Kapitel 19

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Elysia

Enttäuscht und verwirrt gehe ich wieder runter ins Wohnzimmer, wo James mit seiner Familie zusammen sitzt, und einen Weihnachtsfilm angefangen hat zu schauen. Olivia war die erste, die mich bemerkte, und mir Platz neben sich frei machte.

„Wo ist James?", fragt sie mich, ein breites Lächeln über ihrem Gesicht gespannt. Ein Zucken an meinem Herzen schaffte mir ein Schmollen auf die Lippen. Wahrscheinlich hat sie nur auf ihren Bruder gewartet, und auch wenn sie froh war mich zu sehen und neben sich sitzen zu haben, war ihre eigentliche Hoffnung die Anwesenheit von James. Ich nahm meinen Platz neben ihr ein, das Sofakissen noch warm, als meine Hand es berührte.

Es dauert nicht lange, bis sie realisierte, dass James nicht runterkommen wird. Gott, es brach mein Herz beim Anblick ihres gekränktem Gesichtes. „Seine Arbeit ist ihm gerade wichtiger, richtig?", hinterfragt sie, doch die rhetorische Frage konnte sie sich schnell selbst beantworten. Enttäuschung überkam ihre Haltung, Schultern senkten und Rücken krümmten sich. Wenn eine geliebte Person dich immer wieder enttäuscht und dir aber versprochen hat sich zu bessern, das aber nicht geschieht, dann weiß man nicht mehr, was man der Person glauben soll und was nicht. James Antworten bei unserem Gespräch waren so kalt und gefühllos, als würde er seine Personalität von einem auf den anderen Moment gewechselt haben. „Leider ja. Ich habe es versucht, ihn zu überzeugen, aber er wollte mir einfach nicht zuhören." Vorsichtig lege ich meine Handfläche auf ihre Schulter, um ihr ein bisschen Beistand zu geben, aber ich wusste, dass es nicht viel helfen würde. Das Einzige, was sie jetzt aufmuntern konnte, war nur ihr großer Bruder selbst.

Ich konnte mir kaum vorstellen, wie Olivia sich wohlfühlte. Nicht nur, dass ihr großer Bruder früh ausgezogen und in eine andere Stadt gezogen ist, doch auch jetzt wo er zu Besuch ist, ist es für sie wohl nicht anders. Sie sah ihn immer noch genauso wenig, bekam genauso wenig von ihm mit, und kriegt genauso wenig Aufmerksamkeit, wie sie es eigentlich brauchte. Da wünschte ich, ich könnte ihre Meinung durch Worte ändern, aber keine Worte aus meinem Mund könnten James derzeit verteidigen. Mit den Taten, die er tat, sah es ganz so aus, als würde er genau das machen, was seine Familie immer und immer wieder enttäuschte. In der Arbeit verloren gehen, ohne zu bemerken, wie es seine Umgebung beeinflusste.

Mir selbst tut es weh seine Schwester so zu sehen und ich kenne sie gerade erst ein paar Stunden. Es macht mich plötzlich so wütend. Bei unserer Ankunft war er so nervös und hatte sogar Angst, dass seine Schwester ihn hassen könnte und jetzt ist er wie ausgewechselt. Es kümmert ihn nicht, was die andere denken oder wie traurig sie gerade sind, dass er nicht bei ihnen ist. Sobald es um seine Firma geht, ist er ein anderer Mensch und ich weiß nicht, ob das gut ist. Ob nun für ihn oder für jemand anderen.

Während wir den Film anschauen, ist eine trübe Stimmung in diesem Raum, die habe ich seit unserer Ankunft nicht einmal gemerkt, doch jetzt muss man nur den Raum betreten und spürt sie. Vielleicht lag es auch daran, dass James nicht mehr mit uns im Zimmer war, oder vielleicht spiegelte sogar seine schlechte Laune bis nach hier unten auf uns alle ab, aber fröhlich schienen die Gesichter in diesem Raum nicht mehr auszusehen. James Mutter hatte uns dann ein paar Kleinigkeiten zum Essen zubereitet sowie ein paar Kekse und die waren wirklich lecker. Ich musste sie später definitiv nach dem Rezept fragen, aber viel sprachen wir nicht mehr. Bei einem war ich mir jedoch sicher, bei keiner Familie sollte solch seine trübe Stimmung kurz vor Weihnachten ihren Lauf machen. Hier musste etwas passieren, denn eine schöne Weihnacht hatte doch jeder verdient, oder?

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Der Film war zu Ende und James ist nicht ein mal nach unten gekommen, um mit uns den Film zu schauen oder Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Sollte ich ihn noch einmal darauf ansprechen? Eigentlich schon... für seine Familie und ihn! Aber die Angst noch einmal von ihm angeschrien zu werden war noch zu groß. Schreckliche Erinnerungen kamen hoch, jedes Mal, wenn jemand seine Stimme gegen mich erhob. Es ist immer noch eine unangenehme Stille im Raum und ich traute mich eine ganze Weile nichts zu sagen oder mich zu bewegen, dennoch kann ich nicht für ewig hier sitzen. „Ich würde jetzt ins Bett gehen. Tut mir leid, dass James nicht runtergekommen ist."

Christmas DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt