15. Korb

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Jolly

So geil Lucianos Apartment auch war, nachdem ich mich dort eine Woche lang aufgehalten hatte, trat die Langeweile ein. 

Mr Mafia-Boss schneite immer erst gegen zehn, manchmal erst um Mitternacht herein, um dann schnurstracks in seinem Fitnessstudio in der unteren Ebene oder in seinem Schlafzimmer zu verschwinden.

 Anfangs hatte ich noch auf ihn gewartet, aber mehr als die üblichen Einzeiler bekam ich nicht aus ihm heraus. Darum war ich mittlerweile meist schon in meinem eigenen Schlafzimmer, wenn er nach Hause kam.

Die einzige Person, mit der ich mich noch unterhalten konnte, war die Haushälterin Kelly. Aber auch die Gespräche mit Kelly wurden mit der Zeit etwas eintönig.

Es war ein grauer verregneter Montag, als ich beschloss, aktiv etwas gegen meine Langeweile zu unternehmen. Ich verließ das Apartment und sofort waren zwei schwarz gekleidete Securities hinter mir. Ich ignorierte die beiden so gut es ging, während ich mit dem Fahrstuhl zwei Stockwerke runterfuhr in das Stockwerk von dem ich wusste, dass sich dort sein Büro befand.

Eine Frau mit strengem Zopf saß an einem Schreibtisch und blickte von ihrem Bildschirm auf, als ich mit Granitgesicht eins und Granitgesicht zwei im Schlepptau den runden Flur betrat.

„Mrs. Leonhardt!" Sie sprang auf und verneigte leicht ihren Kopf vor mir, „Mein Name ist Mrs. Williams, Mr. Stirvales Sekretärin. Freut mich sehr, dich kennenzulernen. Was kann ich für dich tun?"

Positiv überrascht, dass Luciano seine Mitarbeiter anscheinend darüber unterrichtet hatte, wer ich war, antwortete ich: „Ich möchte Luciano sprechen."

Sie nickte.

„Du hast Glück, er ist momentan hier im Gebäude. Allerdings nicht in seinem Büro sondern in den Katakomben."

„Die Katakomben?", fragte ich stirnrunzelnd.

Mrs. Williams Lächeln kam leicht ins Schwanken, als sie realisierte, dass ich nichts von diesem Gebäudeteil wusste.

„Ehm." Sie räusperte sich und ihre Augen huschten zu meinen Bodyguards. „Er ist momentan jedenfalls nicht erreichbar, aber ich kann dich gerne informieren, sobald er wieder in seinem Büro ist." Sie blickte mich fast etwas flehentlich an.

Mein Stirnrunzeln vertiefte sich.

„Wo sind diese Katakomben?"

„Ich, ehm, das – also das ist wirklich nicht so wichtig. Er ist gerade beschäftigt, das ist alles."

Gerade, als ich mich wieder dem Fahrstuhl zuwandte, öffneten sich dessen Türen und Luciano erschien mit zwei Anzugträgern im Schlepptau. Er registrierte mich mit einem kurzen Blick und lief in Richtung seines Büros.

„Ah, zurück aus den Katakomben.", kommentierte ich.

Luciano gefror in seiner Bewegung. Sein kalter Blick flog von mir zu seiner Sekretärin, wo er einen warnenden Zug annahm. Die Schultern der armen Frau sackten herunter und sie blickte betreten zu Boden.

Er öffnete die Tür zu seinem Büro und wies die beiden Männer, die mit ihm aus dem Fahrstuhl gekommen waren, an, im Flur zu warten. Dann bedeutete er mir mit einem knappen Nicken ihm zu folgen.

Gespannt huschte ich hinter ihm in sein geräumiges Büro und schloss die Tür hinter mir.

Hinter einem gläsernen Schreibtisch ließ sich Luciano nieder und visierte mich an, während ich auf den Stuhl ihm gegenüber sank.

„Warum bist du hier?", fragte er tonlos.

Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe und zuckte mit den Achseln. Ich fühlte mich wie ein Schwerverbrecher unter seinem unnachgiebigen Blick. Dabei war er hier der Verbrecher.

Mafia 101 - LucianoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt