𝔸𝕤𝕙𝕚𝕣𝕚𝕟 𝕕𝕒 𝕦𝕜𝕦

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Ryan

Mit einem unguten Gefühl stieg ich in das Flugzeug. Das lag einerseits daran, dass dieses Teil nicht den Eindruck machte, einen Langstreckenflug zu meistern, andererseits an der Tatsache, dass mir der Wortwechsel mit Ariana nicht mehr aus dem Kopf ging.

Ich konnte spüren, dass meine Antwort nicht das war, was sie hören wollte. Oder was ich wollte. Es tat mir weh, ihr diese Worte gesagt zu haben und ihrem Blick standhalten zu müssen. Doch es war für uns beide das Beste so, redete ich mir die ganze Zeit schon ein.

Mein Blick lag ununterbrochen auf ihr. Wir hatten uns im Frachtraum auf ein paar schlammgrüne Container gesetzt, und der Lautstärkepegel machte es uns unmöglich, eine Unterhaltung auf diese Entfernung zu führen. Ob sie sich absichtlich so weit von mir weggesetzt hatte? Wenigstens bekam sie es nicht mit, als ich hoffnungslos seufzte. Vielleicht auch ein bisschen verträumt. Im Gegensatz zu ihr betrachtete ich nicht durch das schmale Fenster die Außenwelt, sondern nur sie. Ich tastete mit meinen Augen ihr Gesicht ab, von ihrer Stirn über die gerade Nase, ihre perfekt geschwungenen Lippen bis zum spitzen Kinn. Sie war perfekt, und als ich ein Lächeln auf ihren Lippen entdeckte, wurde mir warm. Was sie wohl dachte? Befanden sich ihre Gedanken bei mir? Nein, ich glaubte nicht. Das Lächeln, das ihren Mund umspielte, galt nicht mir. Kurz packte mich der Gedanke, es könnte Jin sein, doch das verbannte ich schnell wieder aus meinem Kopf. Es war zu liebevoll für ihn.

Je länger ich sie anstarrte, umso mehr verspürte ich den Drang, sie kennenzulernen. Jedes Detail von ihr und ihrem Leben zu erfahren. Wie war ihre Kindheit gewesen? Hatte sie Schicksalsschläge erlitten? Wer war ihre Familie? Hatte sie schon mal einen Freund gehabt? Wie sah ihr Zuhause aus? Warum studierte sie? Warum hatte sie genau diesen Studienzweig gewählt? Wie sah ihre Zukunft aus? Wie stellte Ari sie sich vor? Doch die Frage, die mich am meisten verunsicherte, war: War ich ein Teil ihrer Zukunft? Würde ich sie wiedersehen? Konnte ich sie einfach in den Flieger steigen lassen? Warum dachte ich so viel darüber nach? Ihre Augen fanden meine.

Ertappt hielt ich inne. Ich hatte das Gefühl, sie würde mir mit ihren blauen Augen direkt in die Seele schauen. Kurz verschlug es mir den Atem, und ich musste mich konzentrieren, bewusst wieder auszuatmen. Es kam mir so vor, als hätten sich unsere Blicke verkeilt.

Ich erhob mich.

Sie zog mich an wie ein Magnet, und ich konnte gar nicht anders, als mit ein paar Schritten den Raum zu überqueren und mich neben sie zu setzen.

Noch bevor wir in den Flieger gestiegen waren, hatte ich sie gefragt, ob es für sie wichtig war, mich zu kennen. Darauf hatte sie keine klare Antwort gegeben... War es jetzt für sie wichtig oder nicht? Innerlich verzog ich mein Gesicht. Dafür, dass ich mir Gedanken machte, zeigte, dass es für mich wichtig war.

Ich sah zu ihr hinüber, denn ich hatte ihren Blick gespürt. Er war heiß und kam wie eine Welle Wasser angespült. Ihr Duft stieg mir in die Nase, und instinktiv wollte ich mein Gesicht in ihre Halsbeuge, Haare vergraben. Hatte ich schon mal gesagt, dass sie gut roch und wunderschön war? Ich könnte sie ewig von der Seite anstarren.

Plötzlich drehte sie ihr Gesicht zu mir, und unsere Gesichter waren nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Ich könnte mich jetzt einfach vorbeugen und - Sie schnippte vor meinem Gesicht.

„Ey, Erde an Ryan." Ich erwachte aus meinen Gedanken und irritiert sah ich zu ihr. „Willst du vielleicht was sagen, oder warum sitzt du hier neben mir und starrst mich nur an?" Ihre Augenbraue wanderte in die Höhe. Sie klang gereizt. Ich brauchte nicht viel Zeit, um mich wieder zu fassen. „Ich kann auch vor dir sitzen, wenn du das besser findest."

„Was, nein-" Ohne groß nachzudenken, beugte ich mich nach vorne, zog den anderen schlammgrünen Container herbei und wechselte die Seiten. Überheblich lächelte ich sie an, als ich den Kasten unter mir näher zog, sodass sich unsere Knie berührten und das mehr als offensichtlich war. Sie warf mir einen finsteren Blick zu. Mein Lächeln blieb eisern. „Lach mich nicht so an, sonst muss ich auch lächeln." Sie verzog ihr Gesicht, und ihr Blick wanderte im Raum herum, nur nicht zu mir. Mein Lächeln wurde tiefer.

No way home - The journeyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt