Shaolan
Mit verschränkten Armen saß ich im Schneidersitz auf einem Ast, die Augen geschlossen. Seit ein Tag zuvor der Aotama verschwand und ich ihn bei diesem Mädchen aufgespürt hatte, musste ich meine Zeit hier vergeuden. Sie hatte ja keine Ahnung wie gefährlich das sein würde. Als ich bemerkte das sie ihr Zimmer betrat schaute ich unauffällig durch das Fenster indem ich einige kleine Äste beiseite schob. Ich beobachtete, wie sie sich hinlegte und einschlief. Genervt seufzte ich auf. Warum hat sie mir den Seelenstein nicht einfach gegeben? Dann müsste ich hier nicht hocken. Um mich zu beruhigen meditierte ich eine Weile, doch dann spürte ich eine Vibration in meinem Gewand. „Was zum...?", ich erschreckte mich und musste mich am Baum festhalten, damit ich nicht noch abstürzte. Hektisch griff ich in mein Oberteil und zog ein kleines blinkendes Gerät heraus, es war noch kleiner als ein Handy. Ich vergaß immer wieder das ich dieses Ding dabei hatte. Mittlerweile wusste ich, dass ich auf den Knopf drücken musste, wenn es blinkte. Ich drückte also auf den Knopf und eine Männerstimme ertönte, "Oy! Was ist? Haste den Aotama?" Entgeistert hob ich eine meiner Augenbrauen an, „Sie hat ihn mir nicht überlassen..." „Bitte? Was redest du da? Du hast ihn Ihr nicht abgenommen?" „Hätte ich auf sie losgehen sollen, Kaz?" „Wenn das die einzige Chance gewesen wäre...JA!" Der hatte leicht reden... Plötzlich war ein knacken zu hören und ich vernahm noch ein „Autsch" von Kaz, dann sprach eine andere Stimme zu mir. „Hey Shaolan, hör nicht auf ihn. Wir kriegen das schon wieder gerade gebogen. Mach deinen Hokuspokus und komm erstmal zurück, ja? Ich hab da was Irres rausgefunden!" Hokuspokus? Wohl eher ein spiritueller Bann, diese Wissenschaftler... „Ja, verlass dich auf mich, Rain." „Over and out!", und schon war das Gespräch beendet. Ich befestigte also zwei Bannzettel an der Hauswand und errichtete nach kurzer Meditation einen Bannkreis um das Haus. Durch das Fenster sah ich noch einmal prüfend zu dem schlafenden Mädchen und mir entfuhr ein genervtes Seufzen. Es hätte soviel einfacher sein können. Ohne weitere Zeit zu verschwenden machte ich mich auf dem Weg zum "Hunter-Quartier", der Name war nicht meine Idee. Außerdem klingt er auch viel beeindruckender als es ist. In der Dämmerung betrat ich das Grundstück einer ehemaligen Fabrik mit Büroräumen. Ich näherte mich einem alten zerfallenen Gebäude. Einladend war es wirklich nicht, aber zumindest ein Ort an dem wir ungestört waren. Durch eine Stahltür mit vielen, alten und neuen meiner Bannzettel gelangte ich in das Haus.
Ich folgte dem langen Flur eine Weile und gelangte so noch Tiefer in das Gebäude. Noch bevor ich um die Ecke in den nächsten Gang bog, roch ich Zigarettenqualm. Kaz stand vor einer Tür und rauchte, wahrscheinlich die 2 Schachtel seiner Zigaretten an diesem Tag. Von Weitem sah er mich und hob kurz die Hand, bevor er den in Papier gerollten, qualmenden Tabak zwischen Mittel- und Zeigefinger nahm. „Yo, hast dir ganz schön Zeit gelassen!", seiner Begrüßung entgegnete ich mit einem Schulterzucken als ich ihn erreichte. Freundschaftlich klopfte er mir auf die Schulter, schmiss nach einem letzten langen Zug den Stummel der Zigarette auf den Boden und drückte sie mit dem Fuß aus. Dann betraten wir gemeinsam den Raum, dieser war groß und unordentlich wie eh und je. Auf der einen Seite befand sich eine kleine Küchenzeile und auf der anderen waren Bücheregale und mehrere Computerbildschirme. Mit diesem ganzen Technikkram konnte ich wirklich nichts anfangen. Vor den ganzen blinkenden Monitoren saß Rain auf einem Drehstuhl und wendete sich mit einer halben Drehung zu uns. Breitbeinig sitzend und grinsend sah Rain uns durch kurze strubbelige Haare an. „Shaolan! Du wirst nicht glauben, was ich rausgefunden habe!", die Begeisterung in der leicht kratzigen Stimme war nicht zu überhören. „Du wirst es mir sicher gleich sagen". Rain wandte sich wieder der Tastatur zu als ich näher herantrat und tippte dermaßen schnell die Tasten, dass man nicht mal erahnen konnte was da gerade passiert. Wenn man sie so sah war es kein Wunder das ich sie am Anfang für einen Jungen gehalten habe. Rain verhielt sich einfach nicht wie ein Mädchen, ihre Art zu reden, diese kurzen zotteligen Haare und wie sie sich hinsetzt. Da kann man schon mal denken, das da ein Junge vor einem steht. „Da ich hab's! Hör dir das an! In diesem Krankenhaus hier sind in der letzten Woche 4 kerngesunde Menschen an plötzlichen Herzstillstand gestorben... Sie konnten nicht mal wiederbelebt werden, wahrscheinlich waren die Seelen schon nicht mehr in der Nähe" „Hört sich an als wäre das was für uns, Shaolan! Was meinste?", Kaz kam näher und stellte sich neben Rain's Stuhl. „Eigentlich unwahrscheinlich. Seelensänger können keine Menschen umbringen..." Nachdenklich ließ ich meinen Blick über den Zeitungsartikel der auf einem der Bildschirme zu sehen war schweifen. Dort war auch ein Foto von dem Krankenhaus und im Hintergrund ein Berg. „Momentmal! Wo ist das Krankenhaus? Was für ein Berg ist dahinter?", ich hatte da so eine Ahnung und die gefiel mir gar nicht. „Das finde ich in Null Komma nichts heraus!", sagte Rain und überflog mit ihren Augen blitzschnell mehrere Fenster die sich öffneten und wieder schlossen. „Haste ne Ahnung, Schaolan?" „Ja... und wenn sie sich als richtig entpuppt, könnten wir ein Problem haben..." „Ich hab's!", sagte Rain und haute auf den Tisch. Ich wendete mich dem Bildschirm zu, den sie ansah, als sie begann zu lesen, „Südöstliche Region der Toyama-Präfektur... 1852 wurde das Krankenhaus am Fuße des Tate-Yama eröffnet.... Blablabla... oh hier... Bis heute ist es eines der besten Krankenhäuser, die Anwohner glauben das es an dem großzügigen Berggott liegt... " Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, bevor Kaz diese durchbrach, „Du denkst der Mr. Tate-Berggott dreht am Rad und holt sich die Seelen???" „Ist das überhaupt möglich? Ich meine...", Rain sah mich fragend an. „Ich gebe zu, das hört sich verrückt an, aber mir fällt kein Wesen ein das sonst so eine Macht hat. Stellt sich nur die Frage, was so ein Geist mit menschlichen Seelen will..." „Vielleicht is' es auch ein Serienmörder und eigentlich ein Fall für die Polizei?", ließ Kaz verlauten. „So oder so. Wir sollten dem nachgehen um auf Nummer Sicher zu gehen.", Rain hatte Recht, wenn wir einen solchen Geist als Feind gehabt hätten, wäre ein Sieg eher unwahrscheinlich gewesen, nicht zu vergessen, die Auswirkungen die das mit sich hätte bringen können.
DU LIEST GERADE
Blue Soul
ParanormalWas passiert eigentlich, wenn unsere Seele nach unserem Ableben ihren Körper verlässt? Vor vielen Jahrtausenden wusste es jeder Mensch, heute... weiß es keiner mehr. Der Grund ist, dass sie vergessen haben was sie einmal waren und den Glauben verlo...