Chaos

40 3 1
                                    

Sanzu ist eingeschlafen. Endlich kriegt er ein Auge zu. Ich will nicht stören, also verschwinde ich aus seinem Keller. Meine Lippen fühlen sich immer noch taub an. Gott, wenn Ran und Rindou das erfahren, dann muss ich ausziehen oder schlimmer, sogar das Land verlassen. Ich weiss wie sauer sie werden würden, wenn sie rauskriegten, dass ich mich mit Sanzu einlasse. Wie zum Teufel soll ich denn einen für meine Brüder passenden Freund finden, wenn ich mich nur under Rowdys, Schlägern, Mördern, Psychopathen und Junkies aufhalte? Ich seufze. Es ist immer noch dunkel draussen. Man kann die Sterne am Himmel leuchten sehen. Früher habe ich immer zu den Sternen gesehen und mir gedacht, dass Kazu mich von da oben ganz sicher sieht. Aber was, wenn...was wenn er gar nicht tot ist? Ich schüttle den Kopf. Ich habe seine Asche vergraben. Ich habe die Asche eines Menschen vergraben, die nicht seine war? Wenn Kazutora Hanemiya noch am Leben wäre, dann hätte er sich verdammt nochmal in den letzten sechs Monaten mindestens einmal bei mir gemeldet. Bei unserem Haus angekommen, klettere ich über das Dach der Garage in mein Zimmer hinauf, die Haustür schliesse ich als Eingang sofort aus, weil unten im Wohnzimmer der Fernseher an ist und man ihn bis auf die Strasse hinaus noch hören kann. Das Fenster zu meinem Zimmer steht sperrangelweit offen. Ich habe es nicht aufgemacht!

Als ich durch das offene Fenster in mein Zimmer klettere wird mir klar, weshalb. Baji ist da. Er ist der einzige, der weiss, wie man über die Garage in mein Zimmer klettern kann. Na, ja, der einzige, der noch am Leben ist. "Verschwinde", sage ich und verschränke trotzig die Arme vor der Brust. Baji sieht mich traurig an. "Kiki..." Ich bedenke ihn mit einem bösen Blick. "Hör mir bitte einfach zu." Ich seufze. "In Ordnung", meine ich. Baji ist mein allerbester Freund, ich sollte ihm wirklich zuhören. Ich habe mit meinem Abgang aus Toman schon genug Chaos angerichtet, das er nun wieder grade biegen muss. Ausserdem vermisse ich ihn und er mich ebenso. Ich muss aufhören so trotzig und nachtragend zu sein. Ich tue ihm damit weh. "Kiki", beginnt Baji, "Ich verstehe, dass du nicht in der Manji-Gang bleiben wolltest. Ich verstehe auch, dass du glaubst, dass Kazu tot ist. Ich wünschte ich könnte dasselbe glauben. Ich will gar nicht über Kazu reden, ich will bloss, dass du nicht mehr sauer auf mich bist. Du bist mir so verdammt wichtig, dass ich gar nicht sagen kann wie. Ich hab dich lieb Kiki und ich will auf keinen Fall, dass irgendetwas unsere Freundschaft zerstört..." Schon bin ich aufgesprungen und habe ihn in den Arm genommen. Ich heule nicht oft und nicht gerne, aber bei Baji fange ich immer gleich an zu weinen. "Ich bin doch gar nicht sauer auf dich", heule ich und klammere mich an Baji, vergrabe das Gesicht in seinen Haaren. "Hä, nicht?", fragt Baji ungläubig und hält mich fest.

"Ich bin sauer auf Mikey, weil er mir die Scheisse erst erzählen kann, wenn ich schon weg bin. Und ich bin verdammt sauer auf so einen dunkelhaarigen Idioten, der zufällig mein bester Freund ist, aber das mal beiseite, der hat mir einfach verschwiegen, dass die Person, die ich am meisten geliebt habe, eventuell noch am Leben sein könnte." Baji kneift mich in die Seite und fängt an zu lachen. Er weiss, dass ich nicht im mindesten so sauer bin, wie ich vorgebe zu sein. Dann füge ich noch hinzu: "Und ich bin sauer auf Chifuyu. Ich bin eigentlich immer sauer auf Chifuyu, wenn ich ehrlich bin." "Das nehme ich jetzt persönlich", kichert jemand. Ich lasse von Baji ab. "Hey!", rufe ich und umarme Chifuyu lachend. Baji hat ihn allen ernstes mitgebracht. "Geht's dir besser, wenn du bei Tenjiku bist?", fragt Chifuyu. Ich nicke. "Ja. Ich habe keine Angst mehr, jederzeit rausgeworfen zu werden, weil der Boss mich nicht mag", gebe ich zu. "Danke, dass ihr hergekommen seid. Ich hab euch echt vermisst. Obwohl, Chifuyu hasse ich immer noch." Baji und Chifuyu lächeln. "Hab dich auch vermisst", grinst Baji und seine spitzen Eckzähne kommen zum Vorschein. "Ich hasse dich. Blöde Tussi", faucht Chifuyu lachend und ich boxe ihm gegen den Arm.

Baji, Chifuyu und ich sind nach unten in die Küche gegangen, haben uns Instant-Nudeln gekocht und sind wieder nach oben verschwunden, bevor meine Brüder überhaupt gemerkt haben, dass ich nicht alleine bin. "So, erzählt mal, was so abgeht", fordere ich die beiden auf. Baji schlürft seine Nudeln und überlässt die Antwort Chifuyu. "Toman plant einen Angriff auf Tenjiku. Mikey ist so verdammt sauer, dass du zu denen gegangen bist, dass er sie vernichten will, um dich zurückzukriegen. Ich hab ihm gesagt er soll das lassen und dass du gegangen bist, weil er dich rausgeworfen hat, aber er will nicht zuhören. Und Draken steht die ganze Zeit über neben Mikey und bestätigt alle seine Ideen. Baji und ich habe gar nichts mehr zu melden", motzt Chifuyu. Ich seufze und fahre mir durch die hellen Haare. "Er weiss aber schon, dass er gegen Tenjiku überhaupt keine Chance hat, ja?", murmle ich genervt. Mikey ist bescheuert. Wieso soll er denn jetzt plötzlich so sehr an mir hängen, wenn er mich vor zwei Tagen noch auf die Strasse gesetzt und aus der Gang geworfen hatte? Das gab nicht besonders viel Sinn und ich war es leid, Mikeys Launen ausbaden zu müssen. Ausserdem war ich hier bei meiner Familie und sogar der Boss von Tenjiku gehörte für mich praktisch zu meinen Brüdern, nicht wie in Toman. Dort waren zwar meine zwei besten Freunde, die ich schon mein ganzes Leben lang kannte, aber der Boss von Toman nutzte mich aus. Er benutze mich als Kampfmaschine, immerzu musste ich mich um alles kümmern und alle Drecksarbeit erledigen. Nicht einmal eine Führungsposition bekam ich dafür, dass ich eine Mitgründerin gewesen war und ihm bei jedem Kampf zur Seite gestanden hatte.

Baji und Chifuyu sind auf meinem Bett eingepennt und als ich die Tür qietschen höre kneife ich schnell die Augen zu und stelle mich schlafend. "Ey, Ran", hauchte Rindou. Ich muss mich zusammenreissen, um nicht zu schmunzeln. "Süss", kommentiert Ran, "Endlich hat sie mal wieder Leute bei sich, die ihr guttun. Dann hängt sie nicht immer bloss mit Izana und Sanzu rum." Ach ne. Was haben sie gegen Sanzu? "Muss ja keiner wissen, dass Leute von Toman bei uns im Haus übernachten, hm?", brummt Rindou. Ran lacht kurz auf und flüstert dann: "Jetzt halt die Klappe und lass die Zwerge in Ruhe schlafen. Vorallem weck Kiki nicht auf, sonst macht sie morgen die Wäsche nicht mehr, wenn sie schlecht drauf ist." Im Dunkeln ist es wohl kaum zu erkennen, aber ein Schmunzeln bildet sich um meine Mundwinkel. Ran und Rindou verlassen mein Zimmer und machen die Tür zu. Ich kuschle mich an Baji und Chifuyu, mache jetzt wirklich die Augen zu und inmitten von wohlig warmer Vertrautheit bin ich im nu eingeschlafen. Heute träume ich nicht von Kazutora und auch nicht von Mikey, der mich auf seinem Motorrad durch die Strassen Tokyos jagt. Solange Baji und Chifuyu da sind, suchen mich keine Albträume heim und ich kann in Ruhe schlafen. Wären sie doch am Besten einfach immer da, dann wären alle meine Sorgen bald verschwunden.

Haitani's Little SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt