Kapitel 6

15 4 2
                                    

Jede Faser von Sonnenglanz' Körper schien zu ächzen, als sie sich durch das fremde Territorium schleifte. Ihre Verletzungen vom Kampf mit ihrer Schwester taten immer noch weh und ihr Magen knurrte laut. Sie hatte seit Sonnenhoch nichts mehr gegessen.

Von zwei Katzen an den Seiten flankiert wurde sie immer weiter über die karge Wiese geführt. Weit und breit waren keine Bäume zu sehr, nur nahe dem Donnerweg, von dem sie mittlerweile sehr weit entfernt waren. Die Sonne war bereits untergegangen, nur noch einige einzelne, lilane Wölkchen waren am Horizont zu erkennen.

Sonnenglanz fühlte sich verzweifelt und schuldig zugleich. Ihre Clankameraden machten sich sicher bereits große Sorgen. Dabei hätte sie ja einfach mit Rotwolke zurück ins Lager gehen können. Stattdessen war sie abgehauen und saß nun hier fest.

Was würde sie nur dafür geben, jetzt im geschützten NebelClan Lager zu sein und sich eine Maus mit Waldmeisterblüte zu teilen. Normalerweise würde sie sich jetzt die Zunge mit ihrer Schwester geben und dann schlafen gehen.

Doch bei dem Gedanken an ihrer Schwester tauchten auch die Erinnerungen vom heutigen Tag wieder auf. Und mit einem Mal war sich Sonnenglanz nicht mehr so sicher, ob sie wirklich in das Lager zurückkehren wollte.

Will ich wirklich dem Mörder meiner Mutter entgegentreten? Und Eisblüte? Sie wird mir doch verzeihen?

Insgeheim war Sonnenglanz ebenfalls sauer auf ihre Schwester. Schließlich hatte sie das Gesetz gebrochen und sich heimlich mit diesem RegenClan Kater getroffen und nicht sie. Und schließlich hatte Eisblüte zuerst angegriffen, obwohl sie etwas falsch gemacht hatte.

Sonnenglanz war so in Gedanken versunken, dass sie den steilen Abhang, der sich urplötzlich vor ihr erstreckte, überhaupt nicht bemerkte. Im letzten Moment sprang sie erschrocken nach hinten, wo ihre Pfoten vor Schreck nachgaben und sie dadurch stolperte.

Schnell rappelte sie sich wieder auf, während sie sich einen spöttischen Blick von Wolke einfing. Wütend starrte Sonnenglanz zurück. Sie war schließlich nicht diejenige, die dieses Territorium kennen sollte.

Wolke ignorierte sie. Mit einem herrischen Schwanzschnippen bedeutete sie den anderen Katzen, ihr zu folgen. Eine Katze nach der anderen folgte ihr und begann den Abstieg an einer vergleichsweise flachen Stelle. Vorsichtig suchten sie sich den besten Weg hinunter.

Langsam wurde Sonnenglanz von den zwei ungeduldigen Katzen, die sie seitlich einklemmten nach vorne gedrängt. Entsetzt blickte sie den grasbewachsenen Abhang hinunter, der mindestens drei Baumlängen hinab führte. Sie erschauderte.

Muss ich etwa da hinunter?

Sonnenglanz verspürte den Drang, umzukehren und wegzurennen. Dieser schier unendliche Abhang erschien ihr wie der direkte Weg in den SternenClan! Nie im Leben würde sie sich dort runtertrauen.

Der Kater neben ihr knurrte offensichtlich genervt: "Wie lange dauert das noch? Ich will irgendwann auch noch nach Hause!"

Grob wurde Sonnenglanz an den Hang gedrängt. Alles in ihr sträubte sich, als sie gezwungenermaßen ihre Pfote auf den steinigen Pfad setzte. So langsam es ging wagte sie sich voran. Unsanft schoben ihre Wachen sie schneller nach vorne, als ihr lieb war.

Der Abstieg schien ewig zu dauern. Immer wieder rutschten Sonnenglanz ohnehin schon zitternde Pfoten auf den Steinen aus. Sie versuchte, ein Wimmern zu unterdrücken. Die vorangegangen Katzen waren schon längst unten angekommen.

Sie zwang sich nicht nach unten zu blicken, da ihr ansonsten schwindelig werden würde. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hinunterstolperte. Ihr schien es wie eine halbe Ewigkeit vorzukommen.

Erneut fragte Sonnenglanz sich, wie sie nur in diese Situation reingeraten konnte. Warum war sie nicht einfach zurück ins Lager gegangen?! Und warum wurde ausgerechnet sie von diesen Streunern mitgenommen? Sie wollte einfach nur noch nach Hause in ihr Moosbett.

Irgendwann, Sonnenglanz hatte inzwischen das Zeitgefühl verloren, spürte sie endlich wieder festen Boden unter ihren Pfoten. Ungeschickt stolperte sie voran. Ihre Beine konnten sie kaum noch tragen.

Orientierungslos blickte sie sich um. Die anderen Katzen waren allesamt verschwunden. Wohin werden die Katzen sie denn jetzt geführt? In ihrem Kopf tauchten unfreiwillig Bilder von engen Höhlen, wo man sie einsperrte und verhungern ließ. Von Streuner, die das Gesetz der Krieger nicht kannten, wusste man ja nie.

Sonnenglanz schüttelte sich kurz, um das Schreckensszenario aus ihrem Kopf zu verbannen. Mit einem Mal schob Wolke ihren weißen Kopf aus einem unauffälligen Eingang unterhalb des Hanges.

Mit einem Mal schon Wolke ihren weißen Kopf aus einer unscheinbaren Höhle unterhalb des Hanges. "Da seid ihr ja endlich", grummelte sie ungeduldig.

An die Katzen neben ihr gewandt meinte sie: "Bringt sie in die Nebenhöhle. Flamme wird sie bewachen. Und kommt dann in die Haupthöhle. Wir waren so gnädig und haben euch noch etwas zu essen übrig gelassen"

Mit diesen Worten verschwand sie wieder in der Höhle. Nicht ohne Sonnenglanz davor noch mit einen abschätzigen Blick zu bedachen.

Noch bevor sie sich über die Bedeutung der Worte von Wolke bewusst werden konnte, wurde sie an der braunen Katze von davor vorbei in eine dunkle Höhle geschubst. Sie landete überraschend weich auf einem Moosbett.

Erschrocken blickte sie sich um. Nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, blickte sie sich um. Sie war in einer kleinen, runden Höhle gelandet. Die Wände waren glatt und spiegelten das wenige von draußen einfallende Licht. In der Mitte war ein kleines Moosbett, auf dem sie auch gelandet war

Zu ihnen Pech stellte Sonnenglanz fest, dass eine Flucht unmöglich war. Weder durch den Eingang, noch durch irgendeinen andern, in dieser Höhle nicht vorhandenen Fluchtweg.

Die Katzen schienen sie jedoch fürs Erste in Ruhe zu lassen wollen, denn abgesehen von der Wachkatze am Eingang, die sie sowieso ignorierte, kam keiner vorbei.

Morgen werde ich weiterschauen. Hauptsache, ich habe einen Schlafplatz.

Erschöpft ließ sie sich zurück in das Moosbett fallen. Ihr Magen knurrte und der Kratzer an ihrer Schulter brannte. Doch kaum hatte sie sich hingelegt, fielen ihr schon Augen zu und sie glitt in einen unruhigen Schlaf.

Sonnenglanz' ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt