Der Tag, an dem der Lavendel brannte

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Es gibt ja wirklich viel, womit ich bei Gellert rechne.
Sehr viel.
Zum Beispiel ist es für mich kein Problem, anzunehmen, dass er demnächst unseren Zaubereiminister umbringt.
Oder mit seinen Akolythen in Hogwarts aufkreuzt.
Oder das Ministerium angreift und dabei jeden einzelnen Auror tötet.
Oder Askaban in die Luft sprengt, einfach weil er es kann.
Oder die restlichen beiden Heiligtümer kreuz und quer über den Globus jagt.
Oder einen Massenmord an Muggeln oder Zauberern oder am besten noch gemischt veranstaltet, nur um unserer Welt zu zeigen, dass er dazu in der Lage ist.
Wirklich.
Ich rechne bei ihm mit wirklich fast allem.
Aber eben nur fast allem.
Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass er mich hier, in den Weiten der Provence, zu einem Duell herausfordert. Und dass er dabei auch noch grinst als wäre das eine große Ehre. Dass er, der wunderbare, tolle, unbesiegbare, unverwundbare, umwerfende, charismatische, geniale Gellert Grindelwald sich zu einem Duell mit mir herablässt.
Haha.
Herablässt. Was für eine Formulierung. Er kann wirklich froh sein, dass er das nicht so gesagt hat. Sonst wäre er seinem Tod gefährlich nah gekommen. Tja.
Aber womit ich ebenfalls nicht gerechnet habe, ist, dass dieses Duell an einem Ort stattfindet, der, obwohl wir nie dort gewesen waren, so angefüllt mit Erinnerungen an den Sommer 1899 ist, dass es wehtut.
Ein Lavendelfeld.
Während ich hier stehe und Gellert taxiere, muss ich mich sehr am Riemen reißen, um ihn nicht zu fragen, ob er mich umbringen will. Denn bei Merlins Bart, natürlich will er das. Nachdenklich mustere ich ihn weiterhin und aus heiterem Himmel kommt mir etwas sehr... Unanständiges in den Sinn. Nämlich, dass er in diesem Anzug (warum bei Merlins Bart steht er mit einem Anzug mitten in einem Lavendelfeld?! Hier gibt es Staub!) zum Anbeißen aussieht. Nicht wortwörtlich. Ich bin ja kein Werwolf. Trotzdem... Die Tatsache, dass er vor mir steht und so verdammt gut aussieht, vermischt mit der würzig-süßen Note der Lavendelblüten... Es macht alles nur noch schlimmer. So langsam fange ich an zu glauben, dass er diesen Ort absichtlich ausgesucht hat. Im übrigen, wird mir klar, scheint mein ehemaliger Geliebter einen reelen Einfluss auf das Wetter zu haben. Vorhin, als er noch nicht da war, schien nämlich noch die Sonne. Hingegen jetzt ist der Himmel düster und sieht nach Weltuntergang aus. Immer diese Schwarzmagier mit ihren finsteren Auren., denke ich und frage mich zur gleichen Zeit, warum wir seit drei Minuten hier stehen und uns nicht duellieren. Gellert hat den Elderstab in der Hand. Ich habe meinen Zauberstab in der Hand. Aber wir duellieren uns nicht. Warum? Will er etwa, dass ich den Anfang mache? Na, dann kann er lange warten. Schließlich hat er die Herausforderung zum Duell ausgesprochen. Nicht ich. Mal abgesehen davon bin ich nicht wild darauf, mich mit ihm zu duellieren. Er weiß das auch - leider.
Im nächsten Moment reißt Gellert mich abrupt aus meinen Gedanken, in dem er mich mit Avada Kedavra bewirft. Er geht gleich aufs Ganze. Super. Das heißt nämlich, dass er fest entschlossen ist, mich heute tot zu sehen. Geschickt wehre ich ab und antworte meinerseits mit einer Abfolge von Stupor, Expelliarmus und Diffindo. Der Elderstab peitscht durch die Luft, Funken fliegen, er schiebt meine Flüche regelrecht zur Seite. Als gäbe es nichts Einfacheres auf dieser Welt. Jetzt appariert er und taucht dreißig Zentimeter von mir entfernt wieder auf. Das erschreckt mich so sehr, dass ich fast meinen Zauberstab fallen lasse.
Zweifarbige Augen starren mich an.
Unnachgiebig.
Unerbittlich.
Ehrgeizig.
Kalt.
Wahnsinnig.
Und doch... Er steht so nah vor mir, dass ich die Narbe auf seiner Wange sehe, die er seiner Haft vor fünf Jahren, 1928, im Ministerium zu verdanken hat. So sehr ich auch will, ich kann mich nicht von ihm losreißen. Vor allem nicht, als nun mit einer sanften, aber bestimmten Handbewegung meine Zauberstabspitze nach unten schiebt und noch näher an mich herankommt. Nein. Bleib stehen! Rühr dich keinen Millimeter mehr!, rufe ich in Gedanken. Ohne es laut zu sagen. Warum auch, er würde sowieso nicht auf mich hören. Denn er hört auf niemanden, außer sich selbst. Gellert senkt leicht den Kopf, sodass wir nun auf gleichauf sind. Mit aufgerissen Augen erwidere ich seinen Blick. Ein winziges Lächeln scheint um seine Mundwinkel zu spielen, während er mich ansieht. "Hör auf damit!", sage ich endlich. "Womit?", fragt er, seine linke Augenbraue wandert nach oben. Ich beiße die Zähne aufeinander. "Du weißt ganz genau, was ich meine."
Er blinzelt.
Das wiederum bringt mich kurz durcheinander, weil mir wieder bewusst wird, wie lang und dicht seine Wimpern sind. Merlin nochmal, warum muss er so gut aussehen?! Er ist böse! Warum kann er nicht zum Weglaufen sein? Ich meine, ja, sein Verhalten ist zum Weglaufen - das ist ja auch die Reaktion, die er in der Öffentlichkeit hervorruft - aber sein Äußeres widerspricht dem vollkommen.
Von den schwarzen Haaren mit der aschblonden Strähne, über die harten und dennoch attraktiven Züge, bishin zu den schlanken Fingern und den eleganten Bewegungen, ist er einfach... traumhaft. "Weiß ich das?" Gellert legt den Kopf schräg und sieht mich an. "Solltest du.", gebe ich zurück. Seine Lippen kräuseln sich und ich muss mich anstrengen, um ihn nicht anzustarren. "Vielleicht.", antwortet er dann leichthin. "Aber es fällt mir nicht ein." "Du musst dein Gehirn benutzen.", entgegne ich und schiebe provokant hinterher: "Sofern du eines hast." Darauf wird sein Blick kurz seltsam starr. Eine winzige Flamme züngelt aus der Spitze des Elderstabes, erlischt aber sofort wieder. "Ich bin durchaus der Meinung, dass ich ein funktionsfähiges Gehirn habe.", erwidert er dann, so gelassen wie eh und je. "Denn ansonsten wäre ich wohl kaum dem Ministerium entkommen." Da muss ich ihm leider recht geben. Auch wenn mir das überhaupt nicht gefällt. Mit einem seltsam harten Schimmern in den Augen neigt er sich vor, zu mir, so dicht, dass ich seinen Atem spüre. Ich bin perplex. Was zieht er hier für eine Nummer ab?! Ich will das sofort wissen! Noch bevor ich mich von meinem Schrecken erholen kann, geht alles ganz schnell.
Ruckartig richtet Gellert sich wieder auf, zieht den Elderstab durch die Luft und ehe ich verstehe, was überhaupt los ist, liege ich am Boden.
Das sollte mich wirklich beunruhigen, aber alles, was ich denken kann ist, dass jetzt die würzig-süße Note der Lavendelblüten besonders intensiv ist. Fast bin ich versucht, die Augen zu schließen und tief den Atem einzuziehen. Nein. Aber Sekunden später verwerfe ich diesen Plan auch schon wieder, weil Gellert meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Denn er kniet neben mir.
Eine Hand links, die andere rechts neben meinem Kopf. Nun stützt er sich auf die Ellenbogen, sodass sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt ist.
Ein zitterndes Gefühl steigt in mir auf, von dem ich weiß, dass ich das jedem anderen Menschen gegenüber empfinden dürfte. Nur nicht gegenüber ihm. Doch ich tue es und dafür könnte ich mich verfluchen. Die verschiedenfarbigen Augen meines größten Feindes wandern über mich, finden meine blauen. Hör. Sofort. Auf. Mich. An-zu-seh-en., denke ich. Natürlich (mal wieder) ohne es zu sagen.
Er nähert sich mir noch ein bisschen. Seine Lippen teilen sich leicht. Nein. Nein, nein, nein, nein. Ich weigere mich das, was gerade um meine Aufmerksamkeit ringt, auch nur zu denken.
Noch näher, jetzt berühren seine Lippen meine. "Er brennt.", flüstert er. Ich verbeiße mir ein Keuchen, sondern ziehe stattdessen mit einem scharfen Einatmen den Kopf zurück. "Wer?", flüstere ich zurück. Gellert lächelt und steht auf. Geduldig wartet er, bis ich es ihm gleich getan habe. Dann sagt er: "Sieh." Blinzelnd sehe ich mich um.
Und schnappe nach Luft.
Der Lavendel steht in Flammen.
Die Pflanzen verbrennen zu Asche, das zarte Lila wird zu grau, die würzig-süße Note der Blüten wird zu der bitter-rauchigen Note von Feuer. "Nein.", ich schüttele den Kopf, als würde das irgendetwas an dem Umstand ändern, dass er hier gerade vor meinen Augen die Pflanze niederbrennt, die 1899 das Symbol für unsere Liebe war. Mit einer kurzen Bewegung pflückt er den Blütenstängel von einer Pflanze in unserer Nähe ab, die noch unversehrt ist. Die Blüten an dem grünen Stiel sind noch unangetastet. "Siehst du?", er wendet sich voll zu mir um, hält die Blüte so, dass ich einen perfekten Blick darauf habe. Noch während ich sie ansehe, schnippt er den Elderstab und der Stängel geht in Flammen auf und zerfällt in seinen Fingern zu Asche. "Das hier", er deutet mit einem Zucken des Elderstabes um sich "brennt. Es brennt wie mein Hass." "Auf?", frage ich erstickt, wohl wissend, dass es nicht gut ist, dass er mir mein Entsetzen so anhört. Auf meine Frage hin seufzt er theatralisch. "Auf alle, die nicht an meiner Seite sind.", sagt er dann. Also auch auf mich., schießt es mir durch den Kopf. Aus irgendeinem Grund verspüre ich plötzlich das umwerfende Verlangen, ihm eine Ohrfeige zu geben. Mindestens eine. Eher mehrere.
"Ich", er macht einen Schritt auf mich zu, dreht den Kopf leicht, ich spüre seine Lippen an meinem Ohr "hasse dich. So sehr, dass es mir nicht reicht, dich zu töten."
Blitzschnell mache ich einen Schritt zurück und funkele ihn an. Ich bin so kurz davor, meinem Verlangen nachzugeben und ihm wirklich ein paar Ohrfeigen zu verpassen. "Töten will ich dich auch, versteh mich nicht falsch.", Gellert sieht mich an, seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Lächeln. "Aber zuerst will ich dir wehtun. Ich werde dir wehtun. So weh, dass dein Schmerz brennt wie der Lavendel hier." Das meint er nicht ernst! "Das meinst du nicht ernst!", rufe ich. "Doch.", antwortet er schlicht. Erneut macht er einen Schritt auf mich zu. Für einen Moment habe ich das absurde Gefühl, dass er mich küssen will. Stattdessen gibt Gellert mir eine Ohrfeige. Wie ich es eigentlich mit ihm hatte machen wollen. Der Schmerz brennt auf meiner Wange, ich starre ihn ungläubig an. "Du hast nicht mehr alle Zauberstäbe im Regal!", knurre ich und bin froh, wütender zu klingen, als ich mich fühle. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das sehr wohl habe. Denn ich habe nur einen Zauberstab. Den habe ich immer bei mir. Nachts liegt er auf meinem Nachttisch.", belehrt er mich. So sanft, als hätte er mir nicht gerade eine runtergehauen. "Ich hasse dich!", zische ich. "Du bist ein Mörder! Ein Schwerverbrecher. Ein gewissenloses Monster!" "Hör auf. Ich fühle mich geschmeichelt.", er lächelt wie ein Star, der Komplimente entgegennimmt. Meine Beherrschung, ihm nicht ebenfalls eine Ohrfeige zu verpassen, schwankt gefährlich. Seltsamerweise, stelle ich fest, kommt das Feuer nicht näher an uns heran. Seine orange-roten Krallen verschlingen hungrig jede Lavendelpflanze. Außer jene in unserer Nähe. Gegen meinen Willen spüre ich einen winzigen Hauch von Hoffnung. Macht er das absichtlich? Ist das ein Zeichen? "Der Lavendel verbrennt. So wie der Lavendel verbrennt, verbrennt auch meine Liebe zu dir.", ein grausames Lächeln begleitet seine Aussage. Schlagartig kommt es mir so vor, als hätte er mir damit die Luft zum Atmen genommen. "Das ist aber eine sehr poetische Art, mir das zu zeigen.", erwidere ich nach kurzem Überlegen. "Selbstverständlich. Poesie lag schon immer in meinem Interessenbereich.", behauptet Gellert. "Ach.", ich nicke langsam. Auf einmal schließt er die letzte Lücke zwischen uns und küsst mich. Wie erstarrt stehe ich da. Ich spüre seine Lippen auf meinen. So weich und gleichzeitig so unnachgiebig. Ein stechender Schmerz reißt mich aus meinen Gedanken. Er hat sich von mir zurückgezogen und grinst. Leckt sich über die Lippen.
Blut.
Ich nehme den metallenen Geschmack wahr und mir wird alles klar.
Meines. Mein Blut. "Ich habe das Feuer in Form des Heiligtümerzeichens ausbrechen lassen. Wir stehen momentan an der Spitze.", sagt er nun. Als wäre nichts geschehen. Einen Moment zögere ich noch. Dann gebe ich ihm die Ohrfeige, die er mir verpasst hat, zurück. Fast sofort zuckt seine elderstabfreie Hand nach oben. Er streicht sich über die Wange, blinzelt, sieht nachdenklich aus. "Nicht schlecht. Hätte ich selbst kaum besser gekonnt.", meint er dann und lässt die Hand sinken. Keine Spur mehr von dem, was ich getan habe. Am liebsten würde ich ihm noch eine verpassen. Doch ich tue es nicht. Es würde so oder so nichts bringen. "Ich hasse dich wirklich.", stelle ich klar und hebe meinen Zauberstab. Gellerts zweifarbiger Blick mustert mich auf eine Art und Weise, wie ein Löwe eine Maus ansieht. Verächtlich. Überlegenheitsbewusst. "Ich weiß.", erwidert er. "Ich dich auch. Und ich verspreche dir, dass du leiden wirst. Du wirst dir wünschen, du wärst tot. Weil der Tod im Vergleich zu dem, was passieren wird, wie das Paradies ist." "Drohst du mir etwa?", frage ich leise. "Richtig erkannt. Das tue ich.", bestätigt er ruhig. Dann appariert er. Hinter mich. Legt von hinten einen Arm um mich. Zieht mich an sich heran. Presst mir den Elderstab an die Kehle. Neigt sich an mein Ohr. "Das Feuer kommt immer näher, weißt du.", schnurrt er. "Mir wird es nichts tun. Aber dir... Es wird dich nicht umbringen, dafür habe ich gesorgt. Doch na ja, ich habe ihm nicht verboten, dir wehzutun." "Warum das alles?", hauche ich, ringe mühsam nach Atem. "Weil du es genauso getan hast.", flüstert er. "Ach ja?", ich lache keuchend. "Und wann? Du hast mich nach dem Drei-Wege-Duell allein gelassen! Nicht ich dich." "Das habe ich. Aber davon rede ich nicht.", seine Haare kitzeln mich am Hals, als er den Kopf schüttelt. "Nicht?", ich versuche, den Kopf zu heben. Sofort verstärkt Gellert den Druck und ich höre auf, mich befreien zu wollen. Immerhin habe ich kein Interesse daran, zu ersticken. "Von was dann?", beende ich meine Frage und schlucke. Das hätte ich nicht tun sollen. In dieser Position ist das sehr unangenehm. "Na ja.", Gellert lockert den Elderstab, während er zeitgleich meinen Kopf mit der Hand festhält, damit ich nicht auf blöde Ideen komme. Die Spitze des Elderstabes fährt über meinen Hals und in einer anderen Situation müsste ich lachen, weil das so schrecklich kitzeln würde. Doch in diesem Moment kommt es mir vor wie ein Todesurteil. "Was soll ich sagen. Es sind eine ganze Menge Dinge.", fährt er fort und neigt seinen Kopf noch weiter vor. So weit, dass ich seinen Atem an meiner Wange spüre. "Eine Menge Dinge?", wiederhole ich und hole mühsam Luft. "Wovon sprichst du?"
Er lacht.
Er lacht, seine Atemzüge kommen stoßweise, ich spüre das Beben seiner Muskeln, so lacht er. "Du hast mich zerschmettert.", antwortet er endlich. "Bitte?!", rufe ich und bereue es im selben Moment. Leiser setze ich hinzu: "Wann denn das?" "Du bist gegangen.", gibt Gellert so sanft zurück, dass es wie eine Drohung klingt. "Du hast mich stehen lassen. Einfach so. Als wäre es nichts. Das war der Moment, in dem ich dich begann zu hassen." Kein Hauch von Reue, Unsicherheit oder Schmerz ist in seiner Stimme. Nur Kälte und Hass. Aber das ist nicht das, worauf mein Verstand sich fokussiert. Sondern auf etwas anderes. 'Das war der Moment, in dem ich dich begann zu hassen.' Darauf. "Du... Du... hast mich vorher... nicht gehasst?", stoße ich hervor. Es Ist wirklich nicht einfach, normal zu atmen, geschweige denn zu sprechen, wenn einem jemand den Kopf nach hinten zieht. "Nein. Ich liebte dich. Immer noch.", erwidert er. So gelassen. So kalt. Ich muss ihn nicht fragen, um zu wissen, dass das 'liebte' der Wahrheit entspricht.
Er tut es nicht mehr.
Er hasst mich.
Und es ist meine Schuld.
"Wenn du mich hasst", ich schlucke und erinnere mich wieder daran, warum ich das als keine gute Idee befand "warum bringst du mich dann nicht einfach um?" Gellert ist mir so nah, dass ich höre, wie er die Zähne zusammenbeißt. Dass ich spüre, wie seine Kiefermuskeln sich anspannen. "Weil ich will, dass deine Seele brennt. Wie der Lavendel. Wie meine Seele es tat, als du mich stehen gelassen hast. Einfach so." Seine Worte sind gepresst vor Hass. Trotzdem spreche ich die folgenden Worte aus: "Denkst du etwa, ich habe nicht gelitten, als du nach dem Drei-Wege-Duell einfach verschwunden bist? Mich mit einer toten Schwester und einem Bruder, der mich hasst, zurückgelassen hast? Glaubst du etwa, das tat mir weniger weh?" "Bestimmt nicht. Aber das reicht nicht. Ich will dich brennen sehen. Ich will, dass du vor mir kniest und mich um Gnade anflehst. Das will ich. Und ich werde es bekommen. Weil ich immer bekomme, was ich will.", jedes seiner Worte ist kälter als Eis. Abrupt presst er den Elderstab wieder an meine Kehle, ich schnappe nach Luft. Obwohl ich das Gefühl habe, dass er mir wirklich gleich die Luft abschnürt und ich in Ohnmacht falle, sage ich: "Das glaubst du doch selbst nicht."
Gellerts Griff wird noch fester. So fest, dass es wehtut und ich mir todsicher bin, dass der Elderstab einen Abdruck hinterlassen wird. Noch dazu wird es immer heißer. Das Feuer kommt näher. "Niemand bekommt alles, was er will.", setze ich dennoch hinzu. Darauf verstärkt er den Druck erneut und dieses Mal hat er es geschafft. Ich kann nicht mehr atmen. Es geht nicht. Trotzdem schaffe ich es irgendwie, kaum hörbar zu flüstern: "Lass mich los." "Niemals! Erst, wenn ich meine Rache hatte!", zischt er. Zitternd hole ich Luft, aber das bisschen, das ich bekomme, reicht nicht. "Lass mich los.", wiederhole ich.
"Nein.", antwortet er, seine Stimme ist wie in Stein gemeißelt. "Bitte.", hauche ich. Er neigt den Kopf. "Wie war das?", fragt er. "Bitte." Es widerstrebt mir, ihn so anzuflehen. Aber wenn ich nicht in den nächsten paar Minuten an Sauerstoffmangel umkippen will, sollte ich zusehen, dass er mich gleich loslässt. Denn ich habe wenig bis gar kein Interesse daran, ohnmächtig in seine Arme zu sinken. Ich höre, wie er offenbar nachdenklich den Atem einzieht. "Wenn du das noch einmal wiederholtst, überlege ich es mir.", gibt er dann bekannt. Was? Für einen Moment wird mir schwindelig und ich überlege, ob das an seiner Antwort liegt oder ob es erste Anzeichen meines möglicherweise nahenden Todes sind. Aber gut. Wenn ich nicht sterben will... Mühsam ringe ich noch einmal nach Luft, wieder kriege ich nur einen winzigen Bruchteil dessen ab, was ich eigentlich brauche. "Bitte.", ich presse das Wort zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Als Gellert den Kopf nach hinten reißt, spüre ich den Luftzug. Quälende Sekunden vergehen und ich habe das Gefühl, als würde mir wirklich langsam schwindelig werden. "Gut.", verkündet er dann und lockert den Elderstab. Wie ein Ertrinkender schnappe ich nach Luft.
Merlin. Luft. Atmen. Sauerstoff.
Herrlich!
Zwar hat Gellert den Elderstab nicht weggezogen, doch immerhin den Druck so gelockert, dass ich wieder so normal atmen kann, wie es mir in der Position möglich ist.
"Ah. Das Feuer ist da.", sagt er plötzlich und lässt mich genauso plötzlich los. Erschrocken ziehe ich den Zauberstab. Tatsächlich. Das Feuer ist deutlich näher gekommen. Oh-oh. Nicht gut. Im absoluten Wachsamkeitsmodus stehe ich da. "Schön, nicht?"
Gellerts Frage empört mich so sehr, dass ich den Blick zu ihm wende. "Schön? Schrecklich! Du willst mich umbringen!", rufe ich. "Das stimmt.", erwidert er gelassen. "Vor drei Monaten in Bhutan, 1933, weißt du noch?"
Diese Frage ist wie ein Dolchstich in mein Herz. "Natürlich.", antworte ich und verfluche mich, dass meine Stimme so heiser ist. "Sehr schön." Er nickt. Fehlt nur noch, dass er sich eine Wand herzaubert, um sich dagegenzulehnen. "Dann weißt du doch auch bestimmt noch, wie wir uns duelliert haben.", spricht er weiter. Klar weiß ich das noch. Das war der Moment, als ich ihn habe 'stehen lassen' - seiner Meinung nach. Ich denke ja eher, dass ich das Richtige getan habe. Trotzdem... Merlin! Ich hätte die Erinnerung nicht wachrufen sollen. Denn jetzt hallen seine Worte wieder in meinen Ohren nach.
'Wer wird dich jetzt lieben, Dumbledore? Du bist ganz allein!'
Ja.
Wenn er wüsste. Wenn er wüsste, wie Recht er damit hat. Irgendwie. Irgendwie auch nicht. Aber... irgendwie schon. Ich schlucke, wende Gellert den Rücken zu und schließe kurz die Augen. Sekunde. Weine ich gerade? Ja. Oh. Nicht gut. Er darf es nicht sehen! Er darf es nicht mitbekommen!, denke ich erschrocken. Müde streiche ich mir die Haare aus der Stirn und erschrecke mich noch einmal. Das wäre für heute mindestens das dritte Mal.
Er steht vor mir.
Den Kopf zur Seite geneigt.
Noch bevor ich irgendwie reagieren kann, umfängt er mein Gesicht und streicht mir sanft die Tränen von den Wangen, rückt näher an mich heran.
Dann küsst er mich.
Zum zweiten Mal.
Zuerst ist es kein weicher Kuss, eher so, als hätte er vergessen, wie das geht. Nach einem kurzen Moment aber werden seine Lippen weicher, pressen sich behutsam auf meine.
Kein Schmerz.
Kein Blut.
Nichts.
Nur ein Kuss. Wobei das 'nur' mehr als untertrieben ist.
Nach endlosen Sekunden löst er sich von mir, ohne mich loszulassen. Mit aufgerissenen Augen starre ich ihn an.
Das Feuer ist erloschen.
Der Lavendel unberührt.
Der Himmel klar.
Eine sanfte Brise zaust ihm das schwarze Haar. Weht ihm die aschblonde Strähne in die Augen. Bringt die würzig-süße Note von Lavendel mit sich. Weiterhin starre ich ihn sprachlos an, ringe um Worte, versuche festzustellen, ob er nur mit mir spielt.
Endlich komme ich mir wieder so vor, als könnte ich ein Wort herauskriegen. Also gut. Eigentlich plane ich gerade eine total epische Rede, aber bevor ich auch nur beginnen kann, höre ich mich sagen: "Nochmal."
Gellert lächelt.
Mit einer Vorsicht, die ich von ihm gar nicht mehr gewohnt bin, drückt er seinen Mund wieder auf meinen. Hitze steigt in mir auf, als ich den Kuss ebenso sanft erwidere. Auf einmal zieht er sich mit einem Ruck von mir zurück. Aber nicht vollständig. Gerade soweit, dass seine Lippen noch meine berühren. "Ich hasse dich nicht.", flüstert er. Ich schlucke, was aus irgendwelchen Gründen schmerzt. "Nicht?", frage ich. "Nein.", antwortet er leise und richtet die zweifarbigen Augen auf mich. Unsere Lippen streifen sich, wenn wir reden.
Das ist ein großartiges Gefühl. "Ich hasse dich auch nicht.", murmele ich und lasse eine Hand über seine Brust wandern. Ein Lächeln verzieht seine Mundwinkel. "Da bin ich froh.", entgegnet er und weicht einen Schritt von mir zurück. Verwirrt folge ich ihm mit dem Blick. Er lächelt. "Augen zu.", kommandiert er sanft. "Okay...?", ich ziehe die Augenbrauen hoch, tue aber, wie mir befohlen. Etwas kitzelt mich am Ohr, ich höre seine Atemzüge. "Gut. Fertig.", sagt er dann. Mehrmals blinzele ich und brauche dann einen Moment, um zu registrieren, dass er hinter mir steht, beide Arme über meinen Schultern. "Was hast du gemacht?", will ich wissen. Darauf lacht er leise. Nicht das spöttische, kalte Lachen von vorhin. Ein anderes. Warm. Es klingt ganz nach dem Gellert von früher. "Rate."
"Raten? Auch das noch.", antworte ich und tue so, als wäre ich entsetzt. "Was bin ich denn? Ein Allwissender?" "Nein.", murmelt er und ich spüre seinen Atem in meinem Nacken. "Aber Hogwartsprofessor." Er haucht einen Kuss auf einen meiner Halswirbel und mir läuft es heiß und kalt den Rücken herunter. "Na gut.", sage ich, wobei meine Stimme leicht kippt, weil er sich über meine Schulter neigt und seine Lippen über meinen Hals streichen. Nachdenklich fahre ich mir wieder durch die Haare und streife dabei etwas. Vorsichtig zupfe ich es hinter meinem Ohr hervor.
Lavendel.
Blühend, in voller Pracht. Unversehrt. Mir wird klar, was Gellert mir damit sagen will. Es ist eine Bitte. Mehr als das. Ein Flehen.
Vorsichtig mache ich mich von ihm los und drehe mich um. "Ich verzeihe dir. Dass du die Auroren in Paris getötet hast. Dass du dem Qilin die Kehle aufgeschlitzt hast. Dass du weiß Merlin wie viele Menschen umgebracht hast.", während ich das sage, beißt er sich auf die Lippe. "Dreitausendfünfhundertacht.", gibt er dann zurück, ohne mich anzusehen. "Was?", frage ich. "Ich weiß, wie viele Menschen ich getötet habe. Die Auroren auf dem Père-Lachaise mitgezählt. Dreitausendfünfhundertacht.", erklärt er und hebt dann langsam den Blick. "Du hast sie alle mitgezählt?", hake ich sanft nach. "Ja. Jeden einzelnen.", bestätigt er, seine Stimme ist rauer als sonst, dunkler. "Oh, Gellert.", flüstere ich, lasse meine Hände über seine Schultern wandern. Zögernd verringere ich den Abstand zwischen uns. "Es ist in Ordnung." Kurz sieht er mich an, beißt sich wieder auf die Lippe. In seinen zweifarbigen Augen glitzert es, ich sehe fast schon, wie der scharfe Verstand dahinter arbeitet. Nach kurzem Zögern nickt er knapp. Ohne ein Wort. Behutsam, nicht wissend, ob er mir ausweichen wird, streiche ich ihm seine aschblonde Strähne aus dem Gesicht. Reglos lässt Gellert es geschehen, wartet, bis ich meine Hand wieder zurückgezogen habe und senkt dann den Kopf. Sein Schweigen verunsichert mich.
Wenn er wirklich nur mit mir spielt?
Wenn er gleich den Elderstab zieht und Avada Kedavra benutzt?
Oder weiter seine 'Ich-verbrenne-das-Symbol-unserer-Liebe'-Nummer abzieht?
Was dann?
Merlin.
Ich habe mir ja eigentlich vorgenommen, ihn nie wieder in mein Herz zu lassen, doch als ich während dem Nachdenken einen ziehenden Schmerz spüre, weiß ich, dass es zu spät ist.
Ich habe es bereits wieder getan.
"Kannst du mich... kurz festhalten?" Gellerts Frage kommt plötzlich. Für einen Moment sehe ich ihn verwirrt an. "Selbstverständlich.", antworte ich dann und ziehe ihn kurzentschlossen zu mir. Denn das hat er ja wohl gemeint, oder?
Hat er.
Er lehnt sich förmlich gegen mich und als ich ihn daraufhin noch fester an mich heranziehe, spüre ich, dass er zittert. Er weint nicht, oder sonst etwas, das nicht. Aber er presst die Stirn an meine Schulter, auf eine Art und Weise, als hätte ihn sämtliche Kraft verlassen. Ich muss aufpassen, dass er mir nicht umfällt.
Und das bei Gellert.
Der niemals schwankt.
Niemals stolpert.
Niemals eine ungeschickte Bewegung macht.
Der sich immer so elegant bewegt wie ein Tänzer - und die Welt ist seine Bühne, jeder seiner Schritte, alles was er tut, eine perfekt einstudierte Choreographie.
Trotzdem stehe ich nun hier und muss ihn festhalten, damit er nicht einfach zu Boden sinkt. Widerstandslos tue ich es; halte ihn fest, streiche ihm wortlos durch die Haare. Immer wieder. Sooft, so lange, bis er sich mir langsam entzieht. Mit einem Ausdruck im Gesicht, als würde er seinem eigenen Gleichgewichtssinn noch nicht ganz trauen. Doch er steht und als er einen Schritt von mir wegmacht, ist seine Bewegung, das Spiel seiner Muskeln, genauso elegant wie immer. Genauso anmutig. "Verzeih.", er schüttelt leicht den Kopf. "Das musste kurz sein." "Nein, alles gut.", ich schüttele ebenfalls den Kopf. Er blinzelt, sieht mich an, ich erwidere seinen Blick. Wir sehen uns an. Gellert zieht eine Augenbraue hoch. Aus irgendwelchen Gründen fange ich an zu grinsen. Er auch.
Jetzt stehen wir da und grinsen.
Dann wird er wieder ernst, hebt eine Hand und legt den Handrücken an meine Wange, rückt wieder näher zu mir. "Ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht weitermachen werde.", sagt er plötzlich und zieht seine Hand zurück. "Was?", ich bin aus dem Kontext. "Mit dem größeren Wohl.", gibt er zur Antwort und zuckt die Schultern, aber ich sehe die Mischung aus Qual, Schmerz und Entschlossenheit in seinem Blick. "Ich weiß.", erwidere ich ruhig, weiß aber trotzdem nicht wirklich, wie ich mich fühlen soll. "Verlang aber nicht von mir, dass ich mit dir komme.", fahre ich fort und verenge die Augen leicht. "Denn das werde ich nicht."
Seine Lippen verziehen sich, als hätte er etwas Bitteres geschluckt. "Auch wenn ich das", er macht eine Pause "gerne hätte." Dieser Satz zerreißt mich innerlich.
Heißt das, er will, dass ich ihm für das größere Wohl folge? Oder heißt das, er will, dass ich ihm für ihn folge?
"Ich kann, will und werde es nicht tun.", sage ich dann, obwohl es mir vorkommt, als würde jemand mein Herz in winzige Stücke reißen. Denn eigentlich will ich nichts lieber, als bei ihm zu sein. Jeden Morgen in seinen Armen zu aufzuwachen. Jeden Tag seine Lippen auf meinen zu spüren. Aber ich kann nicht. "Das weiß ich.", nun ist es Gellert, der mir ruhig antwortet. Er schlingt die Arme um seine Taille, bevor er fortfährt: "Auch wenn ich es mir wünsche." "Ist mir klar.", sage ich und schlucke, bevor ich weiterspreche. "Ich will bei dir sein, versteh mich nicht falsch, ja? Ich... Ich will dich.", ich schlucke erneut und beende den Satz flüsternd. "Aber nicht so." Ein seltsames Lächeln verzerrt seine Mundwinkel. "Ich weiß." Seine Stimme ist anders als sonst. Leerer. Tonloser. Dann sieht er mich an, seine Lippen beginnen eine Antwort, doch er spricht sie dann doch nicht aus. Schweigt. Ich bin mir ziemlich sicher, was er fast gesagt hätte: 'Aber anders wirst du mich nie kriegen.' Ich weiß., denke ich. Ich weiß, dass ich dich nie anders kriegen werde. Und das tut schrecklich weh.
"Wir können das nicht." Jetzt liegt ein absolut beunruhigender Ton in Gellerts Worten. "Was?", frage ich langsam. "Das hier.", entgegnet er, macht eine vage Geste um uns herum. Schon klar, ich verstehe, was er meint.
Uns.
Unsere Liebe.
Unsere Küsse.
Alles, was uns verbindet.
Alles, wonach wir uns sehnen, wenn wir nicht zusammen sind.
Wir können es nicht. "Willst du uns aufgeben?" So sehr ich mich auch anstrenge, ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme bebt. Die zweifarbigen Augen zu Schlitzen verengt, wendet er mir den Kopf zu. In diesem Moment wirkt er irgendwie wie ein Dämon.
Gekommen um zu morden.
Gekommen um zu töten.
"Das habe ich nicht gesagt.", antwortet er jetzt und blinzelt, tritt näher zu mir. "Gesagt hast du's auch nicht.", pflichte ich ihm bei. "Aber gemeint?"
"Das auch nicht."
Ich sehe die angespannten Muskeln, als er den Kopf schüttelt. "Was dann?", will ich wissen. Darauf zögert er, benetzt seine Lippen, bevor er beginnt: "Sieh, es geht nicht. Es geht nicht parallel. Ich kann nicht gleichzeitig das größere Wohl verfolgen und mich jede Sekunde nach dir verzehren. Das geht nicht. Entweder, ich verfolge das größere Wohl und vergesse dich, oder ich habe dich und vergesse stattdessen das größere Wohl. Alles andere schließt sich gegenseitig aus." "Das heißt, du musst dich entscheiden.", schlussfolgere ich. "In der Tat.", gibt Gellert mir recht. "Gut.", sage ich. "Und wie wirst du dich entscheiden? Denn wenn du dich für das größere Wohl entscheidest, würde ich es vorziehen, wenn du mich dann entweder sofort umbringst oder gar nicht. Aber hör auf, mit mir zu spielen wie eine Katze mit ihrer Beute. Wenn du dich aber für mich entscheidest, ist natürlich alles gut und ich kann hier stehen bleiben, ohne damit zu rechnen, jeden Moment getötet zu werden." Ohne ein Wort sieht er mich an.
Dann macht er einen Schritt auf mich zu, zieht mich an sich und küsst mich mit einem Verlangen, dass ich fast umfalle.
Er schmeckt nach Lavendel.
Nach Eis.
Nach Feuer.
Er vergräbt die Finger in meinen Haaren, unser Kuss wird so intensiv, dass es mir den Atem verschlägt.
Ruckartig reißt er sich von mir los, bringt etwas Abstand zwischen uns und legt die Hand an meine Wange. Außer Atem blicken wir uns an. "Ich liebe dich.", flüstert er. "Aber ich kann nicht. Ich kann nicht, Al. Vergib mir." "Vergeben?", frage ich, meine Stimme zittert, denn ich ahne Schreckliches. "Was vergeben?" Gellert schließt mit einem gequälten Laut die Augen, irgendetwas zwischen verzweifeltem Seufzen und Stöhnen. "Ich muss. Gehen.", antwortet er dann und sieht mich wieder aus seinen zweifarbigen Augen an. "Ich kann... Ich kann das größere Wohl nicht aufgeben. Nicht vergessen." Er nimmt vorsichtig meine Hand, ich entziehe mich ihm nicht. Ein stechender Schmerz bohrt sich in meine Seele, als mir klar wird, auf was er hinauswill.
Er wird gehen.
Schon wieder wird er mich allein lassen.
Behutsam verschränkt er seine Finger mit meinen. Reglos lasse ich ihn gewähren. Ohne ein Wort. Kann nichts anderes tun, außer ihn anzustarren. Verzweifelt zu hoffen, dass er mir meine, immer mehr zur Gewissheit werdende Theorie, nicht bestätigt. Aber er wird es tun. Ich weiß es. Langsam zieht er unsere ineinander verhakten Hände zu sich und legt sie über sein Herz.
Ich spüre seinen Herzschlag unter meinen Fingern. So ähnlich wie vor drei Monaten. "Vergib mir, Al!", fleht er, ich höre die Qual in seiner Stimme. Es zerreißt ihn. Uns beide. "Aber... ich... ich kann nicht. Ich muss... das größere Wohl... weitermachen. Ich kann. Es nicht. Aufgeben." Ein Zittern überläuft ihn. Ich sehe in seine Augen und erschrecke.
Das Glitzern darin sagt mir alles.
Tränen.
"Wenn es ginge, dann würde ich... Dich und das größere Wohl festhalten. Doch das ist unmöglich und darum... musste ich mich entscheiden." Er holt tief Luft und lässt mich los, blinzelt. Die Tränen verschwinden aus seinen Augen. "Und das habe ich." Die Qual in seiner Stimme ist geblieben. Darauf sage ich erstmal nichts. Zuerst muss ich mich sammeln. Endlich antworte ich: "Gut. Dann geh. Geh, Gellert. Und bring mich entweder in den nächsten paar Monaten - dieses Jahr - noch um, oder lass es ganz bleiben. Aber ich warne dich: Ich werde. Gegen dich. Vorgehen. Auch wenn es meine Seele erfrieren lässt." Wie vorhin teilen seine Lippen sich, wenn auch dieses Mal bestimmt aus einem anderen Grund, bevor er ruckartig nickt. "Meine auch." Damit wendet er sich ab, ich sehe, wie er den Elderstab aus seinem Ärmel zieht. Plötzlich verspüre ich den Drang, noch ein letztes Mal im Vertrauen zu ihm zu sprechen. "Gellert?" Meine Stimme bricht.
Er erstarrt mitten in der Bewegung. "Ja?"
Ich schlucke mühsam. "Vergiss mich nicht. Bitte.", bringe ich erstickt hervor, obwohl ich damit genau dem widerspreche, von dem er gesagt hat, dass er es tun wird, wenn er sich für das größere Wohl entscheidet.
Zu meiner Überraschung senkt er den Kopf. "Werde ich nicht. Wenn du es auch nicht tust."
"Nie.", flüstere ich.
Ich kann sein Gesicht nicht sehen, da er mit dem Rücken zu mir steht. Doch ich spüre, dass er lächelt. "Ach, und Albus?" Er dreht sich noch einmal halb um. "Was ist?" Ich brauche meine ganze Selbstbeherrschung, um seinem Blick standzuhalten. "Lass nicht zu, dass meine Akolythen dich töten. Ich kann mir viele Tode verzeihen. Aber deiner wäre etwas, das mich bis in den Schlaf verfolgen würde." Jedes Lächeln ist verschwunden, seine Miene ist ernst. Todernst. Verständlicherweise. "Ich geb mein Bestes.", verspreche ich ihm.
Gellert nickt, seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Aber es reicht nicht bis zu seinen Augen.
Dann disappariert er wirklich.
Allein stehe ich da und brauche einen Moment, um zu begreifen, dass ich immer noch den Lavendelstängel in der Hand halte, den er mir gegeben hat. Entschlossen schließe ich die Finger fester darum. Nie werde ich ihn verlieren.
"Ich liebe dich. Was immer du auch tust.", flüstere ich dem Wind zu und vertraue darauf, dass er meine Worte zu Gellert trägt.

Der Tag, an dem der Lavendel brannte || Grindeldore OneShotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt