5. Professionell

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Luciano

Ich ließ meine Schultern rollen, um meine Nackenmuskulatur zu entspannen und meinen Ärger in Zaum zu halten.

„B-bitte ich- ich habe Fehler begangen, D-Don. Ich bitte um eine zweite Chance. I-Ich bitte um eine Chance, es gut zu machen. Ich werde alles tun. Alles, Don.", hörte ich das unerträgliche Winseln des Kuriers, der bei dem Versuch gescheitert war, mich hinterrücks zu erschießen und jetzt wimmernd um Gnade flehte wie ein rückratloses Weichtier.

Ich wandte mich von der Glaswand meines Büros ab und bedachte den zitternden Mann in den Armen meiner Soldaten mit einem knappen Blick. 

Genervt blickte ich auf meine Uhr. Dann krallte ich mir in einer plötzlichen Bewegung seinen Kragen. Meine Männer ließen ihn sofort los. Ich drückte ihn auf die Knie herunter. Meine Geduld für diese lästige Unterbrechung meines Zeitplans war schon jetzt aufgebraucht. Ich drückte ihm meine Pistole an die Schläfe, presste das kalte Eisen in seine Haut, um ihn meine Ungeduld spüren zu lassen.

„Nenn mir einen Grund, warum ich dich am Leben lassen sollte."

„I-Ich habe Familie! Eine F-frau und Ki-"

„Ich sagte, du sollst mir einen Grund geben, dich am Leben zu lassen."

Mit angehaltenem Atem blickte er zu mir hoch. Sein Blick war getränkt in Angst, während er mich stumm anflehte.

Ich steckte die Waffe weg woraufhin sich Erleichterung in seinem Gesicht breit machte. Dann nahm ich seinen Kopf in beide Hände und riss ihn mit einer schnellen Drehbewegung herum. Ein sprödes Knacken ertönte, als sein Genick brach.

Ich ließ seinen tödlich verdrehten Kopf los. Sofort kippte der leblose Körper nach vorne über.

Wortlos begannen meine Soldaten, die Leiche zu entfernen. Ich ließ mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder und begann, die E-Mails zu beantworten, die meine Sekretärin für wichtig genug erachtet hatte, dass ich ihnen meine Zeit widmete.

Um 15 Uhr klopfte mein Onkel Cicero an mein Büro. Cicero war offiziell aus den Geschäften der Famiglia ausgestiegen und hatte sich auf einem Weingut zur Ruhe gesetzt. Inoffiziell konnte er es jedoch nicht lassen, weiter für die Famiglia zu arbeiten und seine Hände in Dreck und Blut zu waschen. Er war ein Made Man. Es lag in unserem Wesen, unsere Macht auszuweiten und uns rücksichtslos zu bereichern. Auch wenn Cicero es immer noch nicht zugab, war mir klar, dass er auf seinem Weingut in Apulien vor Langeweile gestorben war. Darum trieb er sich hier in New York rum, networkte fleißig und beriet mich in verschiedensten Angelegenheiten.

Es gab nur einen Mann, den ich mehr respektierte als Cicero. Aber der war gerade damit beschäftigt, mit einem unausstehlichen Dauergrinsen im Gesicht seine Hochzeit zu planen. Meine Laune verschlechterte sich, als ich an die bevorstehende Vermählung meines Bruders dachte. Wenn ich daran erinnert wurde, dass mein Bruder bald verheiratet sein würde, spürte ich Druck. Ich war mittlerweile 29 und die Capos erwarteten schon gespannt meine Wahl einer Frau. Natürlich sagte mir das niemand ins Gesicht. Aber es kam deutlich rüber. Hier wurde mehr zwischen den Zeilen gesagt, als gerade heraus.

Ich würde die Tochter eines befreundeten Bosses oder eines hohen Capo heiraten müssen, alles andere machte keinen Sinn. Es war eine machtpolitische Entscheidung, die ich gerne vor mir herschob. Nicht nur um meinetwillen. Auch um der Frau Willens, die sich an mich binden musste und den Rest ihres Lebens in einer kalten lieblosen Ehe feststecken würde.

Aber schön, dass wenigstens mein Bruder auf die Famiglia und ihre Traditionen pfiff und sich in ein Mädchen von außen verliebt hatte. Die Capos waren rasend gewesen, als sie davon erfahren hatten. Aber ich hatte sie im Zaum gehalten. Und die, die mir nahegelegt hatten, meinen Bruder zu verstoßen, hatten jetzt eine Hand weniger. Eine meiner bevorzugten Strafen.

Mafia 101 - LucianoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt