Kapitel 7 - 7 Jahre später - aus Saras Perspektive

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7 Jahre später – Ende April

Beim Aufwachen habe ich bereits das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Nicht schon wieder! Das ist schon der zweite Morgen, an dem es mir so geht. Keine Ahnung, wie lange ich das noch vor Ben verbergen kann. Selbst jetzt, obwohl wir seit drei Jahren verheiratet und seit bald acht Jahren ein Paar sind, spreche ich nur sehr ungern mit ihm über gesundheitliche Probleme. Was nicht heißt, dass wir ab und zu viel Spaß bei gewissen Doktorspielen haben. Ben hatte eine harte Nacht im örtlichen Krankenhaus hinter sich, also schlich ich so leise wie möglich ins Badezimmer. Eine blasse Kopie meiner selbst schaut mich im Spiegel an. Ich versuche, tief ein- und auszuatmen. Zum Glück hilft es, und ich fühle mich langsam ein wenig besser. Ich ziehe mein Nachthemd aus und dusche. Das wird mein Kreislauf hoffentlich etwas ankurbeln. Vor zwei Jahren habe ich mein Studium zur Grundschullehrerin abgeschlossen. Ben hat sich dann mit seiner Stellensuche nach mir orientiert und so wohnen wir in der Nähe meines Elternhauses. Normalerweise liebe ich meinen Beruf, aber heute habe ich wirklich keine Lust, in die Schule zu gehen. Lustlos ziehe ich mich an und gehe dann auf Zehenspitzen in die Küche. Bei dem Gedanken an einen Kaffee, dreht sich mir allerdings erneut der Magen um. Also stelle ich den Wasserkocher an und mache mir eine Tasse Tee. Der Blick in den Kühlschrank verrät mir nicht, was ich essen möchte. Eher das Gegenteil ist der Fall. Der Geruch der verschiedenen Dinge trägt nicht gerade zur Besserung meines Zustandes bei. Vielleicht sollte ich Ben doch von meinen Symptomen erzählen? Ich ringe mit mir selbst. Schließlich nehme ich meine Tasse Tee, schaufle viel Zucker hinein und trinke ihn in kleinen, langsamen Schlucken. Schon nach kurzer Zeit fühle ich mich deutlich besser. Es kann doch keine ernsthafte Krankheit geben, die man mit Tee und Zucker heilen kann, oder?Ich schaue auf die Küchenuhr. Es ist schon ziemlich spät. Von oben höre ich Schritte. Ben ist wohl aufgewacht. Schnell ins Bad, Zähne geputzt und geschminkt. Schon viel besser! Schon tritt Ben ins Badezimmer. „Hey Schatz. Ich habe dich im Bett vermisst", sagt Ben verschlafen. Er sieht aus wie ein großer Junge, mit seinem alten T-Shirt und den zerzausten Haaren. Ich muss ihn einfach küssen.„Tut mir leid, ich musste aufstehen und jetzt muss ich in die Schule!" Ich lächle ihn an.„Das ist wirklich schade. Ich könnte mir vorstellen, mit dir ganz andere Sachen zu machen." Ben grinst mich vielsagend an.„Keine Chance, Schatz. Ich bin schon spät dran!", entgegne ich. Ich spüre Bens kritischen Blick auf meinem Gesicht. „Alles in Ordnung? Du bist heute aber stark geschminkt!" Mist. Er merkt aber auch wirklich alles!„Ja, alles in Ordnung. mach dir keine Sorgen!" Ich spüre, wie sein Blick über meinen Körper wandert. Meine Wangen röten sich. Scheiße. Er ahnt etwas. Solle ich ihm die Wahrheit sagen?„Nun, ich vertraue dir. Das kann ich doch, oder?" Sanft hebt er mein Kinn an und zwingt mich so, ihn anzuschauen. „Klar. Sehen wir uns heute Abend?"„Ja, das hoffe ich", antwortet Ben. Ich umarme ihn noch einmal und verlasse dann das Bad. Nachdem ich meine Jacke angezogen habe, verlasse ich das Haus. Alex, mein Cousin, ist neben uns eingezogen. Er ist angestellter Arzt in einer Praxisklinik. Da wir zu ähnlichen Zeiten morgens beginnen, nehme ich ihn manchmal ein Stück mit. Er joggt dann zurück. Dementsprechend wartet er schon ungeduldig vor meinem Auto.„Hey, wir kommen zu spät. Hast du verschlafen?" Er schaut mich genervt an. „Nein, komm, lass uns fahren." Schnell steigt er ein und auch ich schnalle mich an. Ich spüre seinen Blick auf mir.„Du siehst heute anders aus!" Ich verdrehe die Augen.„Halt einfach die Klappe und lass uns fahren!", erwidere ich scharf. Unter Cousins darf man das.„Okay!", sagt er und sieht mich abschätzend an. Noch immer spüre ich seinen Blick auf mir. Er zückt sein Smartphone und tippt darauf herum. Gott sei Dank! Keine Fragen mehr. Leider hält die beruhigende Wirkung des Tees nicht so lange an und die Übelkeit kehrt zurück. Als ich auf meine Hand am Schaltknauf schaue, bemerke ich, dass sie leicht zittert. Kein gutes Zeichen. Nur noch fünf Minuten bis zu Alex' Praxis. Das muss ich schaffen! Sein Smartphone macht derweil komische Geräusche.„Ben findet auch, dass du heute Morgen komisch ausgesehen hast", sagt Alex. Als hätte ich einen Nerv dafür. Ich hasse es, wenn die beiden über meinen Kopf hinweg kommunizierten. Vor allem, wenn sie es über ihre Handys tun.„Kannst du mir bitte ein Täfelchen Traubenzucker aus meiner Handtasche geben? Ich hatte keine Zeit, etwas zu essen", sage ich so beiläufig wie möglich.Alex kramt in meiner Tasche. Er holt die Dose mit den Täfelchen heraus und reicht mir zwei. Ich bin mir sicher, dass ich jetzt ein paar Fragen beantworten muss. Nachdem er die Dose wieder in meine Tasche gesteckt hat, spüre ich seine kühlen Finger an meinem Handgelenk. Ich wehre mich nicht dagegen. Ich weiß, dass das alles nur noch schlimmer machen würde. Endlich kommen wir an der Praxisklinik an.„Ich wünsche dir einen schönen Tag!", sagt Alex fröhlich. Ich lächle ihn an und fühle mich einigermaßen sicher. „Pass auf dich auf! Und Sara, ich werde Ben natürlich davon erzählen!", sagt er mit nun ziemlich ernster Stimme zu mir. Shit! Zu früh gefreut! Ich verdrehe nur die Augen. Soll er halt. Ich schaue auf die Uhr. Mist, ich bin wirklich zu spät. Schnell gehe ich in mein Klassenzimmer. Ich habe immer noch ein komisches Gefühl im Bauch. Die meisten meiner Schüler warten schon ungeduldig auf mich und haben tausend Fragen, bevor der Unterricht beginnt. Ich fühle mich bereits jetzt völlig erschöpft. Was ist nur los mit mir?Schnell versuche ich, mich auf meine Vorbereitungen zu konzentrieren, und beginne mit dem Unterricht. Der Schwindel und die Übelkeit sind vergessen. In der Pause schaue ich kurz auf mein Handy: Zwei Nachrichten von Ben.Ben: „Schatz, geht es dir gut? Alex hat mir geschrieben, dass du während der Fahrt unterzuckert warst? Was hast du denn? Hast du nicht gefrühstückt?"Ich beschließe, die Nachricht zu ignorieren. Eine Stunde später fällt mein Blick wieder auf mein Handy. Wieder ist eine Nachricht darauf. Ben: „Du hast um 16 Uhr einen Termin bei Alex in der Praxis. Gleich nach der Schule. Wehe, du kommst nicht!!! Ich liebe dich und freue mich, dich heute Abend zu sehen."Mir ist heiß und kalt zugleich. Ich bin wütend! Wieder einmal versuchen die beiden so zu tun, als wäre ich das kleine willenlose Mädchen von damals mit dem sie alles machen konnten. Ich werde dort einfach nicht auftauchen und so tun, als hätte ich diese Nachricht nicht erhalten. Glücklicherweise ist mein Messenger entsprechend eingestellt. Mein Entschluss steht fest. Also schreibe ich an Alex: Sara. „Ich gehe nach der Schule mit einer Kollegin essen. Deshalb kann ich dich heute nicht abholen. Bis morgen."Ich schalte nun mein Handy aus. Dann versuche ich noch eine Tasse süßen Tee zu trinken und ein paar trockene Kekse dazu zu essen. Trotzdem kann ich mich nicht auf die folgenden Unterrichtsstunden konzentrieren. Mir ist klar, dass diese Untersuchung nur aufgeschoben und nicht aufgehoben ist. Trotzdem will ich den beiden jetzt diese Lektion erteilen.Nach fünf langen Stunden ist endlich der Unterricht beendet. Für einen kurzen Moment lege ich den Kopf auf meine verschränkten Arme und atme tief durch. Ich fühle mich so erschöpft. Was ist nur los mit mir? Mein Magen knurrt. Aber bei dem Gedanken an Essen wird mir schlecht. Ich packe meine Sachen zusammen und schaue auf die Uhr. Kurz darauf klopft eine Kollegin an meine Tür. „Hey, gehen wir etwas essen?" Sie lächelt mich an. „Ja, gerne!" Fake ich ein Lächeln. „Schön, dass es heute klappt!" Na hoffentlich geht das gut. „Stimmt! Es ist wirklich lange her, dass wir etwas zusammen gemacht haben. Du siehst aber sehr blass aus. Sollen wir wirklich gehen?", fragt Cecelia besorgt.„Ja, mir geht es gut. Ich habe nur noch nichts Richtiges gegessen und ich bekomme wahrscheinlich jeden Moment meine Tage." Ich verdrehe die Augen. „Oh ja, das kenne ich. Aber weißt du, dein Mann hat mir da wirklich sehr geholfen." Sie zwinkert mir zu. Ben bietet immer wieder in der Klinik offene Sprechstunden an. Irgendwie ist es mir ein bisschen peinlich, wenn meine Kolleginnen dann von ihm schwärmen. Ich lächle nur zurück. Parallel spüre ich einen krampfenden Schmerz in der Gebärmutter. Wenn man vom Teufel spricht! „Okay. Ich gehe kurz auf die Toilette. Lass uns einfach in fünf Minuten auf dem Parkplatz trffen!", schlage ich vor.„Gut, wir sehen uns dort."Ich hoffe, dass mein Plan funktionieren würde. Alex und Ben würden nie vermuten, dass ich mich mit dieser, ziemlich anstrengenden, Kollegin zu einem leichten Mittagessen treffe. Es ist das perfekte Alibi. Also gehe ich auf die Toilette und nehme meine Handtasche mit. Zur Sicherheit habe ich meine Menstruationstasse und Slipeinlagen eingepackt. Aber die Blutung hatte noch nicht eingesetzt. Komisch! Schnell wasche ich mir die Hände und mache mich dann auf den Weg zum Parkplatz. Dort wartet schon meine Kollegin auf mich. Für April ist es außergewöhnlich warm. Ich ziehe meine Jacke aus und hänge sie über meinen Arm. „Lust auf Salat?" Sie lächelt mich an. Salat? Mir war einfach schlecht und sie dachte an Salat! Aber ich lächle natürlich.„Klar! Salat klingt gut!" Nach einem kurzen Fußmarsch kommen wir schließlich im Restaurant an und bestellen uns etwas zum Essen. Als das Essen kommt, schiebe ich den Salat allerdings nur hin und her. Das Brot dagegen geht wirklich gut. Cecelia redet die ganze Zeit und ich lasse meine Gedanken schweifen. Ab und zu spüre ich wieder die leichten Krämpfe in meiner Gebärmutter. Endlich haben wir bezahlt. Meine Lust, nach Hause zu gehen, hält sich in Grenzen. Es ist klar, dass ich dort auf meinen, ziemlich wütenden, Mann treffen werde. Dem muss ich mich stellen. Beim Aufstehen überkommt mich leider wieder eine Welle der Übelkeit. Ich halte mich für einen Moment am Tisch fest und lasse die Augen geschlossen. „Sara, Sara, geht es dir gut? Du siehst totenbleich aus!"Ich kann nicht antworten und konzentriere mich auf das Ein- und Ausatmen. Langsam öffne ich die Augen. Ich sehe, wie meine Kollegin ihr Handy aus der Tasche zieht und zu telefonieren beginnt. Oh mein Gott, sie hat doch nicht etwa die 112 angerufen, oder?„Cecelia, hör auf! Mir geht es gut!" Ich versuche mein Bestes, sie mit meiner strengen Lehrerinnenstimme zu überzeugen.„Keine Sorge, ich rufe nur deinen Mann an. Ich habe seine Nummer noch von meinen Schwangerschaften im Handy eingespeichert." Sie zwinkert mir zu. Moment, was hat sie gerade gesagt? Schwangerschaft? Heilige Scheiße! Dann wird alles dunkel um mich herum.



***Das ist das letzte Kapitel des Previews hier auf Wattpad. Wenn dir das Buch gefallen hat, dann lies es gerne auf Amazon weiter***


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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 25 ⏰

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