Kapitel 9

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Als ich zu Hause ankam, war es längst dunkel geworden. Ich wollte nur noch ins Bett, der Tag war endlos.

Ich wollte einfach vergessen.

Total erschöpft schloss ich die Haustür auf.

"Mum, ich bin wieder zu Hause", rief ich ihr zu.

Ich hörte leises Gemurmel und ein paar Augenblicke später tauchte meine Mutter im Flur auf.

"Schatz, da wartet jemand auf dich im Wohnzimmer. Ich... muss noch kurz etwas einkaufen... bis später"

Ich konnte nicht mal mit der Wimper zucken. Schon war sie weg. Als hätte sie nur darauf gewartet, abhauen zu können. Auch ihre Stimme klang ziemlich nervös und sie war angespannt gewesen.

Und stottern tut sie so gut wie nie...

Was war hier los?

Langsam ging ich ins Wohnzimmer. Und ausgerechnet die Person, die ich jetzt am wenigsten sehen wollte, saß auf unserem Sofa.

"Ich will dich nicht sehen" Meine Stimme klang wie der Tod persönlich. Dabei war ich gar nicht mal wütend, wie ich gedachte habe.

Ich war verletzt. Enttäuscht.

Und Enttäuschung ist schlimmer als Wut. Denn Wut ist nur das Ergebnis, dass eine Person etwas falsch gemacht hatte. Doch so sind wir Menschen nun mal. Wir machen Fehler. Dennoch, die Wut verraucht und man vergisst.
Enttäuschung hingegen ist, wenn man von einer Person etwas erwartet, was sie nicht erfüllt. Das Gefühl sich in jemanden getäuscht zu haben, die Zweifel, ob man die Person wirklich kennt... das Gefühl ist einfach schrecklich.

Und genau das verspürte ich in diesem Augenblick. Enttäuschung. Ich hatte von meinem besten Freund mehr erwartet. Ich gestehe meine Fehler ein und weiß, dass auch ich ihm weh getan hatte. Aber mich dafür zu versetzen und dann abends einfach bei mir zu Hause auftauchen. Das geht so nicht.

"Bitte hör mir zu. Ich werde dir alles erklären -", setzte er an, doch ich schnitt ihm das Wort ab.

"Es gibt nichts zu klären."

"Lexi..."

"Hunter, ehrlich. Ich hab schon verstanden. Du wolltest es mir heim zahlen. Ich habe dich verletzt und genau dasselbe hast du mir angetan. Ich hoffe, du fühlst dich jetzt besser. Und wenn es dir nichts ausmacht, ich würde gerne ins Bett gehen."

Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte ich mich um.

"Du findest doch selbst hinaus, oder?"

"Das meinst du nicht ernst! Was ist denn los mit dir?!" Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Doch ignorierte es einfach. Ich hatte keine Lust, das jetzt zu klären. Ich wollte keine Lügengeschichten hören.

"Gute Nacht, Hunter"

Ich ging hoch in mein Zimmer und kurz bevor ich meine Zimmetür schloss, hörte ich wie die Haustür mit einem riesen Krach zufiel.

Lass ruhig deine Wut an meiner Haustür aus, Hunter. Blöd gelaufen, dass ich deine Lüge nicht hören wollte.

Ich zog mir ein weites Shirt und meine Lieblings Shorts an und legte mich ins Bett.

Der Tag kam mir ewig lang vor. Erst hatte Hunter mich versetzt, dann hatte ich Marc kennen gelernt, wäre fast dem Tod begegnet, ertrunken und schlussendlich hatte mein bester Freund versucht mich an zulügen.

Mein Leben liebte mich wirklich!

Deine Ironie ist ja kaum zu überhören..

Ach, halt doch die Klappe.

Ich schaute auf meinen Wecker. Es war fast Mitternacht. Also kuschelte mich in mein Bett und schlief sofort ein.

Kennt ihr das, wenn ihr morgens aufsteht und perfekt ausseht? So wie die Schauspieler in den ganzen Serien?

Nein?

Ich auch nicht.

Ich schaute in den Spiegel und sah einen Panda mit roten Wangen, roten Augen und zerzausten Haaren.

Die zerzausten Haare waren normal, doch ich Idiotin hatte vergessen mich abzuschminken und anscheinend im Schlaf geweint. Das Ergebnis waren potthässliche Pandaaugen. Seufzend begann ich das Make-up mit einem Tuch zu entfernen und meine Haare zu kämmen.
Nachdem ich nicht mehr wie ein Zombie aussah und meine Schlafsachen gegen Jeans und Tanktop getauscht hatte, begann mein Handy zu klingeln. Sarah's Name erschien auf dem Display.

"Hey, Süße. Was gibt's?", meldete ich mich.

"Nun ja, wir haben Ferien und da ist es eigentlich normal, dass beste Freundinnen etwas miteinander unternehmen" An ihrer Art und Weise konnte ich sagen, dass sie ein riesen Grinsen im Gesicht hatte. Natürlich war das normal, dass man in den Ferien viel mit seinen Freunden machte. Ich tat es ja nicht anders.

Und ja, ich hatte damit Marc als einen meiner Freunde bezeichnet.

Und ja, es tat mir im Herzen weh Sarah absagen zu müssen.

"Sarah, hör mal. Ich habe heute leider keine Zeit."

"Oh. Du hast doch gemeint, du wärst die Ferien über jeden Tag frei?" Sie klang verunsichert.

"Ja, das hab ich auch. Aber mir ist etwas dazwischen gekommen"

"Das wäre?" Mir war klar gewesen, dass sie nicht locker lassen würde. Doch irgendetwas hielt mich davon ab, ihr zu erzählen was ich heute vorhatte. Ich vertraute Sarah, aber solange ich nicht wusste, wohin das mit Marc führte, wusste ich nicht ob es sich lohnte ihr von ihm zu erzählen.

"Ich kann noch nicht darüber reden. Ich melde mich, sobald ich wieder zu Hause bin. Okay?"

"Mhm, na gut. Meld dich, sobald ich wieder in deine Welt kann, wo anscheinend momentan kein Platz für mich ist"

Na toll. Jetzt war sie auch noch sauer.

Mein Leben machte es mir echt nicht leicht.

"Du weißt, dass ich dich lieb habe", versuchte ich sie zu beschwichtigen.

"Hm. Bis dann" Verdutzt schaute ich aufs Display. Sie hatte einfach aufgelegt. Wieso machte sie so ein Drama daraus, dass ich einmal keine Zeit für sie hatte? Sie hatte mich doch auch manchmal versetzt und ich hatte es einfach hingenommen! Wieso waren auf einmal alle so bissig? Mit was hatte ich sie so verärgert? Verwirrt legte ich das Handy weg und ging runter in die Küche und zwang mich etwas zu essen, jedoch bekam ich keinen Bissen runter. Der Klumpen in meinem Magen wurde immer größer und das Essen schmeckte fahl.
Ich hatte noch ein wenig Zeit, bis ich zum AFJ musste, also schaltete ich das Radio an, in der Hoffnung, dass es mich beruhigte.

Fehlanzeige.

Ich gab es auf, zog mir Jacke und Schuhe an, öffnete die Haustür und trat hinaus.

Freundschaft Plus und andere KatastrophenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt