Kapitel 124.

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Selena sitzt an ihrem Stammplatz, an dem sie seit sie hier ist, immer wieder sitzt. Unter dem Baum. Allein.
Jedoch nicht mehr lange. Immer nach ihrer Pause kommt Melody als erstes zu ihr, um sie zu fragen, wie es ihr geht und wie sie sich gerade fühlt. Obwohl die Minderjährige die Therapeutin schon oft abgewiesen hat, hat sie es immer wieder versucht, bis die beiden sich dann ab und an darüber unterhalten.
,, Hallo Selena", lächelt diese ,, Hallo", antwortet sie nur ,,-Hatten Sie eine schöne Pause?" ,, Ja danke", etwas verwundert, denn das hat Selena noch nie gefragt ,,- Und wie fühlst du dich?"  ,, Ich weiß es nicht" 
Sie würde gerne eine andere Antwort darauf geben. Zum Beispiel schlecht, nicht gut, gut, besser. Jedoch ist da einfach nichts. Sie weiß tatsächlich nicht, wie sie sich fühlt  ,, Wie war das gestern für dich? Deine beiden Eltern. Wie ging es dir damit?"
,, Es war komisch. Das war immer alles was ich wollte. Meine beiden Eltern zu haben. Faith und Zayn bei mir zu haben. Aber als ich gestern meine beiden Eltern sah, wie sie zusammen an einer Lösung gearbeitet haben, wollte ich es garnicht mehr"
,, Und weißt du warum das so war?"
Selena scheint ziemlich nachzudenken, doch sie kommt auf keine Antwort, weswegen sie nur den Kopf schüttelt  ,,- Das ist vollkommen okay. Man muss nicht immer auf alles eine Antwort haben ganz einfach oder?", sagt sie und lacht kurz. Selena merkt, dass sie das auch tatsächlich meint und es wirklich vollkommen okay ist, dass sie darauf keine Antwort hat, weswegen sie leicht lächelt  ,, Ja"   ,,  Du hast dich ja für die Variante deines Vaters entschieden. Hatte das einen bestimmten Grund? Hattest du das Gefühl, du musst ihm zustimmen oder hast du die Lösung auch als gut gesehen?"   ,, Nein ich sagte das, weil er jahrelang für uns gesorgt hat und in den ganzen Jahren immer wusste, was nötig für uns war"
,, Aber es gab auch viele Schwierigkeiten, was ihn angeht "   ,, Ja das stimmt. Er hat uns eine Menge angetan, aber er hat uns nie verlassen. Er hat immer für uns gesorgt, egal wie schwer es auch war. Es fehlte uns nichts"   ,, Könnte das vielleicht der Grund sein, warum du deine beiden Eltern doch nicht mehr zusammen sehen und haben wolltest? Weil du Angst hast , dass eure Mutter euch wieder verlässt?", darauf kommt von Selena jedoch keine Antwort mehr. Sie schweigt bloß, weswegen Melody dies als Zustimmung sieht

   ,,- Möchtest du mir darüber deine Gedanken erzählen? Du kannst das gerne tun, aber wenn nicht, ist es auch vollkommen in Ordnung. Dann vielleicht ein anderes mal", lächelt sie. Das Lächeln dieser Frau ist auf eine Art und Weise wirklich besonders. Es fühlt sich jedes mal so warm und hell an. Es fühlt sich ab und an wie das Licht an, dass Selena schon einige Zeit nicht mehr sah    ,, In dieser kurzen Zeit, wo sie wieder da ist, war sie schon drei mal einfach so wieder weg. Ich habe nichts  von ihr gehört und nichts gesehen. Unser Dad, war nicht der beste den man sich wünscht. Aber er hat alles eingesehen, sich entschuldigt und etwas dagegen unternommen. Er hat sich Hilfe genommen", erzählt sie  ,,- Unsere Mom nimmt zwar jetzt Hilfe an, indem sie hier ist und ich bin mir auch bewusst, dass auch sie sehr viele Probleme hat, aber das hat mein Vater auch gehabt. Er hat sich jahrelang Vorwürfe gemacht, er hat sich gefragt, ob sie noch lebt oder längst gestorben ist. Wir haben uns alle nur eins gefragt. Warum? Warum ist sie gegangen und warum hat sie nur Zayn mitgenommen? Sie hätte schon früher Hilfe annehmen können. Und deswegen weiß ich, egal was auch passieren würde. Ich entscheide mich immer für Dad. Denn er hat uns nie im Stich gelassen"   ,, Das verstehe ich. Und ich finde es sehr gut, dass du endlich nach acht Wochen darüber sprichst. Ich finde das gerade sehr mutig und stark von dir!", sagt Melody stolz
,,- Ihr drei hattet eine sehr schwere Zeit und trotzdem habt ihr es zusammen geschafft, noch bevor eure Mutter zurück kam. Und ich verstehe das vollkommen, dass du das so siehst und deswegen auch Angst hast, wieder verlassen von ihr zu werden. Das hätte ich auch. Du musst nur eine Sache bedenken, deine Mutter war selbst gefangen", sagt sie weiterhin sanft
,,- Und als sie entkam, warst du die erste, nach der sie gesucht hat. Eure Mutter liebt euch sehr. Und du hast Recht, sie hätte auch früher nach euch suchen können oder zumindest euren Bruder bei euch lassen, aber sie hatte ihre Gründe. Sowie du deine Gründe hattest. Sowie Faith, dein Bruder und dein Dad. Ihr hattet alle eure Gründe, verstehst du? Und jetzt habt ihr alle zusammen Gründe dafür eine Lösung zu finden. Und ich bin auch da. Ich helfe euch diese Lösung zu finden, vorallem dir"

Selena lächelt leicht und nickt  ,, Darf ich Sie etwas fragen?"   ,, Natürlich alles", antwortet die Therapeutin lächelnd  ,, Ich weiß das ist ihr Job, aber ich habe auch viele andere beobachtet, die dasselbe tun wie Sie, aber sie sind nicht so wie Sie. Sie sind anders. Sie wollten sogar ihre Stelle wechseln, nur um mir zu helfen. Also warum tun Sie das alles?", fragt sie ziemlich ernst.
Die Ärztin wird still und überlegt. Daraufhin schauen sich die beiden an. Ein leichtes Lächeln dieser Frau ist zu sehen, doch in ihren Augen sind Tränen zu sehen
,, Ich hatte eine Tochter . Sie wäre jetzt zwei Jahre älter als du. Sie war fünfzehn als es geschah. Ihr Vater und ich waren getrennt, es gab viele Probleme. An einem Tag nahm er sie ab und wollte mit ihr ans Meer fahren, aber ein anderes Auto fuhr in die beiden hinein. Sie starb dabei und er ist gelähmt. Du erinnerst mich an sie. Sie hatte auch braune Haare und braune Haselnussaugen und sie hat es geliebt zu tanzen", erzählt sie nun etwas von sich    ,,- Ich möchte einfach den Menschen zeigen, dass das Leben schnell vorbei sein kann, obwohl es das kostbarste ist, was uns geschenkt wurde. Es gibt immer zumindest einen Grund um nicht aufzugeben. Man kann seine Geschichte teilen und somit anderen Menschen helfen. Deswegen tu ich das alles. Ich möchte dir und jedem Mensch der dasselbe durchmacht, die Hoffnung zurück bringen "   ,, Das tut mir sehr leid mit Ihrer Tochter"   ,, Danke. Ich bin da drüben auf der Bank okay?", sie nickt.

Es tut ihr tatsächlich sehr leid. Selena findet es traurig, dass diesem jungen Menschen das Leben, dass sie selbst sich nehmen wollte, genommen wurde. Sie denkt gerade darüber nach, dass sie eigentlich garnicht mehr ohne die Menschen, die sie liebt , leben möchte. Da wäre zuerst mal ihre Schwester, die ihr wirklich mehr als alles andere bedeutet. Ihre Schwester, mit der sie eine ganz verrückte und trotzdem wunderschöne Kindheit erlebt hatte. Ihre Schwester, die sie einfach immer wieder zum Lachen gebracht hat, egal wie traurig sie auch war, die immer für sie da war und ihr Leben mit aufgab, nur um für sie da zu sein. Dann wäre da ihr Vater, den sie genauso sehr liebt. Zusammen können sie all die Zeit, die ihnen in den schweren Jahren genommen wurde nachholen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Dann ist da Justin, ihr Freund den sie über alles liebt und niemals verlieren will, weil diese Art wie er ist, wieder ganz anders als alles andere zuvor ist. Er ist dieser Junge, der ihr zeigt, dass er sie immer und egal wie liebt und unterstützt. Dieser Junge der sie auf eine ganz andere Weise berührt und so unendlich glücklich macht. Ezra und Demi, die besten Freunde , die sie auch schon ein leben lang kennt und so vieles erlebt hat. Die beiden schenkten ihr die meisten lustigsten und schönsten Erinnerungen und Erlebnisse. Ihr Opa, der ihr so unendlich wichtig ist, der selbst krank ist und seine Enkelin sicher ganz schrecklich vermisst. Und dann ist da auch ihre Mutter und ihr Bruder, nach denen sie sich ein Leben lang gesehnt hat. Eine Mutter, die nun Hilfe annahm um auch ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Und immer wieder gekämpft hat, ihre Kinder zu beschützen, das alles aus Liebe. Es wird Zeit brauchen, alles zu verarbeiten. Es wird Zeit brauchen wieder richtig zu leben, doch es gibt tatsächlich Hoffnung. Selbst für einen Mensch, der schon so viel schlimmes erlebt hat. Es gibt immer einen Weg. Wie Faith bereits sagte. Warum sollte sie aufgeben, wo sie doch die Gewinnerin sein kann. Denn man selbst als Mensch entscheidet über das eigene Leben....

Where are you Mommy? All a lie? Do you love us Dad?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt