Kapitel 2

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Verdutzt stehe ich da. Langsam blickt er wieder hoch und wir sehen uns in die Augen. ,,Wie komme ich denn zu dieser Ehre, Herr Lindemann?"
,,Bitte nenne mich doch Till"
Frech gab ich zurück:,, Danke fürs Angebot aber ich bleibe bei Herr Lindemann." Verwundert sieht er mich an. ,,Ich bitte darum." Seine Augen haben mich. Nur nicht nachgeben, Kim, nicht nachgeben! ,,großzügig, aber ich bleibe dabei." Weiter starre ich ihm in die Augen. Nach kurzem Schweigen, unterbricht er die Stille: ,,Sie sind mir sofort aufgefallen. Irgendwas an ihnen fasziniert mich. Ich wollte die Chance nutzen. Es war nur Zufall, dass ich heute hier entlang lief und dann sah ich sie."
Mein Bauch spielt verrückt. Er ist mir auch sofort aufgefallen. Nur ich hätte ihn niemals angesprochen. Ich kenne ihn nicht aber fühle mich zu ihm hingezogen. Kaum zu fas-
Er unterbricht meinen Gedankengang:
,,Hätten sie etwas dagegen, wenn ich Sie auf ein Essen einlade?"
Ohne zu zögern hätte ich ja gesagt aber durch die ganze Aufregung in meinem Bauch, wurde mir schlecht, wenn ich auch nur an Essen dachte. Also mache ich einen anderen Vorschlag: ,,Mir wäre es lieber, ein wenig spazieren zugehen?"
Er nickte bloß verständnisvoll. Anscheinend merkte er mir wohl mein Unbehagen an. Mit meiner Hand zeigte ich in die Richtung, in die ich ihn führen wollte. Wir liefen nebeneinander her. ,,Das Meer ist wunderschön, wenn es dunkel ist, finden Sie nicht auch?" Die Sonne war schon untergegangen. ,,Ich könnte stundenlang hier stehen und dem Meer zuhören." Da keine Reaktion von ihm kam, ließ ich von dem Meer ab und wendete mich ihm zu. Er blieb stehen und legte seine Hände auf die Kante der Brücke. Er sah in Gedanken geradeaus. ,,Worüber denken Sie nach?" Ich bereue diese Frage im nächsten Moment wieder. ,,Nein, entschuldigen Sie, das geht mich nichts an." Werfe ich schnell hinterher. Er ignorierte das eben gesagte, worüber ich auch irgendwie froh war.
,,Sie haben recht, es ist sehr schön hier. Leider habe ich keine Zeit, mir öfter soetwas anzuschauen."
,,Sind sie so beschäftigt?" Frage ich vorsichtig. ,,Das könnte man sagen. Aber für ein Gedicht habe ich irgendwann immer mal Zeit."
Ich bin überrascht. Er schreibt auch Gedichte? ,,Würden sie mir eins zeigen?"
Er blickt mir nun auch ins Gesicht. ,,Sie wollen eins hören?"
,,Sehr gerne" antworte ich.
,,Aber nur wenn ich auch eins von ihnen höre."
,,Abgemacht" sage ich und warte gespannt. 

,,Was ich liebe
Ich liebe nicht daß ich was liebe
Mag es nicht wenn ich was mag
Ich freu mich nicht wenn ich mich freue Weiß ich doch ich werd's bereuen
Daß ich froh bin darf nicht sein
Wer mich liebt geht dabei ein
Was ich liebe muß sterben
Was ich liebe wird verderben
Auf Glück und Freude folgen Qualen
Für alles Schöne muß man zahlen
Was ich liebe muß sterben"

Ich höre ihm gehorsam zu. Die Worte sind gut getroffen. Es ist aber auch traurig. Ob er wirklich so über sich denkt? Als er fertig ist, klatsche ich leise in die Hände und lächel: ,,Ich bin begeistert. Es ist wundervoll, ja gar so großartig."
Er lacht und bedankt sich. Unsere Augen bleiben aneinander hängen. ,,Nun möchte ich aber auch ihr Gedicht hören"
Ich überlege kurz, bis mir das beste in den Sinn kommt:

,,Könnten wir in dieser Nacht mehr Verlangen?
Nicht in einem Rosenbett weinen,
Keine dunkle Kleidung tragen,
Nicht zwischen Kreuzen versagen.
Könnten wir dieser Nacht entkommen?
Von einem Mal auf Steinen,
Keiner Haut nur Gebeinen.
Aus dem Paradies, dass du Liebe nanntest,
Aus dem Paradies, aus dem du jetzt blickt,
Von dem Kampf der Einsamkeit.
Diese Nacht könnte es das Ende sein?"

Er hörte aufmerksam zu. Durch die Dunkelheit konnte ich ihn nicht mehr so gut erkennen. Aber sicher war ich, einen kleinen hochgezogen Mundwinkel erkennen zu können.
,,Ich möchte sie besser kennenlernen." Wind pustete mir meine Haare leicht ins Gesicht. ,,Natürlich nur, wenn sie das auch wollen." fügte er noch hinzu.
,,Es wäre mir eine Freude" antworte ich.

Frühling in ParisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt