Er sah mich mit fragendem Blick an, aber ich konnte nicht mehr rechtzeitig antworten, oder um seine Hilfe rufen, denn plötzlich wurden mir mit einer ruckartigen Bewegung meine Beine weggezogen und ich fiel unsanft auf den harten Untergrund. Flüchtig sah ich noch seine Hand, die versuchte nach mir zu greifen, aber sie konnte mich nicht mehr erreichen.Ich blickte nach hinten und sah, dass mich wieder solch eine Kreatur von vorhin gepackt hatte und versuchte, mich zurück in die Grube zu zerren. Sie hatte mich fest im Griff, ihre Krallen waren tief in meinem Fleisch versenkt und ich sah, wie Blut unter ihren Fingern heraustrat. Dieses Wesen wae anders, als die, die mich zuvor umklammert hatten. Ihre Gesichtszüge waren nicht ganz so menschlich wie die der Leichen und sie schien auch nicht traurig zu sein, sondern eher wütend. Sie öffnete ihr Maul immer und immer wieder und gab damit lautlose Schreie von sich, die ich zwar nicht hören könnte, aber es war als würden sie meine Seele mit Scharfen klingen durchbohren, noch schärfer, als ihre langen Krallen, die sie immer tiefer in mein Bein drückten. Angst überflutete mich und mit aller Kraft versuchte ich mich an dem rauen Boden festzuhalten und mit meinen Beinen die Kreatur von mir abzuschütteln, jedoch ohne Erfolg. Den Schmerz in meinen Gliedern vergaß ich für einen Moment, ich war nur darauf konzentriert, mich nicht von dem Ding hinunterziehen zu lassen, denn ich war mir sicher, der Platz an den sie mich hinbringen wollte, wäre kein schöner Platz. Ich rutschte immer weiter zurück in die Grube, wie sehr ich auch versuchte, Widerstand zu leisten, es war nutzlos.
Doch da packte mich wieder eine Hand. Es war seine Hand und erneut half er mir, der Dunkelheit zu entkommen. Er setze mich neben einen vertrockneten Busch, der seine verwelkten Blätter am verliere war, hin und schaute mich mehr oder weniger grimmig an. Zunächst öffnete er seinen Mund und wollte wohl etwas sagen, dann erblickte er meine aufgekratzten Beine, aus denen unaufhaltsam Blut floss. Hastig, fast sogar panisch, riss er sich einen Fetzen Stoff vom Futter seines schwarzen Mantels und versuchte damit so gut wie möglich meine Wunden zu verbinden und die Blutung zu stoppen. Ich musste lächeln.. dieser Typ sorgte sich wirklich um mich.
„Zu lange sollten wir hier wirklich nicht mehr bleiben." sagte er, mit seinen Augen auf das dunkle Loch fixiert. Ich nickte, versuchte, mich aufzurichten, aber obwohl ich keinen Schmerz verspürte, konnte ich mich nicht auf meinen Beinen halten. So fiel ich gleich wieder zu Boden,wie ein Reh nach seinem ersten Laufversuch. Wahrscheinlich hatte ich zu viel Blut verloren. Der Typ schnaubte genervt und ich konnte nichts tun, als hilflos dort zu sitzen und versuchen, meine Scham zu unterdrücken. Kurz sah es so aus, als würde er sich an meiner Hilflosigkeit zu amüsieren, aber als ich erneut sein Gesicht musterte, als er mich aufhob und Huckepack nahm, sah ich seinen kühlen, desinteressierten Gesichtsausdruck. Ich will endlich wissen, wer er ist.
Er trug mich durch die Landschaft, sicher war ich mir nicht, ob er überhaupt ein Ziel hatte. Wo würde er hin wollen? Hier war nichts, nur die Einöde und der wolkenlose Himmel.„Sag mal... wie lautet eigentlich dein Name?"fragte ich vorsichtig.Keine Antwort. Ignorierte er mich etwa, oder hatte er mich bloß nicht gehört?
„Wie-"
„Namen sind unwichtig. Hier braucht man keinen Namen mehr, man ist nur noch eine wandelnde Seele auf den Weg zum Ende." unterbrach er mich.
Nach diesem Satz herrschte eine Weile Stille, nur das leichte Knacksen von dünnen, trockenen Ästchen, die unter jedem seiner Schritte zerbrachen, war zu hören. Was meint er damit? Bin ich also auch nur eine weitere Seele auf dem Weg zum Ende.. aber noch fühle ich mich irgendwie.. lebendig?Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab, so dass ich die vorbeiziehende Landschaft noch gut beobachten konnte. Was mache ich hier bloß. Warum lasse ich mich überhaupt auf einen komischen, wildfremden Mann ein, der mir nicht einmal seinen Namen verraten will? ...
„Aber.. du wirst doch einen Namen gehabt haben..", durchbrach ich die Stille.„An den kann ich mich längst nicht mehr erinnern. Jedoch haben sie mir einen neuen Namen erteilt, als sie mich hierhin..."Er brach ab und schaute zu Boden. Ich fragte mich, was ihn beschäftigte und wer „sie" denn nun eigentlich waren, aber ich wollte lieber nicht nachfragen. Er wirkte sehr bedrückt, fast schon ein wenig traurig.
Wieder war für einige Zeit Stille eingekehrt. Das Ödland schien sich ewig zu erstrecken, je weiter wir kamen um so wüster wurde die Umgebung. Immer weniger war von der Sonne zu sehen und die Nacht kehrte langsam ein. Es war schwer, in der Dunkelheit noch etwas zu sehen, aber in dem wenig Licht, das noch blieb, konnte ich in der Entfernung Umrisse des Gebirges und von Bäumen sehen. Kahle Bäume, die ihre Blätter verloren hatten, vielleicht waren es auch Pfähle oder Säulen. Das Bild wurde immer unschärfer und verschwommener, je dunkler die Nacht wurde.Ich machte mir keine Mühe mehr, zu erkennen was das dort war. Meine Augen wurden immer träger und auf dem Rücken dieses Typen fühlte ich mich sicher und gleichzeitig doch so unwohl, aber meine Müdigkeit siegte und ich konnte meine Augen für einen Moment schließen.
„Danke,.. Danke dafür, dass du mich gerettet hast" murmelte ich noch, ohne mir eine Antwort zu erhoffen, bevor ich alles um mich herum vergaß und schlief
DU LIEST GERADE
Reborn. [DIAURA]
FanfictionEin verwirrtes Mädchen gelangt in eine Zwischenwelt, in der sie auf einen jungen Mann trifft. Gemeinsam begeben sie sich auf ihre letzte Reise. Doch was will er wirklich?