Quattuor - Ravenna Carter

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Der Rabe spreizte sein dichtes Gefieder. Schimmernde Wassertropfen perlten von der aalglatten Oberfläche ab wie von einem Lilienblatt. Der mächtige Schatten hockte stumm auf dem Baumskelett, dessen dürre Finger sich durch den Nebel gen Himmel reckten. Regen tanzte durch die eiskalte, feuchte Luft, seinen stillen Reigen vorführend, und versickerte doch ungesehen in den vollgesogenen dichten Moospolstern.
Der Vogel ruckte mit den Kopf und ließ ein leises Schnabelklackern hören. Seine nachtschwarzen Augen schimmerten wie feuchte Perlen, und der gefährlich wirkende Schnabel leuchtete, obwohl nicht der kleinste Sonnenstrahl die Erde küsste.
Der Rabe legte den Kopf schief. Ein kleiner Spatz trudelte mit zerzaustem Gefieder durch die nebelumwaberten Baumstämme. Der Rabe hätte ihn sich holen können. Nicht viel wäre dazu nötig gewesen; ein kleiner Stoß, um den Ast zu verlassen, ein Ausbreiten der Federflügel, ein raschen Zuschnappen der matten Krallen... doch der Vogel blieb ruhig auf seinem Platz, und der Kleine verschwand in den Nebelschwaden.
Erst Minuten später öffnete auch der Rabe die nachtschwarzen Schwingen und katapultierte sich mit einem gewaltigen Flügelschlag in die Lüfte. Schon bald war von dem eleganten Geschöpf nicht mehr zu erkennen als ein schwarzer Punkt, der langsam, aber sicher vom Nebel verschluckt wurde.

Ravenna stieß das Flügelportal auf. Als sich die Türen mit einem durch die Halle wummernden Geräusch schlossen, war sie festen Schrittes schon in der Mitte der Eingangshalle angelangt. Die steinernen, grob behauenen Wände wurden von goldenen Flammen erhellt, die aus mehreren großen, quer über den Raum verteilten Kaminen züngelten. Sie wandte ruckartig den Blick ab, um den Blick vor dem gefährlichen Flackern zu schützen.
Direkt vor Ravenna lag ein weiteres Portal, nicht ganz so groß wie der Eingang, doch mindestens so eindrucksvoll. Es verjüngte sich nach oben hin zu einem gotischen Spitzbogen. Goldener Mahagoni, gesprenkelt mit Einsätzen aus Ebenholz und Elfenbein, zierten die Flügeltüren.
An ihren Seiten rankten sich weit ausschwingende, breite Treppen empor.
Ein schlacksiger Junge mit dunklem, seidigen Haar und unnatürlich blasser Haut huschte die eine Treppe herunter. "Ravenna", flüsterte er. Obwohl er erst am Fuß der Treppe angelangt und deshalb noch einige Meter von ihr entfernt war, drang seine Stimme bis an ihr Ohr. "Du bist zu spät. Wir wollten doch- du weißt schon-"
"Ja?" Ravenna lächelte ihm spitzbübisch entgegen.
"Wir- jetzt komm schon, Roxa wartet."
"Da kann sie lange warten. Quidditch, schon vergessen?"
Der Junge schlug sich die Hand vors Gesicht.
"Georgie, das hast du doch nicht schon wieder vergessen, oder?", seufzte Ravenna. Der Junge, der George hieß, scharrte beschämt mit den Füßen. Dann drehte er sich ohne ein Wort auf dem Avsatz um und rauschte die Treppe wieder hinauf. Ravenna erlaubte sich nur ein kleines Grinsen, bevor sie ihm ihn das obere Geschoss folgte.

Durmstrang war groß.
Anders, als der Rest der Zaubererschulen und selbst die Deutsche Zaubererdelegation zu wissen glaubte, hatten sie nicht nur drei Stockwerke. Das Schloss war weder ungemütlich noch zugig und kalt.
Durmstrang war ein Prachtbau.
Ravenna musterte die mit Gemälden behangenen Wände. Sie zeigten ausnahmslos ehemalige Schüler, die es zu großem gebracht hatten.
Gellert Grindelwald. Viktor Krum. Sogar Mr Karkaroff, der sich sein Portrait mit einem glatzköpfigen, ehemaligen Schulleiter von Durmstrang teilte, war vertreten.
Immer wieder passierten sie hohe, bodenlange Fenster, die mit purpurrotem Samt verhängt waren. Dicke goldene Kordeln säumten den Stoff.

Noch immer hastete George weiter, bis er und Ravenna in eine kleine Halle gelangten. Der Grundriss bildete einen perfekt symmetrischen Kreis.
Vier Türen gingen von dem Raum ab: eine wuchtige rechteckige aus Fichte, in die das goldene Emblem einer austreibenden Pflanze eingeprägt war; ein hohes Spitzbogenportal, das von goldenen Streben umrahmt und ganz aus Esche war; eine Tür, die in einem Rundbogen endete und die eine kunstvoll geschnitzte tropfenförmige Spirale auf Ebenholz aufwies und zu guterletzt ein dreieckiges Gebilde aus Nuss, in dessen Mitte ein Loch mit einer brennenden Kerze prangte.

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