Kapitel 1

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Wir fahren mit dem Zug zum Krankenhaus.
Alice wollte niemand anderen mit nehmen.Wir sind schon immer sehr verbündet, wie Pech und Schwefel.Die Zugfahrt dauert knapp eine halbe Stunde.Wir steigen aus,suchen das Krankenhaus und fragen uns zu Dr.Savachi durch.Der Doktor ist ein kleiner,rundlicher Mann mittleren Alters.
Er spricht mit uns über Alices Chemotherapie.
"Ich habe im Internet gelesen,dass ich eine 50% Überlebenschance habe.Stimmt das?"fragt Alice.
Der Doktor schaut mich geschockt an,als wolle er nicht,dass seine Patienten wissen,wie groß ihre Überlebenschance ist.
"Wissen sie,das ist bei jedem Patienten anders.Ich denke sie schaffen das."Er spricht mit einer ruhigen Stimme und ich halte mich an seinen Worten fest.Ich hoffe,dass er Recht hat.Ich schnappe nach Luft.Ich habe das Gefühl,gleich zu ersticken.Ich müsste eigentlich meine Schwester unterstützen,doch ich kann nicht mehr in dem kleinen weißen Raum bleiben.Ich drücke die Schulter meiner Schwester und gehe aus der Tür.Ich finde kaum den Ausgang des Krankenhauses.Ein leichter Wind weht mir um die Nase.
Ich fühle mich besser.Trotzdem laufe ich einbisschen durch den Park,der an das Krankenhaus angrenzt.Ich sehe einen jungen Mann etwa siebzehn.Er lächelt mich traurig an.
Ich setze mich neben ihn auf die Bank."Wen hat's aus deiner Familie getroffen?"
Er schaut mich an und wartet auf eine Antwort.
Seine direkte Art wundert mich,dennoch ist er mir symphatisch und ich verstehe,dass auch er einen Schicksalsschlag verkraften muss.
"Meine Schwester...und...und bei dir?"
Einen kurzen Moment schweigt er und schaut mich an.
"Meinen Bruder.Lungenkrebs..."
Auch wenn ich selber noch von der Diagnose meiner Schwester geschockt bin,muss ich schlucken.
Ein 'Das tut mir aber leid'ist überflüssig,denn das muss ich ihm nicht sagen.
"Wollen wir ein Stück zusammen laufen?"
"Gerne",sage ich und nicke.
Er erzählt mir,dass sein Bruder gerade mal zwanzig sei und,dass auch sie sich gut verständen.Er erzählt mir alles ganz stolz über seinen Bruder.Er muss ihn wirklich lieben,denke ich mir.
"Ich bin ja doof",sage ich,"Ich bin Emily."
"Tim."
Wir gehen langsam wieder zum Krankenhaus zurück.
Ich bekomme schon ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Schwester,die sich einer Chemotherapie unterzieht und ich mich nett mit einem Jungen unterhalte.
"Ich möchte dich wieder sehen."
Ich schaue ihn verblüfft an.
"Ich denke nicht,dass das eine gute Idee ist.Ich muss für meine Schwester da sein."
Ich schaue ihm in die Augen.
Er hat wunderschöne Rehaugen.
Tim drückt mir wortlos eine Serviette in die Hand und geht.Ich stecke sie schnell in meine Hosentasche und hole meine Schwester auf Station 3 ab.
"Mein Schwesterherz."Sie kommt mir entgegen.
"Ohhh Alice,es tut mir so Leid.Ich wollte doch bei dir sein."
"Es ist okay Emily."
Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und gibt mir zu verstehen,dass es wirklich okay war.
Wir fahren wieder nach Hause.
Unsere Mutter kommt uns schon entgegen,bevor wir das Gartentor erreicht haben."Hallo Alice.Wie geht es dir?Ist alles okay?"
"Mum,was soll schon in Ordnung sein?
Ich verstehe Mums Sorge,kann dennoch verstehen,dass Alice das in diesem Moment nicht versteht,dass Mamas Frage nicht bosartig gemeint war.
Um nicht einen Streit zu provizieren,lasse ich die Zwei alleine und gehe in mein Zimmer.Auf dem Weg durch die Küche,komme ich am Mülleimer vorbei und denke an die Serviette,die Tim mir gegeben hat.Ich hole sie aus meiner Hosentasche und knülle sie auf.Es steht eine Nummer darauf:0157361418
Ich muss lächeln.Er konnte es nicht lassen.
Ich gehe hoch,schalte mein Handy ein und gebe seine Nummer in mein Handy ein.
Ich tippe ein einfaches 'Hey' und schicke die Nachricht ab.

Du musst für mich bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt