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"Linda... Ey... Darf ich... Mensch lasst euch doch jetzt mal los, Basti bleibt noch ein paar Tage, da könnt ihr euch austoben, wie ihr wollt.", Tim drängelte die beiden Freunde mit gewissen Vorzügen voneinander, welche sich an der Garderobe versteckt hatten, um ein bisschen mehr Privatsphäre zu haben.
"Alter, lass' mich doch auch mal meinen Spaß haben.", brachte sein Trauzeuge ihm genervt entgegen.
"Ena würde gern den Brautstrauß werfen und wartet noch auf deine Angebetete. Würde sie bitte Jessica von draußen holen?", Tim zwinkerte, was den sonst so harten Labelboss erröten ließ.
"Tim, jetzt tu mal nicht so, du weißt, dass es nur Sex ist.", lachte Linda, knuffte Basti an der Schulter und ließ die Freunde zurück. Der selbsternannte Rüpel blickte der mittlerweile Dunkelhaarigen hinterher, bis sie aus dem Türrahmen getreten war.
"Soll sie den Strauß fangen?", lachte der Bielefelder seinen Freund an, ein Hilfe suchender Blick traf ihn. "Nee, oder?", Basti nickte leicht und zuckte mit seinen Schultern. "Der große Basti DNP ist verliebt..."
"Ach, halt doch dein Maul, Alter.", Basti rollte mit seinen Augen und versuchte den Blicken von Tim auszuweichen.

Während sich Tim und Basti noch immer an der Garderobe über die vermeintliche Romanze austauschten, lief Linda auf dem großen Grundstück herum und suchte nach Jessica. Durch ein Pfeifen war sie abgelenkt und sie drehte sich zu Lukas um.
"Hast du Jessie gesehen, Ena hat mich gebeten, sie reinzuholen.", sagte Lukas und blickte sich noch einmal um.
"Tim hat mich gerade gebeten, dass ich sie von draußen hole.", Linda fuhr sich durch ihre Haare.
"Such du lieber nach ihr, ich... Ich glaube nicht, dass sie sich darüber freut, wenn ich nach ihr suche...", Lukas senkte seinen Blick und rümpfte die Nase. Linda legte ihm seine Hand an den Oberarm und strich über den Stoff seines Jacketts. Der Rapper atmete tief ein und blickte nach oben, in den Himmel.
"Das hast du dir also von ihr abgeguckt, was?"
"Hör' auf, das macht es nicht gerade leichter für mich.", Lukas hob seine Hände und schlug sie vor seinem Gesicht zusammen.
"Lukas..."
"Was?", brachte er verzweifelt hervor. "Redet sie manchmal von mir? Sie lebt seit fünf Wochen auf deiner Couch, du musst ja wissen, wie es ihr geht."
"Es geht ihr mindestens genau so beschissen wie dir, reicht dir das als Aussage? Sie bereut diesen Streit zutiefst und..."
"Wo bleibt sie denn?", Tim stand am Eingang und rief zu den Freunden herab.
"Zwei Minuten...", rief Lukas. "Ich weiß, wo sie ist.", flüsterte er. Linda blickte ihn fragend an und wartete auf seine Antwort. "Die ganzen Bäume hinter dem Parkplatz, die stehen nur sehr dicht. Geh' gerade durch, da kommt ein großer Teich, dort wird sie sitzen. Vertrau mir.", Lukas kehrte Linda den Rücken und begab sich wieder in den Veranstaltungsraum des Anwesens.
Linda lief über den kleinen Parkplatz und blieb abrupt stehen, als sie die Silhouette von Jessica zwischen den Bäumen sah. Die Mechatronikerin wischte sich über ihre Wangen und blickte ihre Freundin an.
"Ich... Ich habe dich gesucht... Ena will den Brautstrauß werfen.", sagte sie und setzte noch einen Schritt auf die Mechatronikerin zu.
"Stimmt... Tradition auf jeder Hochzeit... Hier hinten ist ein großer Teich... Wusstest du das?", Jessica versuchte ein Lächeln aufzusetzen, doch Linda sah, dass der verletze Blick, den die junge Frau seit Wochen in ihren Augen trug, nicht schwand. "Dann... Dann... Lass und mal reingehen."
Linda legte ihrer Freundin den Arm über die Schulter. Arm in Arm liefen sie in den Saal, wo sich die Blicke, durch die Verspätung, auf sie richteten. Wieder trafen sich die Blicke von Lukas und Jessica, welche sich in diesem Augenblick durch den Alkohol mutig fühlte. Sie warf ihrem noch immer geliebten Ex-Partner ein kleines Lächeln zu, welches er erwiderte. Sofort drehte sich alles und sie bekam ein ungutes Gefühl im Magen. Die vergangen fünf Wochen, voller Trauer und Schmerz, kehrten ohne Lücken in ihr Gedächtnis zurück. "Sorry...", entschuldigte sich Jessica, als sie gegen Alva, die Cousine von Ena, lief. Diese winkte freundlich ab und warf Jessica ein Lächeln zu.

"So Mädels... Seid ihr alle bereit, aber wehe, hier holt dann einer einen Ring raus!", witzelte Ena. Sie kehrte der Traube aus Freundinnen und Familienangehörigen den Rücken. Den kurz gebundenen runden Strauß hielt sie wieder fest in ihren Händen. Die angewinkelten Arme streckte sie aus und bewegte diese schnell nach hinten, über ihren Kopf hinweg. Gespannt sahen die Angehörigen auf die Damen, welche ihre Arme nach dem Strauß streckten.

Es herrsche Stille im Raum, unter den Gästen. Alle richteten ihren Blick auf Jessica, welche kreidebleich den gefangenen Strauß anstarrte. Eine Träne lief aus ihrem Auge, über ihre Wange und tropfte von ihrem Kinn, auf eine der weißen Rosen. Jessica blickte von dem Strauß auf und ging mit ihren Augen durch die Masse, bis sie wieder kurz an Lukas hängen blieb. Das plötzliche Schreien von Lio unterbrach die Stille. Panisch begann Jessica zu atmen und versuchte sich langsam rückwärts aus der Räumlichkeit zu flüchten.

Utopie - 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt