Patrouille.

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Als ich beim Treffpunkt ankam, war die Sonne bereits untergegangen und die ersten Sterne funkelten am Himmel. Es war eine klare, warme Sommernacht. Ladybug war noch nicht da, doch in letzter Zeit verspätete sie sich immer. Als ich an die Möglichkeit dachte, dass sie vielleicht auftauchen würde, wurde mir flau im Magen. Sie war die einzige Person, bei der ich ich selber sein konnte, ohne mir Sorgen darüber machen zu müssen, was sie von mir dachte. Natürlich hoffte ich, dass wir Hawk Moth bald finden und besiegen würden, doch der Gedanke, sie danach nie wieder zu sehen, schmerzte sehr. Sie war meine beste Freundin, und gleichzeitig die Liebe meines Lebens. Aber bisher tauchte sie immer auf. Und ich behielt Recht; keine zwei Minuten später landete sie zielsicher auf dem Dach. »Tut mir leid für die Verspätung, ich hatte noch etwas zu tun. Wollen wir los?« Ich nickte, bevor mein Blick auf den Korb fiel, den sie bei sich trug. Ihr Blick folgte meinem. »Ach, das habe ich für uns mitgebracht. Ich hatte gehofft, dass du nach der Patrouille noch etwas Zeit hast...?« Sie sah mich hoffnungsvoll an. Wie konnte ich da nein sagen? »Ich weiß zwar nicht, was du geplant hast, Pünktchen, aber ich bin dabei.« Wie konnte ich das abschlagen? Nach einem Kampf blieben uns meistens nur Minuten, bevor wir uns zurückverwandelten, deswegen genoss ich jede Sekunde, die ich mit ihr bei der Patrouille verbringen durfte.

Ladybug ließ den Korb auf dem Dach zurück und wir durchstreiften gemeinsam Paris. Die meisten Menschen schliefen schon, und die Stadt war ruhig und still. Einzelne Autos fuhren durch die Straßen, und in der Ferne hörte man einen Hund bellen, aber ansonsten war alles ruhig und friedlich. Die Patrouille ging schneller rum als gedacht, zu schnell. Ladybug und ich retteten eine Katze von einem Baum, doch ansonsten war nichts los. Natürlich war es gut, dass es sicher war, doch ich wünschte... 

Ich hielt in der Bewegung inne. Hatte ich gerade wirklich gehofft, dass jemand akumatisiert wurde, nur um mehr Zeit mit Ladybug zu verbringen? So etwas durfte ich gar nicht denken, vor allem nicht als Superheld. Wenn Ladybug das wüsste... Ich sah zu ihr hinüber, als wir wieder am Treffpunkt landeten und sah zu Boden. »Vielleicht, wenn sie wüsste, wer du wirklich bist... Was für eine Enttäuschung du bist...«, meldete sich meine innere Stimme zu Wort, und ich schluckte schwer, als ich an meinen Vater dachte. »Du enttäuschst mich, Adrien.« Mir wurde schon wieder flau im Magen und ich spürte, wie meine Hände anfingen zu zittern. Ich versuchte, mein Gedankenkarusell zu stoppen, doch alles fing an, sich zu drehen.

»Hallo, Erde an Cat Noir?« Hatte sie mich etwas gefragt? Ihre Stimme klang gedämpft und fern, so unendlich fern. Ich sah langsam zu ihr auf und hoffte, dass es nur kurz so aussah, als wäre ich in Gedanken versunken. »Ja?« »Bereit für die Überraschung?«  Sie lächelte mich an und ich tat mein Bestes, ihr Lächeln zu erwiedern; Ich wollte die Stimmung nicht ruinieren, und sie hatte sich offensichtlich Gedanken gemacht. Sie ging herüber zu dem mysterösen Korb, den sie mitgebracht hatte, und holte eine Decke heraus, die sie vor mir auf dem Boden des Daches ausbreitete. Danach setzte sie sich und klopfte auf den Platz neben sich. »Eins, zwei, drei, ich wünsche mir ein Kätzchen herbei.« Sie zwinkerte mir zu, und ich konnte nicht anders als mit den Augen zu rollen. »Mein Humor scheint auf dich abzufärben, Pünktchen. Pass auf, sonst verwandelst du dich eines Tages noch in mich.« Ich ließ mich neben ihr auf der Decke nieder, dankbar für die Gelegenheit, mich hinzusetzen, um das Zittern meiner Muskeln zu beruhigen. Mein Puls ging schnell; vielleicht lag es aber auch daran, dass das Mädchen meiner Träume nur Zentimeter entfernt neben mir saß. Ich sah zu, wie sie in den Korb griff und eine kleine Tüte herausholte. »Ta-daa! Selbstgebackene Macarons.« Als mein Blick auf die Naschereien fiel, wurde mir etwas übel. Mein Vater wollte, dass die Jacke in drei Tagen passte, da konnte ich mir das nicht erlauben. Anderseits hatte Ladybug sich extra die Mühe gemacht, die Macarons zu backen... Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als sie den ersten aus der Tüte herausholte. Er war rot und sah ein bisschen so aus wie ein Marienkäfer. »Die Flügel sind aus Zuckerguss und die Augen sind essbar. Probier mal.« Sie hielt ihn vor meine Lippen mit einem erwartungsvollen Leuchten in ihren Augen. Ich presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich... tut mir leid, aber ich kann das nicht essen. Ich weiß, wie viel Mühe du dir gegeben hast, doch ich bin auf Diät.«

Auf einmal fing sie laut an zu lachen. „Du und auf Diät? Ich bitte dich." Ihre Worte überraschten mich und verletzten mich. Dachte sie, ich würde keine machen? War es so unwahrscheinlich, dass ich auf Diät war? Warum dachte sie das? Als sie meinen bestürzten Blick sah, hörte sie auf zu lachen und ihr Blick wurde ernst. Ich dachte, sie wäre sauer, da ich ihre Macarons nicht essen wollte, doch irgendwie sah sie traurig aus. War sie... besorgt? Ich konnte ihren Blick nicht einschätzen. Alles, was sie fragte, war: »Wieso?« Ich holte tief Luft. »Ich möchte mich einfach etwas gesünder ernähren, das ist alles.« Ich sah sie kurz an, nur um dann wieder wegzusehen. Ich hatte das Gefühl, dass sie meine Gedanken lesen würde, wenn ich sie auch nur eine Sekunde länger ansehen würde. Sie kannte mich, und ich hasste es, sie anzulügen. Es war, als würden die Macarons eine unsichtbare Wand zwischen uns aufbauen und uns auseinander drängen. »Du hast eine Diät doch gar nicht nötig«, murmelte sie sanft. „Und ein Macaron wird dich nicht dick machen. Das bist du überhaupt nicht. Außerdem, so oft wie wir gegen akumatisierte Schurken kämpfen, hast du die morgen schon längst wieder verbrannt."

Wenn es so war, warum passte die Jacke dann nicht?

Ich starrte starr zu Boden, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich wollte niemanden mehr enttäuschen. Jede Sekunde, die sie mich länger anstarrte, wurde unerträglicher. Nach ein paar Sekunden, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlten sprang ich fluchtartig auf und sprang vom Dach. Ich hörte, wie sie mir nachrief, doch ich musste hier weg.

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