the first moment

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Himiko

Ein Junge stand dort mit einem Schwert das er gekonnt in seiner Hand drehte. Sein Haar war kurz und dunkel-braun, aber in seinem Nacken erkannte ich einen kleinen dünnen geflochtenen Zopf der von der Mitte des unteren Haaransatzes bis zu seiner Schulter reichte. Seine Aufmachung kam mir ungewöhnlich vor, die Klamotten erinnerten mich an eine Dokumentation über Mönche in China die sich mein Vater letztens im Fernsehen angeschaut hat. Ich musterte ihn, aber konnte nicht zuordnen ob da wirklich jemand stand oder ich mir das nur einbildete. Wozu das Schwert? "Besser du kommst selbst aus deinem Versteck, bevor ich dich finde", die Stimme dieses Jungen war ruhig und angsteinflösend. Verdammt, hatte er mich entdeckt? Aber ich war doch ganz leise und er hatte sich nicht ein einziges Mal in meine Richtung gedreht. Ich hielt mir schnell den Mund zu und kroch ein Stück weiter hinter den Müllcontainer. Zur Zeit war das mein einziger Schutz. Was wenn er ein Irrer ist? Ein Mörder vielleicht? Oh Gott, bitte nicht. Ich spürte wie mein Herz schneller schlug bei dem Gedanken er könnte mir etwas tun. „Hab ich dich!", hörte ich ihn noch sagen, dann vernahm ich schnelle Schritte die näher kamen. Jetzt wurde es höchste Zeit! Ich musste wegrennen bevor mich dieser Geisteskranke mit seinem Schwert kriegt. Mir kam es vor als würden all die Horror-Filme die ich je gesehen hatte plötzlich wahr werden und das waren Dank Asako eine Menge. Gerade richtete ich mich auf um fort zu laufen da knallte etwas gegen die Wand mir gegenüber. Vor Schreck zuckte ich wieder zusammen und sank in meine hockende Position zurück. Mit den Armen schützend über meinem Kopf sah ich vorsichtig rüber. Zuerst sah ich nur einen großen dunklen Fleck an der Mauer, aber umso länger ich hinsah desto mehr erkannte ich das es eine Art Schleim war der blau schimmerte. „Was ist das...?", flüsterte ich leise mit zitternder Stimme zu mir selbst, als sich der Fleck anfing zu bewegen. Aus dem schwarz-blauem Schleim formte sich unglaublich schnell ein großer Wurm. Er war mindestens zweimal so groß wie ich. Ängstlich rückte ich noch ein Stück zurück bis ich gegen die kalte Mauer hinter mir stieß, aber wegschauen konnte ich auch nicht. Ich kniff meine Augen zusammen als dieses Ding einen gequälten Schrei von sich gab, der beinahe klang wie aus einem Dinosaurier-Film. Als ich die Augen langsam wieder öffnete, sah ich wie der Junge auf den furchterregenden Riesen-Wurm zuging. Leicht keuchend schwung er sein Schwert und starrte das Monster an. Das hingegen wankte unkoordiniert hin und her, ob es verletzt war? Ich atmete unruhig, mein Herz schlug vor Angst so schnell das es fast schon weh tat, aber ich beobachtete die beiden weiter. Was hatte er jetzt vor? Bevor ich mir diese Frage zuende stellen konnte, rammte der Junge mit einem Kampfschrei das Schwert in den blau schimmernden Körper, der vor ihm aufgerichtet war. Der Schrei des Ungetüms war so laut das ich mir die Ohren zuhalten musste. Fast als würde es weinen, tropfte sein flüssiger Körper zu Boden und aus ihm dampfte blauer Rauch. Mein rechtes Auge füllte sich mit Tränen die ich verwundert mit der Handfläche wegwischte. Ich sah wieder zu dem Jungen der nun vor einem kleinen Haufen Asche stand. Nachdem er sich hinhockte und sich das was von dem Wurm übrig war angesehen hatte, stand er auf, steckte das Schwert in die Scheide und ging mit schnellen Schritten die Gasse entlang als wäre nichts gewesen. Einige Zeit sah ich ihm hinterher, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte. Jetzt musste ich erstmal durchatmen. Was zur Hölle war das? Mein Blick viel wieder auf das Häufchen Asche. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich zu gehen und das was ich gesehen habe als bösen Traum abzustempeln. Ich ging einige wackelige Schritte in Richtung Karaoke-Bar, denn meine Beine zitterten immernoch. Mein Kopf schmerzte, weil ich mir krampfhaft Gedanken machte ob ich es irgendwem erzählen sollte. Nach einem weiteren Schritt drehte ich mich noch einmal um. Da wo die Asche war funkelte etwas. Kurz stand ich einfach still da, dann seufzte ich auf. Meine Neugier würde mich irgendwann nochmal in Schwierigkeiten bringen, aber ich musste einfach wissen was da war. Meine Beine brachten mich zum Glück sicher zu der verwehten Asche, auf die ich dann erstaunt hinunter sah. Dort lag ein dunkelblauer glatter Stein. Er war geformt wie die Zahl 9 und wunderschön. Ohne weiter darüber nachzudenken nahm ich den Stein an mich und ließ ihn in die kleine Tasche meines Rockes verschwinden. Als ich in den Himmel sah merkte ich das es schon langsam dunkel wurde und kalt war mir auch, deshalb ging ich wieder zurück zur Karaoke-Bar. Auf dem Weg zur Tür nahm ich noch meinen Becher den ich dort stehen gelassen hatte. Es kam mir fast so vor als hätte ich mir gerade einen Film im Kino angesehen, einen ziemlich realen Film. Ich kam von dem Geschehenen einfach nicht los und völlig in Gedanken versunken ging ich den Weg zurück zu unserem Raum. „Da bist du ja! Wo warst du die ganze Zeit?", Asako's Stimme klang geschauspielert enttäuscht und riss mich unwillkürlich aus meinen Gedanken. Die anderen kamen mir gerade entgegen. War es schon so spät? Verwirrt sah ich die vier an und kam mir schon fast etwas dämlich vor. „Tut mir echt leid... Mir ging es nicht so gut, deshalb war ich draußen an der frischen Luft", ich lächelte gequält. Eine bessere Ausrede fiel mir nicht ein, natürlich hätte ich sagen können was passiert ist, aber wie? "Tut mir leid Leute, aber ich habe beobachtet wie ein Verrückter mit einem Schwert ein triefendes Ungeheuer umgelegt hat", so hätte ich es wohl am besten beschrieben, doch das würden sie mir nie im Leben glauben.

Nachdem ich mir noch einiges von Asako anhören durfte als wir auf dem Weg nach Hause waren kamen wir an der Kreuzung an wo wir uns trennen mussten. Das kam mir eigentlich ganz gelegen, denn ihr zuzuhören fiel mir gerade wirklich schwer. "Wir sehen uns dann morgen!", rief Asako während sie in ihre Straße einbog. Lächelnd sah ich ihr nach, "Ja, Gute Nacht!" Dann machte auch ich mich auf den Weg nach Hause, von hier aus war es gar nicht mehr so weit. Verträumt schaute ich vor mich auf den Boden und fragte mich ob die anderen wirklich nichts Außergewöhnliches gehört hatten. Schließlich war der Schrei des "was-auch-immer-es-war" so laut. Ich hatte das Gefühl mein Kopf explodiert wegen all den Fragen und verwirrenden Eindrücken. Als ich vor unserer Haustür stand und diese gerade aufschloss kam es mir vor, als würde mich jemand beobachten. Ich riskierte einen vorsichtigen Blick um sicher zu gehen das ich mich irre. Da war Niemand. Ein erleichtertes Seufzen entwich mir und ich ging hinein. Meine Mutter bügelte als ich das Wohnzimmer betrat. "Ich bin wieder Zuhause. Tut mir leid das es länger gedauert hat", gab ich erschöpft von mir und blieb im Türrahmen stehen. Grinsend sah Mama zu mir, "Naja, so musst du dein Essen eben kalt essen." Sie zog mich auf. Natürlich das war ja sowas wie ihr Hobby. Ich musste lachen, "Das macht nichts Mama. Ich habe sowieso keinen großen Hunger." "Keinen Hunger? Hast du unterwegs schon was gegessen?" Ohjee... "Nur eine Kleinigkeit", ich ging in die Küche und aß einen Happen bevor ich in meinem Zimmer verschwand. Ziemlich unmotiviert machte ich mich gezwungenermaßen an meine Hausaufgaben und legte mich danach total erschöpft ins Bett, in dem ich dann auch schnell einschlief.

Am nächsten Morgen quälte ich mich hoch und streckte mich. Die letzte Nacht war der reinste Alptraum, ständig wurde ich wach, weil ich dachte ich hätte etwas gehört. Ich fasste mir an die Stirn, zum Glück waren die Kopfschmerzen weg. Mein Tag begann eigentlich wie immer, nur dass meine Müdigkeit dieses mal so heftig war als wäre ich aus dem Koma erwacht. Zumindest war ich relativ früh wach und deshalb nicht so spät wie gestern als ich das Haus verließ. Der Tag lief ab wie jeder andere Schultag auch, Asako redete und ich hörte zu, die Lehrer hielten uns Standpauken übers Hausaufgaben machen und Pünktlichkeit. Nachdem zum Ende der letzten Stunde die Schulglocke ertönte seufzte ich erleichtert auf. Ich wollte jetzt einfach nur noch nach hause und schlafen. Asako und die anderen wollten noch losziehen, also machte ich mich alleine auf den Weg nach Hause. Während ich das Schulgelände verließ winkte ich den anderen noch einmal. Mein Blick streifte nach oben zu den Kirschbäumen die wunderschön blüten und durch die Zweige und Blätter schien das Sonnenlicht. Wunderschön. Wie friedlich es doch wirkte, wenn die Äste so im Wind wehten. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, sah ich wieder nach vorn und blieb dann Ruckartig stehen. Mein Herz pochte schneller, denn wer da plötzlich, nur ungefähr 2 Meter von mir entfernt, stand erschreckte mich wirklich. Wo kam er auf einmal her? "Ich glaube du hast da etwas was mir gehört... Ich hätte es gerne zurück.", es war der Junge von gestern, ganz sicher, aber das Schwert hatte er nicht dabei. Meine Augen weiteten sich und ich konnte mich nicht regen. Was sollte ich nur tun?

Blue SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt