15 ☾ ER

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»Vater müsste jeden Augenblick mit Freidick da sein! Also beeilt euch mal ein wenig!«, ertönt von drinnen eine weibliche Stimme.

Mit einer hochgezogenen Augenbraue blicke ich zu Cilai, der neben mir mit einem süffisanten Grinsen steht. »Ich bitte um Verzeihung. Phyu wird deinen Namen wohl versehentlich falsch übermittelt haben.«

»Ein Versehen?« Natürlich. Auf jeden Fall. »Ja, so was kann passieren. Gehen wir hinein oder warten wir noch länger?«

»Wir geben ihnen noch ein bisschen Zeit, damit sie uns weniger gestresst die Tür öffnen können«, erwidert Cilai mir. Ich nicke ihm zu und wende mich wieder seiner Hütte zu. Sieht wirklich gemütlich aus. Schade, dass ich nicht hierbleiben kann. Doch diesen Abend werde ich mit Jeu und Fritzi voll und ganz genießen. Das nehme ich mir vor.

Sobald der Abend mit gemeinsamen Essen vorüber ist, geht es für mich woanders hin ... Ja, das wird ein Spaß ... Natürlich nicht.

Nach dem Cilai und ich – wie ich es zumindest für meinen Teil empfinde – ein offenes und gutes Gespräch hatten, musste ich ja dummerweise Jeus Mutter mit ins Spiel bringen. Auch wenn ich es nach wie vor komisch finde, dass es angeblich keine weiteren Erklärungen dazu gibt, werde ich es – erst einmal – dabei belassen. Mir wird wohl auch nichts anderes übrig bleiben. Nach Cilais Ansage. Keine weiteren Fragen zu Jeus Familie! Ich hoffe mal, dass Kasu da eine Ausnahme bildet, insbesondere, wenn es sich um das Thema Staatsoberhaupt dreht, aber mal schauen.

Er kann mir nicht helfen. Es heißt, es war ein Unfall und das glaubt er auch so. So seine Antwort – recht schroff – zum Tod von Jeus Mutter. Vielleicht habe ich ihn mit der Frage erschrocken? Oder es war zu intim? Und dann habe ich zu viel hinein interpretiert? Ich bin mir nicht sicher.

Ich glaube aber – und das muss und will ich im Auge behalten –, dass Cilai mehr weiß; dass er grundsätzlich viel weiß; dass er die rechte Hand von Kasu ist und daher mit vielem betraut ist beziehungsweise wurde. Ob das etwas Positives oder Negatives bedeutet? Das werde ich eventuell noch herausfinden. Hoffentlich früh genug.

Dass er für Kasu und Jeu nur das Beste will, genauso für das Volk hier auf Lun-Vale, das glaube ich ihm nach wie vor. Hauptsache, der Schein trügt nicht.

Von der Seite versuche ich immer mal wieder unauffällig zu ihm rüber zu schauen. Er steht still da und wartet darauf, dass seine Frau und Tochter fertig werden. Falls er meine Bedenken mitbekommen sollte, lässt er sich nichts anmerken.

Nach der einen Ansage, dass ich keine Fragen mehr über Jeus Familie zu stellen habe, kam auch prompt die nächste: Dann geht es für dich mal ab ins Training. Auch wenn ich damit hätte rechnen können, habe ich es nicht getan. Damit hatte er mich eiskalt erwischt.

»Ich bin kampferprobt und -erfahren«, war meine Antwort. Wäre es lieber nicht, dachte ich dazu. Zumindest versuchte ich dadurch, das Training zu vermeiden.

»Nicht in unserem«, erwiderte er. Er hat recht, dachte ich bei mir.

»Jetzt gleich?«, hakte ich nach, weil er aufstand und seine Gestik mir das zu verstehen gab.

»Je schneller, desto besser. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

Die Antwort hätte ich mir ebenso denken können. Natürlich direkt, der Kampf steht bevor. Doch ich möchte mich Jeus und Fritzis Wohlergehen unbedingt vergewissern. »Kann ich für die Trainingszeit Fritzi dabei haben?«, fragte ich also.

»Ich denke, deine Hündin ist bei Jeu besser aufgehoben.« Er blickte mich dabei intensiver an, vielleicht um herauszufinden, ob noch mehr dahintersteckt.

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