Haitani's Little Secret

Hä, eine Haitani?

Baji klingelt an der Tür Sturm. Ich poltere die Treppe hinab, schreie: "Ich komme ja schon!" in Richtung der Tür und reisse sie nach einem Vollsprint über den Flur auf. "Eine Sekunde", keuche ich und renne nochmals nach oben, weil ich meine Schuhe vergessen habe und ohne Stiefel kann ich nicht aus dem Haus. Vorallem nicht in Turnschuhen. Gang-Uniform und Turnschuhe gehen überhaupt nicht. Das ist gegen jegliches Verständnis von Mode, das ein Mensch aufbringen kann. Ich eile zurück zu Baji an die Tür. "Kommst du jetzt endlich? Wir kommen noch zu spät!", stresst er mich. "Jaja", brumme ich und weiss genau, dass wir noch eine Viertelstunde Zeit haben. Ich ziehe schnell meine Jacke an. "Mist, ich habe meine Maschine nicht getankt", sage ich genervt. Baji lacht mich aus. Er weiss genau, dass ich das immer als Ausrede benutze, dass ich bei ihm mitfahren kann. Das mache ich immer schon, wenn Baji dabei ist, dann will ich immer mit ihm fahren und nicht alleine. Er nennt mich dann immer eine nervige, kleine Klette, aber eigentlich hat er nichts dagegen. "Frag das nächste Mal doch gleich, ob du bei mir mit kannst", kichert er. Ich schliesse die Tür ab, klettere hinter ihm auf das Motorrad und schlinge die Arme um ihn.

"He, Chifuyu!", rufe ich und springe von Bajis Motorrad herunter. "Hey!", grinst er. Mit den Leuten ind der Tokyo Manji-Gang komme ich einfach viel besser aus wie mit den Leuten von Tenjiku, vielleicht ist das der Grund, warum ich noch nicht gegangen bin. Aber auch wenn ich die Leute bei Tenjiku jetzt mögen würde, die Manji-Gang gehört uns. Baji, Kazutora, Draken, Mikey, Pah, Mitsuya und mir. Wir haben die Gang gegründet und sie gehört uns. Ich könnte nie im Leben davonlaufen, bloss weil meine Brüder etwas anderes machen. Ich bin ja auch nicht in den Knast gegangen, bloss weil sie da hingegangen sind. Chifuyu klatscht mit mir ab. Chifuyu ist Bajis Vizekommandant. Eigentlich hätte ich eine Führungsposition übernehmen sollen, aber ich bin nicht einmal Vize geworden. Ich sollte Bajis Vize sein. Als Gründungsmitglied hätte ich wenigstens das verdient. Aber Mikey hat gesagt, dass er keine Frau als Gesicht einer Division sehen will. Ich darf mitmachen, weil ich stark bin, aber wenn ich eine Division anführe, dann haben alle dahergelaufenen Frauen das Gefühl, dass sie zu uns kommen dürfen. Das verstehe ich ja auch, aber trotzdem wäre ich gerne ein bisschen wichtiger als bloss ein einfaches Mitglied. Es kann ja wohl nicht sein, dass ich den gleichen Rang habe wie Takemichy. Und wenn man irgendwen hier als dahergelaufen beschreiben kann, dann ihn. Aber Takemichy ist in Ordnung, ein Idiot, aber in Ordnung.

"Wir wollten heute etwas mit dir besprechen", sagt Baji und schaut mich ernst an, nachdem wir alle in einen Kreis um einen Tisch herumsitzen. Ich schaue ihn fragend an. Gibt es etwas, was ich wissen müsste und noch nicht weiss? Mir fällt wirklich nichts ein. Haben die etwa Geheimnisse vor mir? "Es ist ein Maulwurf unter uns. Irgendwer hier hat Scheisse gebaut und alles gegenüber von Tenjiku ausgeplaudert", fängt Baji an. Fassungslos und schockiert starre ich ihn an, dann reihum die anderen. "Wer?!", frage ich aufgebracht. Das kann doch nicht wahr sein, jemand von uns soll die anderen verraten haben? "Mikey glaubt, dass du es bist", sagt Baji. Hä? Warum? Dann weiss ich sofort, warum. Ich bin eine Haitani und deshalb vertrauen sie mir nicht. Verdammt nochmal, ich habe noch nie etwas ausgeplaudert, meine Brüder und ich haben uns geschworen nicht über unsere Gangs zu reden, schon gar nicht zu Hause. "Aber", stammle ich verwirrt, "Ich würde sowas nie tun! Ihr wisst das!" Baji schaut mich mitleidig an. Dieses hinterhältige Arschloch. Spielt meinen besten Freund und kann mir nicht einmal den Rücken decken. "Es geht gar nicht um deine Brüder", meint Chifuyu. Jetzt gucke ich nur noch verwirrter. "Ihre Brüder?", fragt Takemichy. Ich würde mir am liebsten die Hand vor die Stirn schlagen und mich darüber beschweren, wie dumm er eigentlich ist, aber hier geht es um mich. Ich werde allen Ernstes beschuldigt, ein Spion zu sein?! "Sie ist eine Haitani, du Idiot", zischt Akkun Takemichy an. "Hä, eine Haitani? Wirklich? Wie krass!", tuschelt Takemichy.

"Mikey glaubt nicht, dass du für deine Brüder spionierst. Er glaubt, du machst gemeinsame Sache mit Izana Kurokawa." Izana? Aber warum Izana? "Mikey sagt, ihr seid zusammen gesehen worden. Was läuft da mit dem Boss von Tenjiku?", fragt Baji. Ich würde niemals Toman verraten! Auch nicht für meinen Seelenbruder Izana, für nichts und niemanden auf dieser Welt würde ich diese Gang verraten. "Aber Baji, ich... Ich würde nie...", stottere ich und schlucke mühsam die Tränen herunter. Meine Kehle macht zu und ich bekomme bloss noch ein erbärmliches Krächzen heraus. Glauben sie wirklich, dass ich so etwas tun könnte? Wie lange kenne ich die schon? Und nicht einmal Baji kann mir mehr blind vertrauen? "Du hast mir nie gesagt, dass du dich mit Kurokawa triffst", sagt Baji und scheint mir zu misstrauen. "Das hat doch gar nichts mit Izana zu tun! Ich kenne ihn eben!", sage ich verzweifelt. Sie müssen mir doch einfach vertrauen! "Du warst in den letzten drei Wochen sieben Mal bei Kurokawa zu Hause, er vier Mal bei dir. Und das nennst du nur kennen?" Das stimmt, Izana ist in den letzten Wochen oft bei uns zu Hause gewesen und ich bei ihm, aber doch bloss...weil...weil... Ich kann es nicht beweisen. Ich kann nicht beweisen, dass ich keine Spionin bin. "Baji", krächze ich und schaue ihn verletzt an, "Du weisst, dass ich Toman nie verraten würde." Baji nickt zögernd, sieht wie nah ich den Tränen bin und nimmt mich in den Arm.

"Tut mir Leid. Ich bin sauer geworden, weil du mir nichts von Kurokawa erzählt hast. Natürlich würdest du das niemals tun", flüstert er und drückt mich an sich. "Aber warum... vertraut mir Mikey nicht mehr?", frage ich. Baji schweigt, er scheint es auch nicht zu wissen. Klar ist es auffällig, dass ich so oft mit Tenjiku zu tun habe, aber meine Brüder sind dort und Izana kenne ich schon so lange. Mikey scheint in letzter Zeit nervös zu sein, hat das Gefühl, andauernd hintergangen zu werden, seit Kazutora wieder aufgetaucht ist. Kazutora ist tot. Vor ihm habe ich noch nie jemanden sterben sehen. Das ist der schlimmste Tag in meinem Leben gewesen. Und obwohl Kazutora versucht hat, Baji umzubringen, ist er doch immer noch mein Freund gewesen, die ganze Zeit über. "Du glaubst mir?", frage ich zögernd und schniefe. "Ja. Ich glaube dir", murmelt Baji. Es ist mir völlig egal ob die anderen zuschauen. "Danke", flüstere ich und vergrabe das Gesicht an seinem Hals, um meine Tränen zu verstecken, die ich plötzlich nicht mehr zurückhalten kann. Nach all den Jahren, in denen ich bei der Tokyo Maji-Gang gewesen bin, misstrauen sie mir plötzlich. Und dass mir Mikey nicht mehr glaubt, das verletzt mich am allermeisten.