Kapitel 5

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"Wie lange müssen wir denn noch warten?"

"Wir könnten ja ein andermal wieder hierherkommen, vielleicht erwischen wir dann mehr als nur eine kleine, verletzte Schülerin"

"Wer hatte denn überhaupt diese bescheuerte Idee, sie bewusstlos zu hauen?"

"Psst, das war Wolke. Und sie wäre sicher nicht erfreut, wenn du sie als "bescheuert" bezeichnest. Mit ein wenig Glück trägst du ein zerfetztes Paar Ohren davon, ansonsten kratzt sie dir ein Auge aus!"

Leises Gemurmel drang an Sonnenglanz' Ohren. Sie lag seitlich auf trockenem Gras, welches sie unangenehm pikste. Benommen öffnete sie ihre Augen einen Spalt breit. Verschwommen nahm sie mehrere Katzen wahr, die in ihrer Nähe standen und hitzig miteinander diskutieren.

Die vorherigen Wörter der Katzen kamen ihr in den Sinn. War sie mit der "kleinen, verletzten Schülerin" gemeint? Wer war diese Wolke überhaupt? Und warum sollte diese besagte "Wolke" dem Kater ein Auge auskratzen?

Ein unangenehmes Pochen machte sich an Sonnenglanz' Hinterkopf bemerkbar. Allgemein schien ihr gesamter Körper zu schmerzen. Mit einem leisem Stöhnen ließ sie ihren Kopf wieder auf ihre Pfoten sinken. Was war nochmal passiert? Wo war sie? Wer waren diese Katzen hier denn eigentlich? 

Fragen über Fragen türmenten sich in Sonnenglanz' Kopf auf, wie Wolken vor einem Gewitter. Dunkel hingen die Vorahnungen in ihrem Kopf. Doch sie hatte nicht die Kraft, der ganzen Sache nachzugehen. Sie versuchte sich verzweifelt an das Geschehene zu erinnern. 

Vereinzelte Erinnerungsbruchstücke schossen durch ihren Kopf. Erdbeerblüte, die ihr heimlich die Wahrheit über Schmetterlingsblütes Tod mitgeteilt hatte. Eisblüte und Tigersturm. Der Kampf mit ihrer Schwester. Wie sie alleine durch das Territorium gestreunt ist. Und zuletzt die weiße Katze, die sie angegriffen hatte. Aber all das schien sehr lange her zu sein. 

Sonnenglanz schreckte hoch. Wer war diese fremde, weiße Katze gewesen? Was ist danach passiert? Der Sonne nach zu urteilen war es bereits Sonnenfall Wie lange war sie hier schon? So weit sie sich erinnern konnte, wollte sie gerade zurück ins Lager. Doch da war es bei weitem noch nicht so spät gewesen.

Gerade als sie sich hektisch umsah, rief eine graue Katze: "Sie ist wach! Schnell, holt Wolke!" Daraufhin stürmte ein roter Kater davon. Sonnenglanz spürte ein unbehagliches Gefühl in ihr hochsteigen. Wollten diese Katzen hier irgendetwas von ihr? Und wenn ja, was? 

Aus irgendeinem Grund hatte Sonnenglanz jedoch nicht das Gefühl, dass es etwas Gutes war. Und das Gefühl wurde durch die vorherige Aussage der Katzen über Wolke nebenan auch nicht besser. 

Gerade wollte Sonnenglanz sich heimlich aus dem Staub machen, als zwei scharfe Krallen sie unsanft an der Schulter packten. "Warum so eilig?", knurrte eine braune Kätzin. "Du bleibst schön hier, bis unsere Anführerin entschieden hat, was mit dir passiert" Ihre gelben Augen blitzen kampflustig auf. 

Anführerin? War das etwa ein fremder Clan? Der Regen- und SchneeClan kamen hier nicht in Frage. Schließlich lagen ihre Grenze viel weiter weg als an der Stelle am Donnerweg wo Sonnenglanz bewusstlos wurde. Außerdem hatte keiner dieser Clans beiden aktuell eine Anführerin. Und keiner dieser zahlreichen Katzen hier kamen Sonenglanz nur annähernd bekannt vor. 

Aber wer waren diese Katzen dann? Ein völlig unbekannter, fremder Clan? Oder Streuner, die nach einem eigenen System lebten? Sonnenglanz wollte gerade einer ihrer vielen, überquellenden Fragen loswerden. Doch bei dem finsteren Blick der braunen Kätzin verließ sie der Mut direkt und sie beschloss, doch zu ihrem Besten den Mund zu halten.

Plötzlich kehrte der rote Kater, der vorhin davongestürmt ist, zurück. Diesmal in Begleitung von einer weißen Kätzin. Die Kätzin, die sie angegriffen hatte! Keuchend blieb der rote Kater stehen. "Hier ist sie, Wolke", erklärte er mit einem ehrfürchtigen Unterton. Unauffällig stahl er sich wieder davon. Auch die braune Katze verschwand auf ein leichtes Nicken der weißen Kätzin.

Diese trat nun einen Schritt auf Sonnenglanz zu. Ihre funkelnden, grünen Augen musterten sie genauestens von oben bis unten. Ihr durchdringender Blick schien ihr bis in die Seele zu schauen. 

Mit schneidener Stimme fragte sie plötzlich: "Wie heißt du?"

Kurz war Sonnenglanz in Versuchung, diese fremde Katze anzulügen. Es gab schließlich keinen Grund, ihr zu vertrauen. Schließlich hatte sie sie angegriffen. Doch unter dem abschätzigen wehe-du-lügst-Blick von der weißen Kätzin sackte sie innerlich zusammen.

"Sonnenglanz", antwortete sie mit leicht zitternden Stimme.

Ein kurzer Ausdruck des Überraschens huschte über das Gesicht ihres Gegenübers. "Schon eine Kriegerin", murmelte sie mit einem zufriedenen Unterton.

"Aus welchem Clan stammt du denn?", wandte sich die Kätzin wieder an Sonnenglanz.

"NebelClan", entgegnete Sonnenglanz knapp. Warum wollte die Kätzin dies wissen? Und woher kannte sie die Clans? 

Die Kätzin nickte. In ihren grünen Augen lag ein Ausdruck, den Sonnenglanz nicht ganz deuten konnte. Eine Mischung aus Wut, Trauer und Rachsucht. Sie blickte nochmals forschend Sonnenglanz herab. 

Dann rief sie mit einem Mal mit herrischer Stimme: "Wir gehen! Nehmt sie mit!" 

Erschrocken wollte Sonnenglanz die Flucht ergreifen. Nehmt sie mit! Nehmt sie mit! Immer wieder schallten diese schrecklichen Worte der weißen Kätzin durch ihr Gehirn. Instiktiv rannte sie schon los, während ihr Kopf die Situation noch nicht einmal realisiert hatte. 

Weit kam sie edoch nicht. Sofort wurde sie von zwei Katzen, die von irgendwo angesprungen kamen, seitlich gepackt und zurückgezerrt. Fauchend schlug sie um sich, doch es brachte rein gar nichts. Unbeeindruckt von ihren Krallenhieben packten sie nur noch fester zu. 

Wütend drehte sich die offensichtliche Anführerin zu ihr um. "Komm besser mit uns. Wir könnten dich jederzeit mühelos in der Luft zerfetzen." Sie lächelte grausam. "Erstens sind wir nämlich in der Überzahl, und zweitens bist du doch leider, leider verletzt" Sie grinste höhnisch und drehte sich wieder mit hoch erhobenem Kopf um. 

Resigniert gab Sonnenglanz ihre Gegenwehr auf. Die Kätzin hatte Recht. Sie hatte nicht die geringste Chance. Kraftlos ging sie nun mit den Katzen mit. Das anfängliche Unbehagen in ihr hatte sich in Angst umgewandelt, als die Katzen mit ihr den stinkenden Donnerweg überquerten und sie in das ihr unbekannte Territorium führte.

~ 1002 Wörter

Sonnenglanz' ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt