine gute Freundin in der Parallelklasse hatte, kam es zu einem Streit und sie hat mich hinterher auch gemobbt.

Mal davon abgesehen, habe ich mich so allein gefühlt, da ich nur meinen Vater hatte und der Rest meiner Familie und meiner früheren Freunde auf einem anderen Teil dieser Erde lebten. Ich hatte jahrelang das Mindset, dass ich in Deutschland sehr viel glücklicher gewesen wäre. Bei meinen Großeltern hat sich jemand darum gekümmert, dass ich an einer Sport-AG teilnehme, ich ein Instrument spiele. Ich habe mich vor allem gesehen und unterstützt gefühlt nach dem Tod meiner Mama.

Ich will hier gar nicht sagen, dass mein Vater nicht für mich da war. Er war es schon, aber nur erst ab 19 Uhr, als er wieder zuhause war. Und am Abend hat er meistens dazu auch noch mit meiner Stiefmutter telefoniert, weil sie ja zu diesem Zeitpunkt noch in Brasilien gewohnt hat. Ich möchte ihm hier gar nichts vorwerfen. Er hat sein Bestes gegeben und ich bin ihm dankbar dafür. Er hat mal zu mir gemeint, dass er von nun an beides für mich ist (also Papa und Mama). So habe ich das aber nie gesehen. Kein anderer Mensch kann die verlorene Mutter ersetzen und ich denke, er hat das bedauerlicherweise bis heute nicht begriffen. Ich bin der Überzeugung, dass er selbst vor seinen eigenen Gefühlen geflüchtet ist und deswegen mit mir nach China gezogen ist. Darüber haben wir noch nie gesprochen. Er ist anders als ich, redet häufig nicht über seine Emotionen und das akzeptiere ich. Wie gesagt, man kann nicht die Persönlichkeit eines Menschen einfach so verändern.

Was ich mir gewünscht hätte, wäre jemand, der mir wirklich geholfen hätte, den Tod meiner Mutter zu verarbeiten. Auf Kinder zu treffen, die ähnliches erlebt haben, weil ich in meinem Umfeld die Einzige war, die keine Mama hatte. Mich hat es regelrecht traurig gemacht, dass niemand außer meiner Oma so wirklich über meine Mutter sprechen wollte.

Als meine Stiefmutter nach Shanghai gezogen ist, habe zumindest ich sehr schnell gemerkt, dass sie dort nicht glücklich war.

Wie denn auch?

Sie kann so gut wie kein Englisch, mein Vater war auf der Arbeit und ich in der Schule. Und ja, ich habe mitbekommen, wie sie sich mit meinem Vater gestritten hat und er eine Affäre mit einer anderen Frau hatte. Das ist heute mit einer der Gründe, warum ich Fremdgehen nicht verzeihen würde. Es ist ein hoher Vertrauensmissbrauch und ich könnte so etwas niemals vergessen. Meine Stiefmutter ist da anders und auch das ist vollkommen in Ordnung. Die beiden sind heute glücklich miteinander, konnten Differenzen klären und das ist das Wichtigste. Dennoch hat es natürlich Spuren bei mir hinterlassen.

Als Kind war ich sowieso immer etwas schüchtern gewesen. Ich war nicht so laut wie die anderen und habe so gut wie kaum über meine Gefühle gesprochen. Vielleicht lag es daran, weil keiner mir so richtig zuhören wollte.

Heute bin ich mir sicher, dass ich Depressionen oder etwas ähnliches gehabt haben muss. Mir fiel es schwer, meinen Alltag zu bewältigen und ich war sehr traurig. Ich habe mich innerlich verschlossen und in Büchern und im Schreiben einen sicheren Ort gefunden.

Was ich damit eigentlich sagen möchte: Wir alle machen im Leben schwierige Zeiten durch. Ich kann mich gut in andere hineinversetzen, weil ich selbst so viel durchgemacht habe. Ich bin zu dem heutigen Ich geworden aus meinen Erfahrungen. Ich möchte mich nicht mehr verstecken und zeigen, wer genau ich bin und was für Werte ich vertrete.

Ich habe diesen Beitrag und das Werk ,,Living my best life'' geschrieben, weil es mir wichtig ist, dass psychische Krankheiten nicht tabuisiert werden und über diese offen gesprochen wird. Damit könnte man Betroffenen ungemein helfen. Ich weiß, dass es Außenstehenden schwerfällt,  die Gefühle und Gedanken der anderen Person nachzuvollziehen. Doch man sollte wenigstens etwas Empathie an den Tag legen und der anderen Person, ohne zu verurteilen, einfach mal zuhören. Das allein empfinde ich schon als super wichtig. Nur so weiß man, wie es diesem Menschen wirklich geht und er ist bereit, sich dir anzuvertrauen.

DU bist keineswegs schwach, wenn du dir professionelle Hilfe suchst, im Gegenteil. Das demonstriert sehr deutlich, wie stark und mutig du bist!

In der Schule lernt man viel, aber mentale Gesundheit wird so gut wie kaum angesprochen. Es kommt nur selten vor, dass es geschultes Personal gibt, die Kindern helfen können, wenn sie zu Beispiel einen Vertrauenslehrer brauchen, dem sie von ihren Problemen erzählen könnten. Das muss dringend geändert werden.

Meine Worte werden kaum etwas auf dieser Welt verändern oder dafür sorgen, dass psychische Krankheiten von der Gesellschaft ernst genommen werden. Es reicht mir schon, wenn ich hier ein paar Mensch erreiche, die es genauso sehen wie ich und die ich auf diese Weise zum Nachdenken bringen kann.

Liebe Grüße

Natalia

This is meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt