Ein herber Schreck vermochte jäh über Ragnars blasse Haut zu bitzeln, als die hölzerne Tür des Waschraumes brüsk aufgestoßen wurde. Natürlich blieb er nicht lange alleine, wie hatte er jenes nur denken können? Zuckte er merklich zusammen, indes das Wasser um seine Hand zuerst an der türkisen Farbe und dann an Spannung verlor. Kraftlos plätscherte es zurück in das Becken, wobei es einige Tropfen für einen Atemzug doch zurück in die Luft schafften. Einer sogar zur Gänze keck auf Ragnars blassen Oberkörper.
„Was tust du da?", wollte Hana alarmiert wissen, schloss eilends die Tür hinter sich. Um ihren schlanken Arm hingen darin einige rote Kleidungsstücke, die sich eifrig dem Schwung ihrer Bewegung anpassten. Hatte sie das gerade richtig gesehen - Ragnar hatte gebändigt? War er denn von denn von allen Göttern völlig verlassen? Einem Sklaven, Diener oder Bediensteten, wie auch immer man es nun nennen mag, war es ohne Einwilligung strengstens untersagt zu bändigen. Indes sie näher an das Becken herantrat, sprach sie weiter: „Du darfst nicht ohne Erlaubnis bändigen, vermag dir das noch keiner gesagt zu haben?"
Gewiss hatte man das, oh und jenes nicht nur einmal. Doch Ragnar schenkte dem nicht viel Aufmerksamkeit. Ein wahrlich närrisches Verhalten, welches, die Mondgöttin behüte, ihm hoffentlich nicht bald auf die Füße fallen würde. Konnte er sich schließlich nur mit dem, was er noch hatte wehren und jenes vermochte nunmal das Wasser zu sein. Niemals würde er das aufgeben, denn jenes würde bedeuten, einen erheblichen Teil seiner selbst aufzugeben. Denn das Wasser war seine Heimat vor seiner Geburt und nach seinem Tod, es umgab ihn in endloser Größe sein ganzes Leben lang. Wasser war überall, hatte es keinen Anfang und kein Ende. Stets stand es Ragnar bei, ließ ihn wirklich niemals im Stich. Wobei es noch in den Sternen stand, ob er jenes Vorhaben wirklich so gut umsetzen könnte, wie er gerne wollte. Doch er musste mit allen Mitteln verhindern, dass sein eigenes Element, das geheiligte Wasser, ihm fremd wurde, weil er es nicht benutzte.
Jenes durfte einfach niemals passieren.
„Ich habe nur meine Wunde geheilt.", erwiderte er matt, senkte die Hand dabei, sodass sie im Wasser unterging. Ja, er hatte gebändigt, doch er tat doch niemandem etwas, griff gar eine der Wachen oder noch schlimmer, jemanden der adligen Gesellschaft an. Seine Wange, an der zuvor noch ein feuerroter Handabdruck geprangt hatte, erstrahlt nun wieder in einer vornehmen Blässe. War sie rein und weich, als wäre sie nie verletzt gewesen - und jenes innerhalb weniger Atemzüge. Ja, das Heilen war eine Kunst, die bei geübter Hand wahre Wunder bewirken konnten.
„Um deines eigenen Wohlbefinden hin, mach das nie wieder.", ergriff Hana nach einem kurzen Herzklopfer der Stille das Wort. Sie selbst war seit einer wahrlichen Ewigkeit nicht mehr in den Genuss gekommen zu bändigen, sodass ihr nun ihr eigenes Element beträchtlicherweise völlig fremd erschien. Heiß und unerreichbar, zuletzt frage sie sich ernsthaft, wie sie jenes Feuer jemals hatte kontrollieren können - wie andere dies meistern konnten. „Sie werden dir sonst bald weitaus mehr als nur deine Wange verbrennen...", verließ etwas leiser ihre Lippen. Das warme Braun ihrer Iridien verblasste jäh, indes sie einen Gran abwesend auf das Wasser starrte.
Ob sie sich wohl in diesem Wimpernschlag an etwas erinnerte, was sie so sehr versuchte, zu vergessen? Ich ging fast davon aus ja, das tat sie. Der bittere Schmerz in ihren Augen verriet die junge Frau.
Seicht schüttelte Hana den Kopf, versuchte düstere Erinnerung aus ihren Gedanken zu verbannen. „Thronprinz Jintao will dich sehen.", ließ sie brüsk verlauten, darin sie sich umdrehte und auf den Weg zu einem der hölzernen Schränke machte. Hiervon standen allerhand an den steinernen Wänden, genauso wie einige Kommoden aus dem selbigen Holz. Wortlos beobachtete Ragnar die Ältere, wie sie ein paar große Tücher aus einem jenem holte, ehe sie ihm diese an den einen Gran erhöhen Beckenrand legte. Die rötlichen Kleidungsstücke platzierte sie fein säuberlich daneben. „Zieh dich an und komm dann raus.", murmelte sie noch, verließ hernach eilends die Waschstube - Ragnar blickte ihr nur aus großen, dunkelblauen Iridien hinterher. Es war kaum Zeit vergangen, seitdem er hier, in diesem Palast angekommen war und schon wollte dieser aufgeblasene Prinz etwas. War das zu fassen? Noch viel wichtiger, was war sein Anliegen? Wollte er den Wasserbändiger etwa vorführen, als genau die exotische Attraktion die er nunmal war? Wollte er ihn demütigen und seine Macht präsentieren oder einfach nur, dass Ragnar der Aufgabe nachkam für die er nunmal hier war: Zu dienen?
Wenig später vermochte unser Wasserbändiger bei seinem eigenen Anblick die süße Nase zu rümpfen: Das tiefe Rot seiner Kleidung missfiel ihm zutiefst. Rot war eben die Farbe der Feuerbändiger, der Wut, Gewalt und Tobsucht. Zu einem Kinde des Wassers passten sie nun also wirklich nicht, ja bissen sich fast schon mit seiner hellen Haut, den tiefblauen Augen und dem blonden Haar. Dieses schlichte Gewand, später fand er heraus, man nannte es Kimono, sah seltsam und ungewohnt an ihm aus, darin wusste er nicht einmal, ob er es überhaupt richtig angezogen hatte. Denn in diese Kleidungsstücke zu schlüpfen, war gar nicht so einfach gewesen wie gedacht. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, welcher einige bräunliche Flecken aufwies, verließ Ragnar schließlich die große Waschstube. Wobei er aber ganz gewiss noch länger in dieser verweilt und den Kontakt mit dem Wasser weiter genossen hätte - aber ihn vermochte ja ein niemand zu fragen.
„Da bist du ja endlich.", stieß Hana ein wenig gestresst aus, hatte sie zuvor brav an der steinernen Wand gestanden und gewartet, was sicher fürchterlich langweilig gewesen war. Denn sie schien die ganze Zeit über alleine gewesen zu sein. Ohne ein weiteres Wort trat die junge Frau näher an Ragnar heran, legte ihre zarten Hände an das rötliche Oberteil und richtete es etwas. Es saß eben nicht so ordentlich, wie es gewünscht war und selbst so eine Kleinigkeit konnte als Beleidigung des Königs gelten. Denn nicht nur in der prächtigen Palastanlange, sondern auch in dem gesamten Königreich vermochte es strenge Regeln zu geben, die es zu befolgen galt. Ein ordentliches Aussehen, eines, dass einen Feuerbändiger wert war, war nur eine von diesen und wurde selbst von der ärmsten Bevölkerung verlangt. Der König hatte einst, gnädig wie er war, für einen jeden Gesellschaftsrang einen Kleidungsstil entworfen und trug man diesen eben nicht oder war jene Kleidung verschmutzt oder kaputt, war das eine Beleidigung seines Werks. Etwas übertrieben, nicht? Aber das war nun einmal eine der Eigenschaften, welche die Kinder des Feuers ausmachte: Das Verlangen nach Kontrolle und Macht.
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Die uralte Blutlinie der Nakamuras vermochte es bereits seit dem Anbeginn Ozais zu geben. Dieser wählte vor seinem ewig weilenden Verschwinden in dem Krieger Shuto Nakamura seinen Nachfolger und ersten König. Seither bestand diese Dynastie und die Feuerbändiger würden wohl niemals einen Fremden in diesen Kreisen akzeptieren. Gewiss doch wurde in diese gewaltige Familie seit jeher eingeheiratet, anders hätte sie ja niemals so lange bestehen können. Doch war eben auch die Eheschließung näherer Verwandter sehr beliebt, sodass der Thron immer in den Kreisen der Nakamuras zu bleiben vermochte. Dass jenes Vorgehen die Kinder von Generation zu Generation nicht nur physisch, sondern auch psychisch immer mehr beeinträchtigte, blieb zwar nicht unbemerkt, wurde aber nicht mit den inzestuösen Heiraten in Verbindung gebracht.
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❝ 𝐓𝐡𝐞 𝐧𝐨𝐢𝐬𝐞 𝐨𝐟 𝐟𝐥𝐚𝐦𝐞𝐬ᵇᵒʸˣᵇᵒʸ┆˚✧
Fantasy„Und was ist mit diesem hier?", wollte der Thronfolger des Feuerkönigreichs wissen, packte den von Schmutz gezierten Burschen am Kinn, um ihn genauer betrachten zu können. „Ihr beweist wie immer äußerst guten Geschmack, Eure königliche Hoheit. Dies...