5 \ d i e - f a r b e n - d e s - s o m m e r s - s i n d - a u c h - g r a u

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Mientje



Manchmal sind die Farben des Sommers grau. Für mich waren es die Schönsten. Er musste für mich nicht strahlen, um seinen Zauber zu entfalten.

Der Sommer kannte viele Gesichter. Das Schönste war für mich, das eines Surfers an grauen Tagen wie diesem. Er kannte alle Farben und seine graue Seite brachte mehr zum Leuchten, als man annahm.

Es war der Bauer, der auf Regen wartete.

Ein Vater, der erleichtert war, nicht den Garten zu gießen.

Jemand, der erleichtert, das Fenster aufriss, um die kühle Luft in seine Wohnung zu lassen.

Für mich war es das Lächeln, der Surfer, die aus dem Wasser stiegen.

Noah beugte sich zu mir herunter. Sein Kopf zirkelte über meinem und unsere Lippen waren nur einen Zentimeter voneinander entfernt.

„Ich möchte, dass du etwas für mich tust." Das war mein perfekter Sommertag. Mein Gehirn schaltete aus.

„Dich küssen?", fragte ich keck. Ich war eindeutig zu aufheizt vom Spektakel auf dem Wasser.

„Halt meine Schwester davon ab, dass sie antritt", sagte er zeitgleich mit mir.

Noahs Gesicht lachte mich immer noch an. Er hatte mich nicht gehört. Schade.

„Wieso?", fragte ich nach einer gefühlten Ewigkeit. Wir hatten uns in den Sand fallen lassen und ich drehte mich zu ihm. Ich hoffte, der Wind hatte meine Frage verschluckt.

„Sie hat sich vor vier Monaten die Rippen bei einem Sprung gebrochen. Sie sagt, dass es ihr gut geht. Ich glaube ihr nicht." Noah drehte sich zu mir und die Sorgen um seine Schwester verzehrten sein Gesicht.

„Verstehe", murmelte ich. Ich hatte mir selbst vor zwei Jahren zwei Rippen gebrochen. Ich konnte mich nicht einmal im Liegen drehen, ohne dass es wehtat. Surfen war lange Zeit ausgeschlossen.

Sie war jetzt keine ernsthafte Konkurrenz mehr für mich. Sie würde die vielen Fahrten nicht durchhalten, wenn ihr Körper noch nicht vollständig geheilt war. Selbst wenn, dann stand sie nicht gut im Training und bei den Geschwindigkeiten von über 60km/h brauchte es viel Kraft.

„Sie hat es sich in den Kopf gesetzt und sagt, dass es ihr gut geht. Ich glaub ihr nicht."

„Du verlangst von mir, dass ich meine stärkste Konkurrentin loswerde?", ungläubig sah ich ihn an. „Indem ich deiner Schwester einrede, nicht gegen mich anzutreten?" Ich verstand gar nichts mehr.

„Wir gehen heute Abend essen, dann erklär ich dir alles", seufzte er.

„Warum nicht jetzt?" Noah rollte sich halb auf mich, griff nach der Kapuze meines Shirts und zog sie mir tiefer in die Stirn. Das war zu viel Noah. Vor einer Sekunde wollte ich ihn küssen und jetzt wollte ich es schon wieder.

„Ich werde dich küssen, Mini. Das werde ich jedoch nur tun, wenn du mir zustimmst." Okay, Herzen können laut klopfen. Meines konnte er hören und meine Frage hatte der Wind auch nicht verschluckt.

„Wohin gehen wir essen? Wann?", lenkte ich mich selbst ab.

„In die Arche Noah", antwortete er amüsiert und schmunzelte mich an.

„Das ist nicht dein Ernst?", fragte ich entgeistert. Sein Ego konnte nicht so groß sein. Die Arche Noah war ein beliebtes Restaurant am Strand. In den Tagen des Wettkampfs tummelten sich dort hauptsächlich Touristen.

„Doch", grinster er mich an. Erst jetzt wurde mir klar, dass er nicht nur das Restaurant meinte. Sein Augen tanzten über meine Lippen.

„Dein Ego ist grenzenlos", murmelte ich und wurde der Hand gewahr, die sich auf meine Wange legte. Sanft strich sein Daumen über sie. Es war ein intensives, raues Prickeln, dass die Sandkörner auf meiner Haut auslösten.

„Wenn ich etwas will schon." Die Worte waren nicht leichtfertig dahergesagt. Sie bezogen sich nicht nur auf seine Schwester. Das sah ich in seinen Augen.

„Du wirst mich jetzt küssen, oder?" Mein Herz hatte sich verselbstständigt. Ich fragte ihn jetzt schon zum zweiten Mal.

„Ganz genau." Seine Schultern zuckten im Rhythmus seines Lachens. Noah, wie ich ihn kannte. Machte er sich gerade über mich lustig? Meine Stimmung war dahin.

„Vielleicht sollte ich mich nicht so leichtfertig in die Arme meines Konkurrenten schmeißen", schüttelte ich meinen Kopf im Sand.

„Das bin ich nicht. Das sagte ich schon. Wirst du mich küssen, wenn ich mich in deine werfe?" Noahs Lachen verstummte. Sein Gesicht blickte ernst und er kniff die Augenbrauen zusammen.

Es fing an zu nieseln und der Wind wurde ungemütlicher. Ich legte mir eine Hand über die Augen, die ich aufgrund des Regens kaum offen halten konnte. Noah rollte sich weiter auf mich und bot mir Schutz vor der Witterung.

„Deine Antwort?" Noah sah mich abwartend an, während seine Hand liebevoll über meine Wange rieb.

„Okay. Okay. Ich lass mir etwas einfallen für deine Schwester." Wenn ich auch noch nicht wusste, wie ich das anstellen sollte.

„Hmm", antwortete er nur und hob seinen Kopf. Der Regen prasselte in mein Gesicht, bis er seines wieder senkte. "Und deine Antwort auf meine letzte Frage?" Noahs Hand gewann an Intensität auf meiner Wange und mein Kopf drehte sich.

Der Regen prasselte auf seinen Schultern ab und sein Haar klebte an seinem Gesicht. Seine Augen schienen jetzt grau, wie der Himmel. Meine Lieblingsfarbe des Sommers.

„Das ist mein perfekter Sommertag, den nur dein Kuss besser machen würde."


- Ende –

arche noah ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt