IV. Prinz Eldrik von Space-Heaven

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Der Weltenraum-Pirat erwachte am nächsten Morgen. Tamina hatte noch nie den Sonnenaufgang beobachtet, wie er wirklich aussah, aber hier, auf einem staubigen Planeten in der Nähe von Neptunius, wo Sauerstoff existierte und Wind den Sand verwehte, hatte sie einen wundervollen Blick. Die Meerjungfrau saß auf einem Hügel, die faszinierten Augen auf das Gold im Universum gerichtet, bis sie ein keuchendes Husten vernahm. 

Zögerlich wandte sie sich um. Sie sollte nicht hier sein, doch sie wurde den Gedanken nicht los, dass dieser Junge etwas mit ihrer Mission zu tun haben könnte. Außerdem hatte sie ihn gerettet. Der Junge war kaum älter als sie. Dunkle Haare umrahmten das ebenmäßige Gesicht; Tamina hatte ihm den Helm vom Kopf gezogen, um ihn besser zu sehen.

„Du bist wach", sagte sie als erstes, weil ihr nichts Besseres einfiel.

Der Junge blinzelte verwirrt, während er sich aufrichtete, und wischte sich Sand aus den Augen. 

„Bin ich tot?"

Tamina zögerte. „Ich glaube nicht. Fühlst du dich tot?"

Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte. Waren Piraten nicht böse? Der Junge wirkte nicht böse. Eher irritiert und kraftlos, wie er sich aufrappelte, doch sie sollte keine vorschnelle Meinung bilden.

„Ein bisschen." Er lachte. „Aber ich fühle mich besser als erwartet." Seine blauen Augen begegneten ihren und Tamina atmete ein. Sie rutschte auf ihrem Sandhügel umher, wohl bewusst, dass er ein Mensch war und sie eine Meerjungfrau, aber hier, auf dem unbekannten Sandplaneten mitten im Weltenraum, schien das plötzlich wenig Bedeutung zu haben.

„Du hast mich gerettet. Danke." Er hielt ihr die Hand hin. „Ich bin Eldrik. Prinz Eldrik von Space-Heaven."

„Prinz?" Tamina runzelte die Stirn.

„Ja. Sohn von König Herkules aus den nördlichen Sphären. Warst du schonmal da?"

Tamina schüttelte den Kopf. Sie sollte ihr siebtes Wellenwunder suchen, aber das Gespräch mit dem Menschen wurde immer interessanter.

„Ich bin Tamina. Prinzessin Tamina aus dem Sternenmeer. Ähm ... Tochter von König Neptunius?" Das Ende klang wie eine Frage, weil sie selbst nicht wusste, wie sie sich vorstellen sollte, doch Prinz Eldrik lachte. Tamina mochte es, wenn er lachte. Es klang so anders, rau und frei, als hätte er viel erlebt und würde in seiner Stimme den Klang von Freiheit tragen.

„Freut mich, Prinzessin." Eldrik nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihren Rücken. Tamina schoss das Blut in die Wangen. Obwohl sie es nicht wollte, begann ihr Herz zu rasen, zu rauschen wie die Wellen, während ihr Körper sich plötzlich um einige Grad wärmer anfühlte. Das lag gewiss nicht nur an dem Sonnenaufgang hinter ihrem Rücken. 

Die Meerjungfrau räusperte sich und zwirbelte an ihren Haaren, als Eldrik sich schließlich in der Sandwüste umsah. Der Junge betrachtete seinen Helm aufmerksam, dann verzog er den Mund zu einem unzufriedenen Strich. „Damit kann ich keine Stunde im Weltenall überleben", murmelte er. „Ich muss zurück zur Raumstation ..."

Tamina wurde hellhörig. „Nach Space-Heaven?"

Das Königreich war ihr unbekannt, doch die Aussicht, mehr vom Universum zu sehen und mehr über Raumschiffe und Weltenraum-Piraten zu erfahren, erfüllte ihr Herz mit Freude. „Darf ich dich ein Stück begleiten?"

Der Prinz trat zu ihr, die Stimme so weich wie das Morgenlicht in den Wellen. In seinen Augen spiegelte sich das Gold der Sonne, die noch immer ihren Rücken wärmte, vermischt mit dunklem Blau wie aus den Tiefen des Meeres. „Natürlich. Du hast mir das Leben gerettet - ich erfülle dir jeden Wunsch. Ich würde mich freuen, dich in mein Königreich einzuladen."

Er streckte ihr erneut die Hand entgegen und diesmal zögerte Tamina kaum, sie zu ergreifen. Das Schicksal hatte sie zu diesem Planeten geführt, mit diesem Jungen, und zum ersten Mal wollte Tamina nicht aus der Geschichte und ihrer Rolle ausbrechen, sondern das Ende der Szene erleben.

Sie war bereit.

Also ließ sie los von allen bekannten Regeln und ergriff die menschliche Hand, die der Wegweiser zu ihrem Schicksal oder ins Verderben sein könnte.

Wunder aus dem Sternenmeer - Die kleine MeerjungfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt