Irgendwie sind es immer die Dienstagmorgen, an denen ich tiefsinnig über mein Leben nachgrüble und alles in Frage stelle. Einschließlich meiner Existenz.
Ich stehe beim Zähneputzen vor dem Badezimmerspiegel, sehe mich an und frage mich, wer das eigentlich ist – das Mädchen im Spiegel. Meine roten Haare noch ganz verstrubbelt – wie eine Löwenmähne – vom Schlafen, tiefblaue Ringe unter den Augen und den mit Abstand unsexiesten Gesichtsausdruck, den man machen kann.
Bin das ich?
Ist das London Collins? Denn, eigentlich stelle ich sie mir anders vor. Aufgeweckter. Fröhlicher. Und vielleicht auch ein bisschen hübscher. London Collins klingt mehr nach einem Mädchen mit perfekt gelockten blonden Haaren und stechend blauen Augen. Sie gehört zu den Cheerleadern und ist ohnehin eines der beliebten Mädchen. Aber das, was ich sehe ... nun ja ... entspricht nicht dieser Vorstellung. Einer Vorstellung, die ich auch gar nicht sein will, die aber unaufhörlich da ist.
Die echte London Collins trägt keine Markenkleidung, oder unterhält sich mit ihren Freundinnen über den angesagtesten Jungen der Schule. Und Cheerleading wollte ich auch noch nie machen.
Aber manchmal frage ich mich, ob das viel besser zu mir passen würde, als das Lesen und ewige herum Sitzen in meinem Zimmer. Ich weiß, völliger Schwachsinn. Ich bin fantastisch so, wie ich bin. Doch manchmal, da kann man die Selbstzweifel eben nicht einstellen. Das geht vielen so. Denke ich.
In manchem Momenten fragt man sich einfach, ob man gut ist, wie man ist, oder lieber Mehr oder Weniger sein sollte. Aber das sagt einem natürlich keiner. Weil nur wir uns mit so extrem kritischen Augen ansehen. Eigentlich ist das total schlimm. Wir machen uns selbst so herunter, nur, weil wir mit den kleinsten Dingen unzufrieden sind. Nach dem Aufstehen und mit noch halb benebeltem Kopf ist es sogar noch schlimmer.
Als ich nun also die erste Phase meines Zweifelns hinter mich gebracht und meinen angezogenen Körper an den Küchentisch verfrachtet habe, beginnt die heutige zweite Phase meines Grübelns. Gerade, als ich von meinem Honigbrot abbeißen will, trifft mich ein Gedanke wie ein Blitz und lässt eine Regenwolke über meinem Kopf entstehen, gegen die nicht einmal ein Schirm helfen wird.
Was habe ich mir nur dabei gedacht, Coles Fake-Freundin zu spielen? Hätte mich die ganze Erfahrung durch die zahlreichen Bücher nicht davon abhalten müssen, da mitzumachen? Es wird in einer absoluten Katastrophe enden! Und ich werde die Hauptattraktion dieses Zirkus werden. (Oder mich am Ende noch in Cole verlieben. Hilfe!)
Autumn hatte Recht, als sie mich gestern in meinem Auto anbrüllte. Ich war – bin – wahnsinnig dumm. Wie konnte ich nur so eine Idee zulassen? Mich mit hineinziehen lassen? Das ist so gar nicht typisch ich. Ich bevorzuge es doch, meine Ruhe zu haben. Was will ich auf Partys? Und wieso muss ich Coles Freundin spielen, nur, damit er mir ein bisschen zeigt, was alle anderen Menschen in unserem Alter so tun? Ich konnte bis jetzt immer gut darauf verzichten, überschwänglichen Jungs beim Kotzen zuzusehen. Wollte nie mitbekommen, wie andere sich bekiffen oder Zeug reinziehen, das einfach nicht in den menschlichen Körper gehört. Und wenn ich gewollt hätte mit diesem ganzen Mist in Berührung zu kommen, dann hätte ich mich an Autumn gewandt. Dazu brauche ich Cole nicht. Genauso wenig, wie ich ihn brauche, um „Kontakte zu knüpfen", wie er es genannt hat. Welche Kontakte, die wichtig sind, knüpft man schon in seiner High School Zeit? Mal abgesehen von der besten Freundin.
Aber jetzt gibt es kein zurück. Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, Cole hängen zu lassen. Das wäre nicht fair. Egal, wie schrecklich seine Idee im Nachhinein betrachtet eigentlich ist. Vielleicht wird es ja sogar einigermaßen amüsant. Sollte ich es nicht vermasseln.
Mit dicken Wangen, in denen mein Honigbrot steckt, und eilig kauend springe ich auf und schultere meine Schultasche. Am besten, ich komme so früh wie möglich zur Schule. Dann kann ich womöglich noch einem mit Cole reden und abklären, was es eigentlich heißt, seine „feste Freundin" zu sein.
DU LIEST GERADE
Bookboyfriend
RomanceLondon Collins glaubt an die große Liebe. An diese eine Person, die das Leben bunter und fröhlicher macht. Die kleinen Momente, die so unperfekt perfekt sind, dass man sich für immer an sie erinnert. Und sie hat all ihre Vorstellungen auf einer List...