sound of bell

26 2 0
                                    

Himiko

Ich stand ihm eine ganze Weile gegenüber und starrte ihn an. Mein Mund stand offen, aber ich konnte nichts sagen. Sein ernster, eindringlicher Blick schüchterte mich ein. Hilfe suchend schaute ich vorsichtig um mich, ich bewegte mich so wenig wie möglich, glaubte ich wirklich er würde einfach wieder gehen? Im Augenwinkel sah ich eine Bewegung und schnell fixierte ich ihn wieder. Er hatte die Arme verschränkt und blickte etwas genervt zu mir, "Wovor hast du Angst?" "Ich hab keine Angst!", brach es aus mir heraus. Eine seine Augenbrauen hob sich, dann kam er seufzend auf mich zu, "Lüge... Deine Körpersprache verrät mir das du am liebsten wegrennen willst, aber selbst wenn du das versuchen würdest... Ich würde dich finden, denn du hast den Aotama bei dir." Den was? Ich ging ein paar Schritte rückwärts als er näher kam. "Ich weiß nicht wovon du sprichst...", langsam klang scheinbar mein Schock etwas ab. Plötzlich hielt er mir seine geöffnete Hand entgegen, "Gib mir den Stein!" "Was auch immer du suchst ich habe es nicht!", meine Stimme wurde sicherer, der Typ war ganz schön unfreundlich und sowas konnte ich nicht auf mir sitzen lassen, da vergaß ich auch glatt das er gestern noch sein Schwert geschwungen hatte. "Ha? Willst du mich jetzt auf den Arm nehmen?", entgeistert sah er mich an. Mein Blick blieb ernst und ich ging einfach schnellen Schrittes an ihm vorbei. "Der Aotama ist gefährlich...", sagte er noch, aber ich hatte nicht vor ihm zu antworten. Ihm entwich ein genervtes Seufzen. Ein Schauer überkam mich, denn für einen kurzen Moment hatte ich die Befürchtung er würde mich aufhalten wollen, nach mir greifen. Keine Bewegung, nicht mal ein Zucken von ihm... nur sein Blick folgte mir. Angst hatte ich komischerweise nicht. Lag es daran das er scheinbar in meinem Alter und mir gegenüber so unhöflich war? Wer weis... Zumindest hatte ich mich so aus der Situation gerettet und ging nun schnell weiter. Seinen Blick spürte ich noch eine ganze Weile in meinem Nacken. Woher wusste er das ich den Stein hatte? Warum hatte er ihn mir nicht einfach weggenommen? Als ich vor meiner Haustür stand drehte ich mich nochmal um. Der Junge war mir wohl nicht gefolgt. Erleichtert betrat ich das Haus, „Ich bin wieder zu Hause!". Keine Antwort. Sie waren bestimmt einkaufen und das passte mir gut, denn ich wollte mich endlich auf's Ohr hauen. Nachdem ich meine Schuhe unten ausgezogen hatte trottete ich die Treppen hinauf und verschwand in meinem Zimmer. Meine Schultasche legte ich auf den Schreibtisch, die Hausaufgaben würde ich später machen. Ich ließ mich vorwärts auf mein Bett fallen, mein Gesicht in dem weichen Kissen, wohlig seufzte ich. Himmlisch. Ich drehte mich auf den Rücken und schaute an die Decke. „Wer ist dieser Typ?", sagte ich zu mir und holte aus meiner Rock-Tasche den blauen Stein. Ich hielt ihn nach oben und sah ihn mir von allen Seiten an. Was sollte an diesem Stein gefährlich sein? Meine müden Augen fielen langsam zu, ich drehte mich auf die Seite und legte den Stein neben mich auf das Kissen. Es dauerte nicht lange , dann schlief ich schon ein.

Warme Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht weckten mich sanft. Als ich meine Augen öffnete stieg mir der Geruch von Blumen in die Nase und ich fand mich auf einer weiten Wiese wieder. Nachdem ich mich aufgesetzt hatte schaute ich mich um. "Wo bin ich?", ich rieb mir die Augen und stand langsam auf. Dieser Ort kam mir, nach längerem betrachten, bekannt vor, ich glaube hier in der Nähe machten wir manchmal Urlaub. Ich ging durch das hohe Gras und die bunten Blumen, berührte verträumt die Blüten mit den Fingerspitzen. Dann spürte ich das ich keine Schuhe trug, denn das Gras kitzelte an meinen nackten Beinen. Beim Blick nach unten bemerkte ich das ich ein weißes Kleid trug das bis zu meinen Knien reichte. Ich lächelte erleichtert. Gut, dann habe ich das mit diesem Jungen und dem Monster nur geträumt. Summend schlenderte ich weiter über die Wiese. Irgendwann spürte ich einen starken Windstoß und als ich nach oben sah wurde der Himmel voll mit grauen Wolken. Ich hatte irgendwie das Gefühl das ich mich unterstellen sollte, unzwar schnell. Nach einem Unterschlupf suchend sah ich mich hektisch um, dann brachte der erste Blitz mich zum Zucken. Weg hier! Das war mein einziger Gedanke und ich stürmte los. Der eiskalte Regen prasselte so stark auf mich herunter das es schon fast wehtat. "Aah!", ich stolperte über einen Stein und fiel unsanft vorwärts auf den Boden. Wieder Blitze und lautes Grollen, ich rappelte mich auf und erkannte einen Wald vor mir. Am Waldrand stand ein kleiner Schrein, der mir plötzlich wie meine einzige Rettung vorkam. Ich rannte los, so schnell ich konnte. Schwer atmend und hustend erreichte ich nach kurzer Zeit den kleinen Schrein aus rot bemaltem Holz durch das Torii. Ich hockte mich an den Schrein und kauerte mich zusammen. Auf einmal hatte ich so eine Angst, das ich meine Tränen nicht zurück halten konnte. "Ich will nach hause... Was mache ich hier?", weinerlich rieb ich mir über meine kalten Arme.

Es war dunkel und eiskalt geworden, so kalt das ich meinen Atem sehen konnte. Ich zog die Beine an meinen Körper und versuchte mit meinem vom Matsch dreckig und nass gewordenen Kleid soviel Haut zu bedecken wie möglich. Eine ganze Weile saß ich da, aber das Unwetter hörte nicht auf und hell wurde es auch nicht. Ich hatte mich irgendwann beruhigt und starte nur noch auf meine nackten Füße, wartend, aber ein Ende schien nicht in Sicht. Dann hörte ich etwas. Was war das? Es klang wie ein Glöckchen... Ich sah mich um, doch es war so dunkel, dass ich nichts erkennen konnte. Plötzlich erkannte ich ein goldenes Funkeln. Meine Neugier packte mich und ich stand auf. Da! Da war es wieder! Vorsichtig folgte ich dem goldenen Glöckchen durch die Dunkelheit. Ständig bekam ich Äste und Blätter ins Gesicht, aber ich folgte dem Geräusch der Glocke weiter. Als ich wieder durch einen Busch stolperte erkannte ich Lichter... Langsam trat ich näher heran, ich hörte das Glöckchen nicht mehr. Als ich weiter ging erkannte ich das die Lichter Stein-Laternen waren in denen Feuer brannte. "Was ist das hier? ", Treppen führten bergauf, rechts und links davon beleuchteten die Laternen den Weg. Mein Blick wanderte nach oben. Wo diese Stufen wohl hinführten? Dann hörte ich die Glöckchen erneut und etwas lief an mir vorbei die Treppe hinauf. Ich konnte einen buschigen weißen Schwanz erkennen. Eine Katze oder ein Hund trug also das Glöckchen! "Warte doch!", rief ich und eilte dem Tier hinterher. Stufe für Stufe, es fühlte sich an als hätte dieser Weg kein Ende. Schwer atmend und keuchend rannte ich weiter. Als ich schon fast aufgeben wollte sah ich ein Torii. Das musste es sein! Bei den letzten Schritten schmerzten meine nackten Füße noch mehr als zuvor und als ich oben war sank ich auf die Knie. Nach Luft schnappend sah ich mich nach dem Tier um dem ich gefolgt war. Überrascht stellte ich fest, dass ich auf einem Berg war und ein Stück weiter die nächste Stein-Treppe noch höher führte. Auf der Ebene auf der ich mich befand zierten Sockel mit Statuen den Rand. Es war beeindruckend. Als mein Atem wieder ruhiger wurde stand ich auf und sah mich um. Es war so ruhig hier, aber auch irgendwie beängstigend, diese Dunkelheit nur erhellt von den Laternen. Nachdem meine Bewunderung langsam abgeklungen war, wurde mir das Ganze ziemlich unheimlich. Ich sah an mir hinunter, an meinem schmutzigen und zerrissenen Kleid vorbei, zu meinen Füßen. Erschrocken stellte ich fest, dass sie voller Dreck und Blut waren. Oh Gott... Mir wurde schlecht. Ich musste mich schnellstens waschen. Hektisch sah ich mich um und entdeckte eine Wasserstelle die normalerweise zum Reinigen vor einem Gebet in einem Schrein oder Tempel gedacht ist. Schnellen Schrittes näherte ich mich und nahm mit eine Kelle. Mit der Kelle schöpfte ich Wasser und ließ es über mein rechtes Bein laufen, dann über das Linke. Das machte ich so lange bis kein Dreck und Blut mehr zu sehen war. Nun schaute ich mir meine Füße genauer an, sie taten zwar weh, aber keine Verletzung war zu sehen, kein Kratzer. Meine Augen weiteten sich, mir fiel die Kelle aus der Hand und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Das war nicht mein Blut. Übelkeit überkam mich, würgend hielt ich mir den Mund zu und wendete mich zu dem Gebüsch hinter mir. Ich hielt mich noch an dem Stützpfeiler der Wasserstelle fest und musste mich übergeben. Tausend Fragen und Vermutungen schwirrten in meinem Kopf umher, bis mich das Glöckchen aus meinen Gedanken riss. Da war es wieder... Ich schaute hinter mich und erkannte etwas weißes im Schatten der Statuen. Langsam bewegte ich mich auf das weiße Geschöpf zu. „Hab keine Angst... Ich tue dir nichts... Ich hab dich vorhin sicher erschreckt...", leise setzte ich einen Fuß vor den anderen und ließ mich ungefähr 2 Meter entfernt auf dem harten Steinboden nieder. Geduldig wartete ich und hoffte es würde heraus kommen. Das Einzige was ich immer wieder sah war das Glöckchen und weißes Fell. „Ich verstehe schon...Ich habe auch Angst...", ich senkte den Kopf. Ja, ich hatte Angst und ich wollte einfach nur nach Hause. Einige Tränen liefen über meine Wangen. Dann hörte ich das Glöckchen näher kommen. Fast schon ehrfürchtig hob ich meinen Blick. Dann sah ich einen Fuchs mit weißem glänzenden Fell, der mich mit seinen strahlend blauen Augen anschaute und ein goldenes Glöckchen um den Hals trug.

Blue SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt