✦ Jolly ✦
„Du mieses Arschloch!", schrie ich, nahm den Mojito von meinem Tablett und kippte ihn mit Schwung über Jannick aus. Die Tussi neben ihm quiekte schockiert.
Wütend richtete Jannick seinen Zeigefinger auf mich.
„Komm mal runter. Ich konnte doch nicht wissen, dass du neuerdings hier kellnerst. Sonst hätte ich es dir anders beigebracht.", motzte er und griff sich angewidert an sein klebriges T- Shirt.
Das war alles was ihm dazu einfiel, dass ich ihn dabei erwischt hatte, wie er sich mit einer anderen Frau traf? Wütend machte ich einen Schritt auf ihn zu, wobei ich ins Schwanken kam und drohte, auf den Tisch zu krachen. Er sprang auf und fing mich ab.
„Guck dich doch mal an. Du bist betrunken bei der Arbeit. Du hast dein Leben null im Griff. Denkst du, ich habe Lust mir sowas auf Dauer zu geben?", giftete er.
„Ich bin Kellnerin! Natürlich trinke ich bei der Arbeit!", fauchte ich. Das war ja wohl die Höhe. Sollte ich etwa ablehnen, wenn mir Gäste einen ausgaben?
„Jolly.", hörte ich die schneidende Stimme meiner Chefin, die mich von der Bar aus rief. Ich zeigte Jannick den Mittelfinger, während ich auf sie zu stolperte.
„Jolly, du bist-", begann meine Chefin.
„Gefeuert, ich weiß.", beendete ich ihren Satz. Ich riss die Schürze herunter und warf sie auf den Boden vor ihren Füßen.
Unter den schaulustigen Blicken der Gäste stolzierte ich aus der Rio de Janeiro- Bar.
Als ich ein paar Meter in die warme Nacht hineingelaufen war, lehnte ich mich gegen eine Steinmauer und atmete tief durch. Meine Schultern sackten zusammen.
„Fuck," flüsterte ich.
Das Selbstbewusstsein, mit dem ich meinen Abgang untermalt hatte, verließ mich und zurück blieb die bittere Erkenntnis, dass mein Leben eine Fail-Compilation war. Eine Aneinanderreihung von Fehlern und schlechten Entscheidungen. Es mit meinen Eltern verkrachen und Zuhause rausgeschmissen werden? Schlechte Entscheidung. Ausbildung abbrechen, um als Kellnerin arbeiten, weil Trinkgeld ja so leicht verdientes Geld war? Bescheuerte Entscheidung. Jannick daten? Kompletter Griff ins Klo.
Ich blickte auf und starrte in mein Gesicht, das von einem dunklen Schaufenster reflektiert wurde. Das Silberblond meiner ursprünglich dunklen Haare leuchtete im Straßenlaternenlicht und erinnerte mich an eine weitere beschissene Entscheidung, die ich getroffen hatte. Die Färbung hatte meine Haare förmlich zerfressen und ich hatte sie bis über die Schulter abschneiden müssen.
Ich schüttelte den Kopf und lachte traurig. Jannick hatte falsch gelegen, ich war noch lange nicht betrunken. Viel zu wenig für meine Situation jedenfalls. Ich lief eine dunkle Straße entlang, bis ich zum Rand eines Parks kam. Drei Typen hingen dort an einer Parkbank rum und tranken Bier. Ich musste lächeln. Es gab nicht viel, was man nachts in der Stadt finden konnte. Liebe, Freundschaft und guter Rat waren meistens nicht dabei. Nur eines war sicher, wenn man Alkohol suchte, fand man welchen.
„Heeey!" Ich wackelte mit den Augenbrauen und grinste übertrieben, während ich auf das Grüppchen zusteuerte.
Ein dreitöniger Pfeifchor empfing mich und ich verdrehte innerlich meine Augen.
„Habt ihr ein Bier über?"
„Für hübsche Frauen immer doch."
Der Typ mit der Kappe öffnete eine Flasche mit seinem Feuerzeug und drückte sie mir in die Hand. Dabei ließ er seine Finger übertrieben auffällig über meine streichen.
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Mafia 101 - Luciano
RomanceJollys Leben ist eine einzige Panne. Das Chaos verfolgt sie auf Schritt und Tritt und versucht unerschütterlich, sie unterzukriegen. Betrogen, gefeuert und mit gähnender Leere auf ihrem Konto beschließt sie, dem Rat einer guten Freundin zu folgen u...