Kapitel 31

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-----Isaac-----

Ich erhaschte Cimts erschrockenen Blick aus der Menge. Sie trug ein hübsches Kleid, doch trotzdem passte es nicht zu ihr. Ich schämte mich für dafür, aber an sie ging keiner meiner Gedanken, die sich tagelang um den Palast kräuselten, umso mehr erschrak ich, als ich sie sah. Cimt starrte mich wie versteinert an, was nicht nur den Soldaten auffiel, sondern auch dem Prinzen.

Wenige Stunden zuvor stand er mir so nah, dass ich seinen markanten Geruch vernehmen konnte. Ich hätte ihn packen können, ihm gehörig den Kopf waschen, ihn an mein Herz drücken können, das sich so lange nach ihm sehnte. Des Prinzen graue, langweilige Augen sahen mich das letzte Mal mit abgrundtiefen Ekel an, sie verachteten mich allein für den, der ich war und sie schickten mich fort. Mit schmerzender Brust blieb mir also nichts anderes übrig, als den Kopf in bangender Geduld zu senken. Ich war zu diesem Zeitpunkt von solch immenser Nervosität beherrscht, dass ich nicht einmal fürchten konnte, dass er mich erkennt und auf der Stelle erschießen lässt. Im Nachhinein hätte mir das ebenso große Bangen in seinem Gesicht verraten sollen, dass ihm nichts ferner läge.

Während ich also mit den anderen Männern von General Bogner über den Hof geführt wurde, dämmerte mir wieder einmal, wie unfassbar hirnrissig dieses Unterfangen war. War es die Gefahr, der ich mich aussetzte, wert? Darüber musste ich mir später Gedanken machen, denn jetzt blickte die gesamte Gruppe an Krocket-spielenden Blaublütlern zu uns herüber. In der kurzen Zeit, in der ich zu Hause war, gelang es mir, mein Äußeres drastisch zu verändern, so, dass es auch meinem Innersten ähnelte. Nie wieder wollte ich diese Maske tragen, die mir die Luft zu atmen nahm. Daher hatte ich großes Vertrauen, dass mich niemand erkennt, doch dabei hatte ich scheinbar die scharfsinnige Cimt nicht bedacht. Der Prinz konnte vielleicht viel über bunte Vögel in großen Wäldern erzählen, doch dem wahren Leben war er ferner als die Sterne der Erde. Ich sollte jedoch bald merken, dass ich ihn nicht unterschätzen sollte.

Ich wollte ihre Blicke nicht nur ignorieren, sondern auch vor dem General nicht auffallen. Die Entscheidung, wer von den neuen Rekruten, einschließlich mir, in die königliche Garde aufgenommen werden soll, wird erst in einer Woche getroffen. Bis dahin muss ich mich von meiner gestriegelsten und gehorsamsten Seite zeigen. Die Aufmerksamkeit vom Prinzen und seinem kleinen Zoo könnte hinderlich sein.

Als wir an der Gruppe vorbeimarschierten bewahrte ich meine Haltung und den sturen Blick nach vorn. Doch der Gedanke, dass Rin dort stand, wenige Meter von mir entfernt, verleitete mich schlussendlich doch dazu, einen Seitenblick zu riskieren. Der Prinz stand inmitten der Mädchen wie ein hübsches Reh im Dickicht. So, dass er gut versteckt war, aber noch immer die eventuelle Gefahr im Blick behalten konnte. Nimm dich in Acht, kleiner Paradiesvogel. Ich bin nur deinetwegen hier.

General Bogner führt uns zu unseren Unterkünften und erläuterte den Plan für die kommenden Tage. In wenigen Tagen sollte der Offizier von einem Einsatz zurückkehren, der uns unter seine Fittiche nehmen wird. Ich hatte mir den Namen nicht gemerkt, aber er hörte sich russisch an. Wir schliefen zu zwölft in einem Raum mit nur einem kleinen Fenster. Die Doppelstockbetten waren härter als Stein und kratziger als ein Sack Nägel. Dennoch waren sie mir alle mal lieber als ein aufgebauschtes, goldenes Bett in einem Raum, wo mir nur meine Selbstzweifel Gesellschaft leisteten. Als ich nun hellwach die graue Decke anstarrte, hatte ich endlich Zeit Angst zu haben. Wieso in Gottes Namen war ich hier? Um Rin zu sehen. Okay und dann? Was kommt jetzt? Was wenn er mich morgen direkt erkennt? Oder schlimmer, was wenn nicht? Ist es mir überhaupt gewährt mit ihm zu sprechen? Wahrscheinlich nicht. Er würde es mit Sicherheit nicht dulden. Aber das war mir egal, das war er mir schuldig. Und dann? Lebenslang als Soldat für ein nach Gold stinkendes Schwein dienen? Nur um den Prinzen hin und wieder zu sehen? Er wird sich eins der Mädchen zur Frau nehmen und König werden. Und ich werde ihm auf Schritt und Tritt folgen, nur um vielleicht mal einen abschätzenden Blick von ihm zu bekommen? Ja. das war es mir wert. Ich will ihn sehen, jede seine geschmeidigen Bewegungen genaustens betrachten, jedes Mal wenn er seine bösen Augen aufschlägt hoffen, dass sie meine treffen. Seinen Geruch erhaschen, wenn er erhobenen Hauptes an mir vorbeistolziert, zu wissen, seine Brust flattert genau wie meine. Und außerdem konnte ich mein von Heimweh geplagtes Gewissen beruhigen, der Lohn für einen Soldaten am Palast war nicht von schlechten Eltern. Der größte Teil wird auf direktem Wege zu meinem Vater gehen.

The prince or the kingdom Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt