Seine Worte klangen so abstoßend, mir war, als würde er mich hassen. Aber was meinte er mit „lebt noch"? Hatte ich etwas falsch gemacht? War mein Plan nicht aufgegangen?
Natürlich nicht.
Zwar war ich schon längst wieder bei Sinnen, aber erst jetzt bemerkte ich meinen unregelmäßigen Atem und mein Herz,das wie wild schlug.
Der Blick des Unbekannten war immer noch auf mich fixiert und ließ mich unbehaglich fühlen. Doch ich konnte mich weder aufrichten, noch irgendetwas sagen, ich war wie gelähmt.
Er beugte sich ein wenig nach unten, sah mich jetzt noch durchdringlicher an und lächelte dabei ein wenig. Aber das war kein freundliches lächeln, eher ein aufforderndes, schadenfrohes Lächeln.
„Sie konnten dir nichts anhaben. So etwas wie dich sieht man hier selten, besser gesagt: nie."
Wer war „sie", was wollten „sie" und am meisten fragte ich mich: Was war ich?
Immer noch konnte ich mich nicht vom Fleck rühren und langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Dieser Kerl da war mir gar nicht geheuer.
„Pff. Lebendige." sagte er trotzig, bäumte sich auf und sah mich noch abfälliger an, so als wäre ich etwas Nutzloses. „Lebendige sind schwach." Er hob seinen linken Fuß und stäubte damit Sand in mein Gesicht bevor er sich umdrehte, einige Schritte nach vorne ging und am Rand einer Grube stehen blieb.
Ich versuchte den Staub auszuhusten und irgendwie aus meinen Augen zu kriegen. Warum hatte er das getan?! Was meint er, wer er ist?!
Plötzlich quoll Hass in mir auf. Ich war gegangen, um alles hinter mir zu lassen, um an einen besseren Ort zu gelangen und nicht wieder gleich anzufangen, wie ich aufgehört hatte.
Der Hass in mir ließ mich jeglichen Schmerz vergessen und ich konnte mich aufrichten. So saß ich im sand da, stützte mich mit meinen Händen ab, damit ich nicht gleich wieder umfiel und spannte jeden Muskel meines Körpers an. Mein Atem wurde langsam wieder etwas regelmäßiger, ich schluckte den Staub in meiner Kehle hinunter und blickte in seine Richtung. Meine Stimme war erst brüchig, aber das legte sich bald. „Keine Ahnung, wer du bist oder wovon du redest.. aber bezeichne mich nicht als schwach."
Er drehte sich nicht um, zuckte mit keiner Schulter, als hätte er mich nicht gehört. Erneut versuchte ich es ihm klarzumachen, in der Hoffnung, er würde sich wenigstens umdrehen und mir eine Erklärung liefern. „Wie gesagt, ne-", setzte ich an, aber er unterbrach mich:
„Du lässt dich jahrelang herumkommandieren und verletzen, verlierst die wichtigste Person in deinem Leben, gibst dann einfach so auf und behauptest dann, nicht schwach zu sein?"
Ich war geschockt. Woher wusste er von alledem? „Lebendige sind egoistisch. Wenn es hart wird, denken sie nur an sich selbst. Und am Ende sind sie einfach nur mehr schwach.", fuhr er fort. Seine Worte stachen mir wie ein Messer ins Herz. Immer öfter und tiefer. Ich wollte, dass er aufhört, aber das tat er nicht, er sprach weiter. „Schwach", hallte es währenddessen immer wieder in meinem Kopf. Aller Hass verwandelte sich in Trauer. Ich fühlte mich wieder wie in der Gewalt meines Vaters. War hilflos, konnte mich nicht wehren, aber die Schläge und Tritte würden weitergehen. In diesem Fall jedoch waren es die Worte dieses Unbekannten dort, die deshalb so schmerzten, weil sie wahr waren.
Schwäche..
Ich sackte zusammen und lag jetzt wieder auf den harten, staubigen Boden wie zuvor. Tränen konnte ich nicht mehr unterdrücken, sie rollten gegen meinen Willen über mein Gesicht was mich noch schlechter fühlen ließ. Damit zeigte ich nur noch mehr Schwäche. Verdammt.. habe ich denn nirgends Ruhe?
Jetzt drehte er sich um, starrte mich wieder an, aber diesmal anders, fast so, als hätte er ein wenig Mitleid.
Ewig schien er da gestanden zu sein, den Blick fest auf mich gerichtet und nuschelte dabei leise irgendetwas vor sich hin. Ich schaute ihm direkt in die Augen, obwohl meine Sicht ziemlich verschwommen war.Versuchte, ihn einer Herkunft oder irgendwas zuordnen zu können, aber ohne Erfolg. Er war mir einfach zu.. seltsam.
Zugern hätte ich ihn darüber ausgefragt, was für ein Ort das hier ist und was mit mir passiert ist, aber der Moment war einfach zu unpassend.
Langsam kam er auf mich zu, blieb vor meinen Gesicht stehen und hockte sich vor mich hin, wirbelte dabei ein wenig Staub auf.
„Hör zu.. das hier ist nicht der richtige Ort für dich. Du gehörst hier nicht hin und ich werde dich von hier wegbringen, verstanden?!"
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich wusste ja nicht mal, wo ich war oder wer er überhaupt war, aber er schien es sehr ernst zu meinen. Also nickte ich einfach.
„Du wirst alles noch früh genug erfahren.", sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Er richtete sich auf, klopfte den Staub von seiner Hose und half auch mir dabei, aufzustehen. Es fiel mir schwer, stehen zu bleiben. Meine Glieder taten höllisch weh und zum ersten Mal spürte ich die Wunden an meinen Füßen, die ich noch von den Glasscherben hatte. Ich kippte fast um, aber der Typ fing mich gerade noch auf und legte meinen Arm um seine Schulter, um mich zu stützen.
Jetzt da ich ihm so nahe war, kam er mir gar nicht mehr so unheimlich wie am Anfang vor. Im Gegenteil, ich genoss es. Denn zum ersten mal seit langem war ich zwar auf Hilfe angewiesen, aber jemand würde sich auch darum kümmern. Auch wenn er mich nur stützte, er würde mich nicht im Stich lassen, wie viele anderen es zuvor schon taten. Und was auch immer dieser Ort an sich hatte, dass ich hier nicht bleiben sollte; er wollte wohl nicht dass mir etwas zustößt.
Vielleicht mochten meine Vermutungen falsch sein, aber jene Gedanken daran taten mir im Moment gut.
Wir gingen, wobei ich mehr humpelte als ging, die wenigen Meter bis zu der Grube, vor der er zuvor gestanden ist. Das war wohl die Grube, aus der ich vorhin von ihm herausgezogen worden bin. Ich hatte mich noch nicht einmal dafür bei ihm bedankt..
Dennoch, ich war neugierig, was das für ein Loch war. Ich warf einen kurzen Blick hinein, aber konnte nichts erkennen. Das Loch war pechschwarz und schien endlos tief zu sein. Vielleicht war es ein ausgetrockneter Teich oder ein Brunnen oder sowas. Weiter konnte ich allerdings nicht darüber nachdenken, denn die Schritte des Typen neben mir wurden immer schneller.
Doch auf einmal kam ich nicht mehr vorwärts. Egal wie sehr ich es versuchte, meine Beine ließen sich nicht mehr bewegen, ich war wie festgenagelt, und das schon nach wenigen Schritten.
Irgendetwas umklammerte meine Beine.
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Reborn. [DIAURA]
FanfictionEin verwirrtes Mädchen gelangt in eine Zwischenwelt, in der sie auf einen jungen Mann trifft. Gemeinsam begeben sie sich auf ihre letzte Reise. Doch was will er wirklich?