3 \ k a n t e - z e i g e n - u n d - a n g s t - ü b e r b o a r d

98 13 11
                                    


Mientje


"Okay, dass sind mehr als dreißig Knoten!", rief mir Ole über meine Schulter zu. Er hielt mich an meinem Gurt fest, während ich meinen Kite trimmte.

Verdammt, das war mehr als angesagt. Der Wind hatte überraschend aufgefrischt und jetzt hatte ich selbst Bedenken, aufs Board zu steigen.

"Scheiß drauf", murmelte ich und fühlte den starken Zug an meinem Gurt, dann wurde ich stabiler. Der Wind war es nicht. Ich sah über meine Schulter und direkt in Noahs blaue Augen.

„Keine Angst. Ich hab dich, Mini." Er kniete mit gespreizten Beinen hinter mir und griff mit seinem langen Arm nach dem Adjuster. „Am besten ist, wenn wir ihm ein wenig Kraft nehmen." Er zog an ihm und er hatte sofort weniger Backstall.

Es war ein trauriger Anblick, einem Kite die Kraft zu nehmen. „Ich kann das fahren."

„Du fährst dich nur warm. Das Rennen ist erst heute Nachmittag", sagte er und zog erneut den Adjuster und nahm ihm noch mehr Power.

„Was kümmert es dich?", schrie ich ihn an, dass er es über den Wind hörte.

„Ich will, dass meine Schwester nicht von dir über den Haufen gefahren wird. Kannst du das verstehen?" Entgeistert sah ich ihn an.

„Das war ein Versehen." Für eine Weile sah ich ihn wütend an, bis seine Hand sich erneut ausstreckte und neben meiner an der Bar landete.

„Ich möchte mit dir darüber reden, was letztes Jahr passiert ist", sagte er über meine Schulter und hinderte mich daran, dass ich losfahren konnte.

Er drückte die Bar weit von mir, derweil ich daran zog. Dass er meinen Gurt festhielt, war nicht wichtig. Er würde sich schon in Sicherheit bringen, wenn ich abhob.

„Ich nicht", plärrte ich ihn an. Abrupt ließ er die Bar los und hätte er meinen Gurt nicht festgehalten, wäre es unschön geendet.

„Sag mir, wenn du bereit dafür bist", sagte er lachend über meine Schulter. Der Zug vom Kite fühlte sich genau genommen besser an, als vorher. Ich nickte ihm erstaunt zu und war mir nicht mehr sicher, ob ich ihn loswerden wollte.

„Ich warte", sagte er, als ich mich aufrichtete.

„Wieso?", fragte ich ihn irritiert. Noah ließ die Bar los und ich drehte mich zu ihm um. Sein Griff an meinem Gurt war stabil. Der Wind frischte auf und es war bitter nötig, wie ich feststellte. Auf dem Wasser konnte ich es ausgleichen, an Land nicht mehr.

„Ich will mich bei dir entschuldigen." Reumütig sah er mich an. Seine blauen Augen enthielten heute ein Teil des Grau des Himmels.

Ich hatte einen Kink für Surfer. Ich fand sie alle schön. Jung. Alt. Dick. Dünn. Sie brauchten nur den Strand und das Wasser lieben und ich war Feuer und Flamme.

„Nicht nötig", winkte ich mit einer Hand ab. Mein Kite lag unruhig in der Luft, da Noah ihn gedepowert hatte.

Noah hielt mich fest an meinem Gurt und griff erneut nach meiner Bar. Er kam mir dabei so nahe, dass es mir die Luft aus den Lungenflügeln stieß.

„Es ist mir wichtig. Fahr ein wenig und überleg es dir. Ich warte hier auf dich." Ich nickte nur. Stimmte ich gerade zu? Er würde nicht warten. Sein Wettkampf stand bald an.

„Okay. Sag es!" Eine Entschuldigung war ein Satz. Ihn erneut in Schwierigkeiten bringen, wollte ich nicht.

