1 \ u n t e r g e h e h e n d e - s o n n e n s t r a h l e n

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Mientje


Ich stand an dem weitläufigen Strand von St. Peter und sonnte mich in den letzten Sonnenstrahlen.

Der Wind, der endlich Einzug mit den Wolken hielt, strahlte in meiner Welt dem Sonnenlicht entgegen. Er war mein Verbündeter.

Er füllte die Luft mit Vorfreude. Mein Sommer war durstig nach Wind und Wellen. Ich tauschte nur ungern einen Neo in etwas Leichteres, wie einen Badeanzug.

Heute war es nicht bedauerlich für die Touristen, dass die Sonne verschwand. Sie alle warteten, wie ich darauf, dass die Besten unter uns ihr Können zeigten.

Unzählige Zelte wehten im Wind, zwischen denen sich die Touristen tummelten. Einen, an die hundert Meter langer Tisch war vollbesetzt mit den Schaulustigen und Surfern.

Wie hatte ich das vermisst. Es war das eine Event im Jahr, auf, dass ich mich am meisten freute.

Kites flatterten in Erwartung am Boden und Leinen wurden hastig ausgelegt. Die ersten Surfer starteten ihre Schirme und liefen fiebrig über den Strand.

Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und sah dem bunten Treiben zu. Ich wollte noch ein wenig warten, bis der Wind stärker wurde.

„Na, suchst du dir ein neues Opfer?" Ein dicker holländischer Akzent klebte an meinem Ohr.

Ich sammelte mich für eine Sekunde und drehte mich um. Da stand der Eindringling. Natürlich war er hier. Seine Startnummer prangte stolz auf seiner Brust.

Nicht, dass ich es nicht wusste, dass er hier sein würde. Ich hatte mir die Teilnehmerlisten genau angesehen. Verdammt, ich hatte mir im letzten Jahr jedes Video von ihm angesehen. Ich war dass, was man einen Stalker nennen würde.

„Nein, hab meines schon letztes Jahr gefunden", brüllte ich gegen den Wind an. Sein Kite flatterte ruhig im Wind und seine Füße stemmten sich nicht einmal in den Sand. Anders, als wenn ich diese Schirmgröße heute wählen würde.

„Wag es gar nicht", grinste er mich an. Sein blondes Haar tanzte im Gleichklang mit seinen blauen Augen. Er war der Einzige, der sich hier freute, schien es aber nicht zu bemerken.

„Ein Versuch ist es wert", zuckte ich mit den Schultern. Er klopfte sich auf den Kopf und hinter ihm sprang jemand zu seinem Kite.

„Du hast dieses Jahr Minions angeheuert", stellte ich fest. Ich sah zu, wie sein Kite gefangen wurde und er die Bar von seinem Gurt löste. Achtlos warf er sie in den Sand.

„Du wirst dich dieses Jahr benehmen", warnte er und kam mir näher.

„Das heißt?" Das hieß gar nichts. Ab morgen würden wir uns nicht mehr über den Weg laufen.

„Du wirst nicht überpowert da rausgehen und alle anderen in Gefahr bringen", warnte er mich.

„Das tun wir alle." Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sah in seine wütenden Augen.

„Pass auf, ... ", er griff sich in die Haare und es sah aus, als wenn er den Himmel verfluchte. Sein Problem, wenn er sich rächt. Niemals den Himmel anfauchen.

„Auf dich? Sicher nicht", entgegnete ich ihm herausfordernd. Noah von de Meer war meinetwegen ein Surfgott, aber sicher nicht einer, auf den ich hörte.

„Was wiegst du, Mini?", fragte zynisch. Ich wußte, worauf er anspielte, doch ich ging nicht darauf ein.

„Mientje. Für dich Fräulein Clausen." Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, merkte ich, wie lächerlich das klang.

Steilvorlage.

Sein herzhaftes Lachen übertönte den Wind und er schüttelte seinen Kopf. Nein, sein ganzer Körper zuckte vor Lachen. Um es noch deutlicher zu machen, hielt er sich den Bauch.

„Geh mir aus dem Weg", schüttelte ich meinen Kopf und wendete mich von ihm ab. Das dürfte ihm nicht schwerfallen.

„Warte, Mini!" Seine Hand landete auf meiner Schulter und er stellte sich mir in den Weg. „Ich meine es ernst."

„Ich auch, aus dem Weg", grollte ich.

„Meine Schwester wird dieses Jahr im Slalom antreten." Mein Herzschlag verdoppelte sich. Ich hatte sie letztes Jahr fahren sehen. Sie war talentiert, aber World Cup? Wie konnte ich das übersehen? Es gab nur einen van de Meer auf den Listen.

„Ja, und?", antwortete ich. Es war mehr eine Schutzreaktion meines Verstandes, denn eine ernstgemeinte Frage. Adé Träume.

„Du bist nicht gut informiert, oder? Hätte schwören können du stalkst mich", grinste er frech.

„Ein Like unter einem Video, dass es verdient hat, ist kein Stalken. Zu wissen, dass ich unter den hunderten war schon."

„Touché, Mini." Ich unterdrückte eine Antwort auf den abschätzigen Spitznamen.

„War das alles?" Ich verschränkte meine Arme erneut vor der Brust und starrte auf seine. Jemanden ansehen heißt nicht, ihm immer in die Augen zu sehen.

„Nein. Ich will sie dir vorstellen." Seine Worte holten mich nicht aus meinem Schock, es ereilte mich der Nächste.

Er winkte hinter sich und da spazierte freudestrahlend mein talentierter Alptraum zu mir.

„Das ist Mini", stellte er mich vor. Das Gespräch würde kurz werden, also sagte ich nichts.

„Hendrikje Schouten", streckte sie ihre Hand nach mir aus. „Ich freu mich schon so auf unser Rennen. Du bist eine fantastische Fahrerin." Verdammt, sie war liebenswert.

Wieso teilten sie nicht mehr den gleichen Nachnamen? War das ein Trick?  Argwöhnisch blickte ich auf ihre Hand und griff nach ihr.

„Freut mich", würgte ich mir heraus. Danke für den verpassten Sieg lag mir auf den Lippen.

„Ich denke morgen wird ein 10er reichen, oder?", lachte sie. Sicher nicht. Jetzt wird erst recht der Zwölfer ausgepackt.

„Wir sehen uns auf dem Wasser", murmelte ich und stakte davon.

„Wehe du packst den 12er aus, Mini", hörte ich Noahs warnende Stimme hinter mir.

arche noah ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt