2. Schlüsseldienst

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Jolly

Ich blickte in den dunklen Park, der mich von meinem Zuhause trennte. Und in dem zwei übergriffige Kerle rumliefen, die möglicherweise auf Rache aus waren. Ich fröstelte und schlang meine Arme um mich.

Dann sah ich wieder zu dem Typ im Anzug, der gerade seine Autotür öffnete.

„Ehm, Entschuldigung", begann ich und kratzte meinen Mut zusammen, „könnten sie mich vielleicht ein Stück begleiten? Also nur durch den Park. Es ist nicht weit.", fragte ich ihn mit pochendem Herzen. Peinlich berührt blickte ich zur Seite. Das war mir wirklich unangenehm. Aber ich fürchtete um mein Leben. Und er trug immerhin eine Schusswaffe bei sich.

Er hielt inne.

„Ich bin kein Babysitter.", informierte er mich mit ausdrucksloser Stimme.

Ich schluckte und ließ seine Worte sacken. In einer anderen Situation hätte ich sicher etwas Blödes zurück geantwortet. Aber jetzt war ich einfach nur verzweifelt.

„Bitte!", flehte ich und Tränen begannen, meine Wangen hinab zu rinnen. Und ich war mir sicher, dass selbst meine Tränen einen Promillewert hatten.

„Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst machen soll."

Er schien kurz zu überlegen.

„Also gut.", meinte er und kam auf mich zu. Mit der Hand bedeutete er mir, voran zu gehen.

Ich schniefte vor Erleichterung und wischte eilig die Tränen aus meinem Gesicht.

Schweigend liefen wir nebeneinander her durch den nächtlichen Park. Es war seltsam, wie sicher ich mich neben einem Fremden mit Waffe unter dem Anzug fühlte. Aber ich tat es. Sein großer warmer Körper neben mir war meine ständige Versicherung, dass all die bösen Schatten, die nachts durch den Park geisterten, mir nichts anhaben konnten. 

Ich bemerkte gar nicht, wie ich instinktiv näher an ihn ran rückte. Er hatte eine besondere Ausstrahlung. Eine Ausstrahlung, die von seinem attraktiven und gleichzeitig beängstigenden Äußeren verdeckt worden war, aber hier im dunklen Park, da spürte ich sie. Er strahlte etwas Warmes, Weiches, ja, etwas Kaputtes aus. Und da ich mein eigenes Leben ebenfalls offiziell als kaputt bezeichnen konnte, zog mich seine Aura magisch an.

Vertieft in meine alkoholisierte Analyse, bemerkte ich erst gar nicht, dass wir den Park hinter uns gelassen hatten. Wir bogen in meine Straße ein und hielten vor dem grauen Siebzigerjahre Mehrfamilienhaus.

Ich griff nach meiner Tasche und mein Herz setzte kurz aus, als ich ins Leere griff. Ich trug keine Tasche mehr. Sie war fort. Er musste das blanke Entsetzen gesehen haben, das sich auf meinem Gesicht breitmachte und runzelte die Stirn.

„Meine Tasche.", brachte ich fassungslos hervor, „Sie ist weg."

Mein Schlüssel, mein Handy, mein Portemonnaie - sie befanden sich irgendwo zwischen der Rio De Janeiro Bar und hier. Vielleicht hatten die drei Mistkerle sie in die Finger bekommen. Mein Magen zog sich zusammen bei dem Gedanken.

Kurz starrte er mich fassungslos an, dann verdüsterte sich sein Gesicht. Ich konnte mir vorstellen, dass er kein sonderlich geduldiger Mann war. Und das hier strapazierte seine Nerven aufs äußerste. Verärgert atmete er aus. Dann wandte er sich halb von mir ab, als überlege er, mich einfach stehen zu lassen.

Ich stand stumm da, unfähig, mich zu bewegen. Die Situation war mir so unangenehm, dass mir erneut Tränen in die Augen krochen. Jetzt nicht auch noch weinen, ermahnte ich mich flehentlich. Das hier ist schon peinlich genug. Was musste er von mir denken? Ich kam rüber wie der letzte Depp. Vollkommen überlebensunfähig.

Mafia 101 - LucianoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt