Hollis
Ich war spät dran. Obwohl das eigentlich die reinste Untertreibung war, genau genommen war ich nämlich viel zu spät dran. Ich hätte mich eigentlich bereits vor einer viertel Stunde mit Rosie im Kaffee treffen sollen. Sie wollte mit mir noch einmal alles besprechen, bevor wir meinen neuen Bodyguard trafen. Daraus würde aber nun wohl nichts werden. Rosie war so etwas wie meine Nanny gewesen, auch wenn sie eigentlich viel mehr war als das, aber Nanny kam am nächsten ran. Seit dem Tod meiner Mutter, hat sie sich im Auftrag meines Vaters stetig um mich gekümmert, bis ich vor einem Jahr in mein eigenes Haus gezogen bin. Auch wenn ich inzwischen schon erwachsen war, fühlte sich Rosie immer noch für mich verantwortlich und wir gingen auch noch mindestens einmal die Woche zusammen Abendessen. Über die Jahre waren wir einander ans Herz gewachsen und sie war Teil meiner Familie geworden. Weshalb sie auch meinen neuen Bodyguard organisiert hatte, denn mein alter Charles, der im Moment mit zwei Metern Abstand hinter mir her lief, ging in Rente.
Eigentlich wäre ich auch rechtzeitig bei Rosie gewesen, wenn ich nicht im Buchladen die Zeit vergessen hätte. Mit einer Tasche voll beladen mit Büchern stellte ich mich an den Strassenrand und versuchte eines der gelben New Yorker Taxis auf mich aufmerksam zu machen. Es war ein kalter Herbsttag und eigentlich hätte ich mich am liebsten mit einem meiner neuen Bücher ins Bett verkrochen, aber die Pflicht rief. Zehn Meter neben mir kam plötzlich ein abgedunkeltes schwarzes Auto zum Stehen, das so aussah, als wäre es gerade aus einem James Bond Film gekommen. Beschützerisch trat Charles ein paar Schritte näher an mich ran. Genervt verdrehte ich die Augen, das Auto stellte aber nun wirklich keine Gefahr für mich dar. Ein attraktiver junger Mann, in schwarzem Armani Anzug, stieg aus und knallte wütend die Autotür hinter sich zu. Er hatte kurzes, dunkelbraunes Haar, ein markantes Kinn und einen Dreitagebart. Wenige Sekunden später gab der Fahrer des unbekannten Autos schon wieder Gas und fuhr davon.
"Ich bin eh schon spät dran und nicht einmal bis zum Treffpunkt könnt ihr Idioten mich fahren", schrie er dem Auto hinterher. Obwohl er wütend war, hatte er trotzdem eine angenehm dunkle Stimme. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn länger als nötig gewesen wäre anstarrte. Schnell wandte ich meinen Blick wieder der Straße zu. Charles trat unauffällig wieder ein paar Schritte zurück, anscheinend hatte er ihn als ungefährlich eingestuft.
Da waren wir ja schon zwei, die zu spät dran waren, dachte ich mir, als endlich ein gelbes Taxi neben mir anhielt. Erleichtert öffnete ich die Tür und wollte gerade einsteigen, als ich bemerkte, dass ein großer Körper mir den Weg versperrte. Der Mann von vorhin hatte sich zwischen mich und die Auto-Tür gestellt und war gerade dabei einzusteigen. Wie war er so schnell von dort drüben hierher gekommen? Und was dachte er, dass er da gerade machte? Das war mein Taxi.
"Hey, du Arschloch komm sofort aus meinem Taxi raus.", sagte ich genervt und zerrte an seinem Arm. Aber es nützte natürlich nichts, er war viel stärker als ich und ignorierte meine Bemühungen, ihn da rauszuziehen, gekonnt. Inzwischen saß er schon komplett im Auto und stieß mich mit seiner rechten Hand mit einer Leichtigkeit zur Seite, während er mit seiner linken die Tür hinter sich schloss. Verdattert torkelte ich nach hinten. Wo war Charles, wenn man ihn einmal brauchte? Er hätte diesen Typen mit Sicherheit fertig gemacht. Aber der Stand immer noch, am selben Ort wie vorhin.
"Hey, das kannst du nicht machen", sagte ich erneut, aber wieder kam keine Antwort von ihm.
Ich ging nach vorne und klopfte an die Fensterscheibe des Fahrers, der mich wohl für Verrückt halten musste, aber es nützte nichts, das Auto fuhr ohne mich los und ließ mich auf den verregneten Straßen zurück. Arschloch hatte ernsthaft noch den Nerv, das Fenster runter zu lassen und mir einen Kussmund zuzuwerfen. Was ein eingebildeter Kotzbrocken. Als Antwort streckte ich ihm meinen Mittelfinger hinterher. Ich nahm alles zurück, was ich über ihn gedacht hatte, er war nicht attraktiv, er war einfach nur ein Arschloch. Na toll, jetzt würde ich sehr wahrscheinlich nicht nur zu meinem Treffen mit Rosie, sondern auch zu dem mit dem Bodyguard zu spät kommen.
"Was stehst du da einfach so blöd rum", fuhr ich Charles an, der sich die ganze Zeit keinen einzigen Zentimeter bewegt hatte "du hättest mir ruhig einmal helfen können."
Charles grinste "Du hast so ausgesehen, als hättest du die Situation voll und ganz im Griff", sagte er mit seinem Britischen Akzent ganz belustigt, während er sich seine grau melierten Haare aus dem Gesicht wischte.
"Ein schöner Bodyguard bist du mir. Und was, wenn er mich mit einem Messer attackiert hätte?"
"Deshalb ist es ja gut, dass du einen neuen bekommst", witzelte er. Aber mir war plötzlich gar nichts mehr nach Spaß zu Mute. Charles war seit 8 Jahren mein Bodyguard und er war Teil meiner Routine geworden. Es würde mir schwer fallen, wenn ich ihn plötzlich nicht mehr jeden Tag sehen würde. Aber er wollte zurück in seine Heimat, weg von der New Yorker Hektik und diesen Wunsch musste ich respektieren. Weshalb ich ihn auch nicht anflehte, nicht zu gehen , weil ich wusste, nur ein Wort von mir reichte und er würde bleiben.
"Jetzt komm", sagte Charles "lass uns dir ein neues Taxi finden"
Zwanzig Minuten später bog unser Taxi um die letzte Kurve und Rosies Lieblings- Coffee-Shop kam in Sicht. Vor der Tür wartete bereits eine dick eingepackte Gestalt, die ungeduldig hin und her lief. Das Taxi kam zum Stehen und Charles und ich stiegen aus. Mit einem missbilligenden Blick kam Rosie sofort zu uns gelaufen.
"Wo seid ihr nur geblieben. Ich warte bereits seit 40 Minuten hier auf euch", sagte sie und nahm mich in den Arm.
Rosie war mindestens einen Kopf kleiner als ich und hatte langes graues Haar, welches vom Wind ganz zerzaust worden war. "Ich dachte schon euch sei etwas zu gestossen"
"Nein, nein, Hollis hat nur im Bücherladen mal wieder die Zeit vergessen", entgegnete Charles. Ich warf ihm einen missbilligenden Blick zu, das hätte sie nun echt nicht wissen müssen. Als Antwort zuckte er aber nur entschuldigend mit den Schultern.
"Ich habe hier gewartet, krank vor Sorge, nur weil Hollis wieder einmal die Zeit vergessen hat. Nicht nur das, was der junge Herr wohl denken mag, der seit 5 Minuten drinnen wartet." Ich schnaubte belustigt auf. Bei der Gage, die er von Dad bezahlt bekam, würden ihm diese 5 Minuten Wartezeit sicher nichts ausmachen. Aber ich sagte nichts, um Rosie nicht noch mehr aufzuregen.
"Es tut mir wirklich leid, dass wir dich warten lassen haben", versuchte ich, die Stimmung wieder ein bisschen zu heben. Aber Rosie winkte nur abwesend ab.
"Und jetzt lass uns den Jungen Herr nicht länger warten lassen. Er ist sehr freundlich und zuvorkommend, nicht so wie andere junge Menschen heutzutage", sie warf mir einen vielsagenden Blick zu.
Zu dritt gingen wir in das Kaffee hinein, wo uns Rosie zu einem Tisch führte, an dem ein junger Mann, mit dunkelbraunen Haaren, mit dem Rücken zu uns gekehrt saß. Ich setzte das freundlichste Lächeln auf, das ich hatte, schließlich schuldete ich es Rosie nach alledem. Der Mann stand auf und drehte sich zu uns. In dem Moment, als ich sein Gesicht sah, rutschte mir das Herz in die Hose, es war das Arschloch von vorhin, das mir das Taxi geklaut hatte. Das durfte doch nicht wahr sein. Er schien anscheinend auch mit Schrecken seinen Fehler zu bemerken, denn sein breites Lächeln verrutschte um einige Zentimeter nach unten. Er fing sich aber schnell wieder und streckte mir seine Hand hin.
"Rune....Jones, freut mich dich kennen zu lernen"
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Ich hoffe euch hat das erste Kapitel aus Hollis Sicht gefallen. Es tut mir leid das im Moment nicht so regelmässig Kapitel erscheinen, aber die Weihnachtszeit ist eben extrem stressig. Falls ihr irgendwelche Tipps oder Fragen habt schreibt gerne einen Kommentar.
XOXO
eure Cecy
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the ruthless and the princess
RomanceNew York wird von zwei verfeindeten Gangs beherrscht, den Redwoods und den Starlings und Mittendrin sind Hollis und Rune. Hollis lebt ihr Leben im Schatten, denn niemand darf wissen wer sie wirklich ist, die totgeglaubte Tochter des Anführers der...