Prolog

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Heute wäre nun der große Tag gekommen, natürlich für meine Eltern und nicht für mich.

Wir würden umziehen heißt eine neue Stadt, neue Menschen, neue Schule und ich müsste alles zurücklassen, es war zwar nicht viel da ich nicht gerade gut darin bin Freunde zu finden aber die Freunde, welche ich mir hart erkämpft hatte und mit meiner Art zurechtkamen, was nun sagen wir nicht einfach ist, musste ich nun hinter mir lassen.

„Zieh nicht so ein Gesicht, Serena.", mahnte mich mein Adoptivvater mit einem spielerischen Lächeln.

Richtig gelesen, meine Eltern waren nicht wirklich auch meine biologische Herkunft und um ehrlich zu sein habe ich meine wahren Eltern auch noch nie gesehen, geschweige denn etwas von ihnen gehört.

Eine Erzieherin aus dem Heim erzählte mir, dass meine Mutter sehr jung gewesen sei und mich deswegen in die Babyklappe gegeben hatte. Zusätzlich war ich ein Unfall, welcher in einen unüberlegten One-Night-Stand entstand als meine eigentliche Mutter vierzehn war und mit fünfzehn bekam sie mich dann, also um es kurz zu fassen sie war selbst noch ein Kind und konnte die Verantwortung und die damit verbindlichen Kosten nicht tragen.

So war ich die ersten acht Jahre meines Lebens in einem Heim und seit nun elf Jahren lebte ich mit meinen „Eltern" zusammen.

Einerseits bin ich froh, dass sie so entschieden hat, weil es sicher die bessere war, aber trotzdem wüsste ich gerne, wie sie ausschaut und wie ihre Stimme klingt.

„Steigst du noch ein?", fragte mich meine Mutter.

Aus meinen Gedankenfluss befreit, warf ich noch einen letzten Blick auf das Haus, welches mein wirklich erstes Zuhause war.

Ein letztes Mal sah ich in Gedanken wie ich von meinem Balkon zu der Birke sprang und den alten Baum runterkletterte, um mich wegschleichen zu können oder wie wir im Sommer auf der Terrasse grillten oder wie mit Freunden in den Pool sprang.

Ich werde es hier vermissen.

„Wie lange dauert die Fahrt?", warf ich in den Raum, als ich mich anschnallte.

„Vier oder fünf Stunden.", spekulierte mein Vater.

Seufzend holte ich meine Kopfhörer raus und ließ mich berieseln von meiner Playlist.

Was soll ich nur so lange machen?

Leise sang ich mit und starrte aus dem Fenster.

Die farbenfrohe Stadt zog an uns vorbei und kurze Zeit später waren wir auf der Autobahn.

Ich holte meinen DS raus und fing an zu spielen damit die Zeit schneller verging, jedoch hielt der Akku keine vier Stunden.

Gedankenlos starrte ich wieder aus dem Fenster.

Mein Vater sollte echt mal das Auto waschen fiel mir auf, bei den ganzen Flecken auf dem Fenster.

Auf dem Weg huschten Rehe ab und zu vor das Auto, doch mein Vater schaffte es immer mit einer gewaltigen Notbremse die Waldtiere nicht zu überfahren.

Nennt mich verrückt, aber die waren suizidgefährdet, die grinsten sogar jedes Mal und nein sowas bilde ich mir nicht ein.

Rehe sind Waldtiere?!

Waldtiere leben im Wald?!

Bei dem Gedankengang wurde ich kreidebleich und ich hatte das Bedürfnis mich zu übergeben.

„Sagt mir nicht wir leben in der Nähe von einem Wald!", schrie ich schon panisch.

Beide enthielten sich ihrer Stimme.

„Nicht wirklich, oder?", jammerte ich.

Durch den Rückspiegel sah ich wie mein Vater sich am Hinterkopf kratzte mit einem alles sagenden Gesichtsausdruck.

Ich wusste gerade nicht, ob ich weinen oder lachen sollte, beide waren sich doch schon lange im Klaren wie ich auf Wälder reagierte und nun würden wir wahrscheinlich in ein Dorf ziehen, welches zu einer hohen Wahrscheinlichkeit von Wäldern umringt wäre.

Beruhig dich Serena, du bist keines von diesen selbstmordgefährdeten Rehen, noch sitzt du im Auto und das Haus wird hoffentlich nicht direkt an einem Wald angrenzen, versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

„Es tut mir leid Kleines, aber ich habe dort ein sehr gutes Jobangebot bekommen.", brachte mein Vater nun raus.

„Da wäre es mir sogar lieber gewesen, wenn ihr mich wieder ins Heim gebracht, hättet:"

„Serena.", die Stimme meiner Mutter brach ab, als sie sah, wie ich weinte.

Für andere mag es komisch klingen, sogar banal, aber ich hatte nun mal panische Angst vor Wäldern.

Es war so...

Als ich noch im Heim war, gab es ein jährliches Rennen durch den Wald und als ich sieben Jahre alt war, durfte ich mitmachen, doch mitten im Rennen begann es zu gewittern und ich geriet vom Weg ab und rutschte dabei einen Hang runter.

Als kleines Kind hat man eine sehr lebhafte Fantasie und genau diese war mein Untergang, der Wald war ein reiner Horrorfilm für mich.

Bäume hatten Gesichter, die Äste waren Hände, welche nach mir griffen, aus der Dunkelheit hörte ich Stimmen und Nebel, der aus dem nichts auftauchte.

Niemand hörte meine Schreie.

Es dauerte zwei Tage, bis man mich fand, komplett dehydriert, mit Wunden an meinen Beinen und es schien, als wäre das Leben aus meinen Augen genommen worden,

Endlich hielt das Auto und ich sprang aus dem Gefährt.

Vor mir stand ein moderner Holzbungalow, ein überdachter Vorhof breitete sich vor mir aus, noch waren keine Möbel darauf zu sehen, doch wie ich meine Eltern kannte, würde sich dies in den nächsten zwei Wochen ändern.

Wir schritten den Steinweg entlang und der bekannte Geruch von Chlor stieg mir in die Nase.

Also hatten wir auch hier einen Pool.

Mein Vater sperrte die mit Milchglas verzierte Türe auf.

So viel ich wusste war das ganze Haus innen schon möbliert, zumindest erwähnte es meine Mutter während der Fahrt kurz.

Der Vorraum war ganz nach dem Geschmack von meiner Mutter, sehr langgezogen und überall auf den Wänden fanden Familienbilder ihren Platz. Neben dem Eingang stand ein Butler also eine Kleiderstange inklusive etwas, um die Schuhe abzustellen ansonsten standen wenige Schränke verloren in dem Gang.

„Dein Zimmer ist oben, die zweite Tür rechts.", sagte mein Vater.

Mit meinem Rucksack bepackt, stampfte ich immer noch leicht wütend die Treppen rauf, sprengte schon fast meine Türe auf und nachdem ich meinen Ballast in die nächste Ecke schmiss, sprang ich aufs Bett.

Ich schnappte mir ein Kissen und drückte mein Gesicht rein, um schreien zu können ohne, dass mich jemand hörte.

Ich konnte es immer noch nicht fassen aber ändern konnte ich es jetzt auch nicht.

Seufzend drehte ich mich auf meinen Rücken und blickte hinauf in den klaren Sternenhimmel durch mein Dachfenster.

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