„Es tut mir leid, dass --"

„Okay. Das reicht", unterbrach ich ihn. „Jetzt lass mich los." Er tat, was ich von ihm verlangte. Ich hüpfte über den Strand, griff nach meinem Board und suchte das Weite auf dem Wasser.

Einen Noah mit Gewissen war nicht zu gebrauchen. Ich wollte heute Nachmittag seine kleine Schwester besiegen. Ihr den Wind aus den Segeln nehmen, für die nächsten Wettkämpfe.

Das würde mir nur schwerer fallen, wenn er jetzt seine nette Seite zeigte.

Die ganze Zeit auf dem Wasser hingen meine Gedanken bei Noah. Heute achtete ich dennoch auf das Signal, rechtzeitig zu landen. Ein erneutes Mal würde es mir nicht passieren.

Noah war nirgends zu sehen, als ich am Strand ankam. Gut so, oder nicht?

Ich raffte mein Material zusammen und suchte mit den Augen den Strand ab. Surfer bereiteten sich für den Slalom der Herren vor.

Es dauerte nicht lange, bis ich Noah zwischen ihnen entdeckte. Er stand neben seinem Kite, als wartete er auf etwas. Mit verschränkten Armen vor der Brust, blickte er auf das Wasser.

Er glich einer Statue im Sand und bewegte sich keinen Zentimeter. Ich sah auf meine Uhr und verfluchte mich.

Schnurstracks ging ich auf ihn zu. Es waren gute zwanzig Minuten bis zum Start. Worauf wartete er?

„Angst?", rief ich ihm zu, als ich nah genug war. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er drehte sich zu mir um und nahm mir mein Board ab.

„Ja, dass mein größter Fan mir nicht zusieht", grinste er mich an.

„Dann warte weiter", schnaubte ich. Ich mochte den übelgelaunten Noah lieber. Die nette Seite an ihm, lenkte mich nur ab.

Schlimm genug, dass seine Schwester nett war. Beide? Ausgeschlossen.

Das waren die besten Tag des Sommers und mein Kampfgeist schmolz dahin, wenn ich in seine Augen sah. Sie waren, wie der blaue Himmel der über uns fehlte.

„Ich brauche einen Starthelfer", sagte er zu meiner Überraschung.

„Wo sind deine Minions? Bezahlst du sie nicht gut genug?", antwortete ich überspannt.

„Autsch", lachte er. „Das kann ich nicht so stehen lassen. Geh mit mir heute Abend essen und gib mir die Chance mich für letztes Jahr ordentlich zu entschuldigen." Noah sah mich aufrichtig an.

„Noah. Wir sind Konkurrenten. Es sollte so bleiben."

„Wir fahren nicht gegeneinander", hielt er dagegen.

„Wir nicht, aber ich und seine Schwester. Du solltest längst draußen sein", wedelte ich mit den Händen in Richtung Wasser.

„Ist das ein Ja?" Das war nicht sein Ernst. Wollte er den Start verpassen, wegen einer Antwort von mir?

„Noah!" Ich sah auf meine Uhr. Er musste jetzt raus aufs Wasser. Seine Starthelfer kamen angerannt und hoben den Kite, doch er bewegte sich nicht.

„Mini?" Noah sah mich abwartend an. „Gehst du mit mir Essen?"

„Im Ernst Noah?" Ich sah auf meine Uhr. „Okay, okay", hob ich geschlagen die Hände.

„Das war nicht schwer, oder?", zwinkerte er mir zu. Ich ließ meine Hände fallen und ging ihm nach, derweil er nach seiner Bar im Sand griff.

„Du wolltest das Rennen nicht wirklich sausen lassen, oder?" Noah drehte sich zu mir um und rieb sich sein Kinn.

„Du brauchst jemanden, der dich morgen tröstet." Da sprach wieder der Noah, den ich kannte.

Er beugte sich zu mir herunter, bis unsere Nasenspitzen sich trafen. „Oder ich dich heute", ärgerte ich mich. Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange und rannte zum Wasser.

arche noah ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt