Kapitel 6

69 7 5
                                    

"Jake, du verdammter Mistkerl! Wie kannst du nur?"

Julia stürmte auf Jake zu, der eben noch seelenruhig mit Luzi auf dem Bett gesessen hatte, und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

"Ich dachte, du würdest mich lieben! Dass du mir so weh tust..."

Der Rest des Satzes ging in ihrem Schluchzen unter.

"Aber Süße! Es ist nicht so, wie es aussieht. Wir haben nur geredet. Glaub mir doch, ich liebe nur dich und würde dir nie weh tun."

Jake war aufgesprungen und hielt Julia an der Hand fest, damit sie nicht einfach weg rennen konnte. Seine Erklärungsversuche schien sie nicht zu glauben, denn mit ihrer freien Hand gab sie ihm eine weitere Ohrfeige.

Aber trotz dem hohen Gehalt an Action und Gewalt konnte der Streit des Paares meine Aufmerksamkeit nicht von Luzi ablenken. Mit regem Desinteresse saß sie noch immer auf dem Bett und beobachtete die Szene. Als würde sie überhaupt nichts damit zu tun haben. Nein. Als würde sie es noch nicht einmal sehen. Egal wie laut Julia schrie, egal wie oft sie Jake ohrfeigte, egal wie verzweifelt er versuchte, ihr die Situation zu erklären... Luzi blieb vollkommen kalt.

Dass Julia es schaffte sich von Jake loszureißen und endlich aus der Wohnung zu stürmen, bekam ich kaum mit. Aber dass Jake mich packte und mir seine Faust ins Gesicht donnerte, riss mich dann doch aus meinen Gedanken und von den Füßen.

"Du Wichser, hast du sie hergebracht und ihr eingeredet, ich würde sie betrügen? Ich mach dich kalt!"

Und schon stürzte er sich auf mich, um seine Drohung wahr zu machen. Und da war er nicht der Einzige. Offenbar hatte Julias Geschrei einige Zuschauer angelockt und Jakes Kumpel zögerten nicht, dem Gastgeber zur Hilfe zu eilen. Nicht, dass er diese Hilfe gebraucht hätte. Schon allein seine Schläge reichten aus, um mich ins Land der Träume zu schicken. Da wäre ich zu gern geblieben, aber die Schläge der anderen holten mich schmerzhaft zurück. Einer davon traf mein Gesicht und ich konnte meinNasenbein knacken hören. Auf den Schmerz der davon ausging konnte ich mich allerdings nicht konzentrieren. Dafür war ich zu sehr mit den Tritten, die meinen Bauch- und Lendenbereich trafen beschäftigt.

Meine Hände verkrampften sich schützend übermeinem Kopf, während ich die Beine so nah wie möglich an meinen Körper zog und mich zur Seite rollte. So hatten sie jetzt zwar auch nochmeinen Rücken, den sie mit ihren Prügeln bearbeiten konnten, aber zumindest die lebenswichtigen Organe waren einigermaßen geschützt. Auf die Idee, mich zu wehren, kam ich nicht einmal. Allein schon der Versuch wäre absolut sinnlos gewesen. Meine einzige Chance bestand darin, mich so gut wie möglich zusammenzurollen und darauf zu hoffen, dass irgendjemand die Polizei rufen würde.

Und tatsächlich hörte ich nach einer Weile das unverkennbare Heulen der Polizeisirene. Im selben Moment, in dem Jake meinen Arm vonmeinem Kopf wegriss, um mir mit einem Schlag ins Gesicht den Rest zu geben.

Ich wagte es nicht, die Augen zu öffnen, als ich wieder zu mir kam. Die Schläge hatten aufgehört. Vielleicht hielten sie mich für tot. Machten das Tiere nicht auch so? Sie stellten sich tot, damit der Angreifer das Interesse an ihnen verlor. Definitiv ein Trick, den man sich abgucken sollte. Aber was, wenn das angreifende Tier Hunger hatte und das sich tot stellende auffraß? Der Gedanke beschäftigte mich noch gute drei Sekunden, denn dann spürte ich, wie sich jemand an meiner Nase zu schaffen machte. Ein scharfer Schmerz ließ mich zusammenzucken. Ich erinnerte mich an das Knacken. Sicher war meine Nase gebrochen.

Vorsichtig öffnete ich die Augen. Das Erste, das mir klar wurde war, dass ich nicht mehr in Jakes Wohnung war. Ich lag auf der Couch in meinem Loft und meine Nase wurde auch nicht von irgendeinem Schläger noch mehr verunstaltet. Stattdessen hingen dunkle Haare in meinGesicht und ich blickte in Luzis leuchtend pinkfarbene Augen. Sie war gerade damit beschäftigt, meine Nase zu schienen. Ich unterdrückte den Impuls sie zu fragen, ob sie überhaupt das nötige Know How für so etwas hätte und ob wir nicht lieber einen Sanitäter holen sollten. Eigentlich tat ich das nur aus Angst vor ihrer Reaktion. Irgendetwas an ihr war mir einfach nicht geheuer. Sie war so... gefühllos. Nachdem ich dann aber eine Weile regungslos liegen geblieben war, und ihr zugesehen hatte, fiel mir noch ein zweiter Grund auf, aus dem ich sie nicht unterbrechen sollte: Es fühlte sich gut an, von ihr versorgt zu werden. Ihre Hände waren überraschend zart und weich. Gar nicht kratzbürstig, wie es ihr Verhalten manchmal vermuten lassen würde. Auch die Art, wie sie sich um mich kümmerte war geradezu zärtlich. Ich glaube, so musste es sich anfühlen, wenn man von jemanden berührt wurde, dem man viel bedeutete. Nicht auf die Weise, wie die eigene Mutter einen mochte. Nein, es war eine andere Art von Berührung.

Mein Spiel - Meine RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt