Gemeinsam stand Hosea mit seiner Frau am nächsten Vormittag im H.R. Putnan's General Merchandise, dem Gemischtwarenladen von Armadillo, der zu seiner Verwunderung allerlei Waren anzubieten hatte. Während er begeistert den Katalog auf der Suche nach neuen Hosenträgern durchblätterte, stellte Bessie eine Kiste mit Lebensmitteln auf den Tisch, die die ihre Gang für die nächsten zwei Wochen benötigte. Der Verkäufer, der hinter dem Tresen stand, tippte sorgfältig die Preisschilder in seine Kasse hinein und verstand sich prächtig mit Bessie, die wie eh und je mit ihrer menschlichen Wärme wohl jeden um den Finger wickeln konnte und dabei auch stets wertvolle Informationen sammelte. So offenbarte der Verkäufer, der gemein hin als Herbert Moon bekannt war und erst seit wenigen Wochen für Mr. Putnan in dessen Laden arbeitete, dass er oft im Hinterzimmer des Saloons Poker spielte, aber nur mit den großen Tieren von Armadillo, wozu wahrscheinlich auch Mr. Albert Sutton zählte.
Mr. Matthews wurde neugierig und wäre gerne länger im Laden geblieben, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte, wenn Mr. Moon nicht gesagt hätte: „Es ist wirklich selten, so angenehmen Leuten wie Sie zu treffen. Hier tummelt sich ganz anderes Gesindel, die ich meistens gar nicht erst hereinlasse. So wie Mexikaner oder Juden, die kommen mir nicht an meine Waren, wenn Sie verstehen, was ich meine.". Bessie schien es die Sprache verschlagen zu haben, finster schaute sie Mr. Moon an, am liebsten hätte sie nach einer Whiskey-Flasche gegriffen und ihm diese über die Rübe gezogen, hätte sich ihr Gatte nicht schützend vor sie gestellt. Er bezahlte die Waren, nahm die Kiste und entgegnete: „Ja, es war auch uns eine Freude, Sir. Wir müssen jetzt aber auch weiter.", hastig bewegte er sich mit Bessie zur Ladentür, die er - wie es ihm sein Anstand gebot - ihr aufhielt.
Draußen auf der staubigen Straße machte Bessie ihrem Ärger Luft und schimpfte: „Nie wieder werde ich einen Schritt in diesen Laden setzen! Wir hätten ihm gar nichts abkaufen dürfen!". Hosea war nicht weniger überrascht davon, wie schnell ihnen Herbert Moon sein wahres Gesicht gezeigt und sich als offener Antisemit bekannt hatte. Er nahm seine Worte nicht persönlich, im Gegensatz zu ihr. Auch, weil ihre Eltern jüdischer Abstammung waren und aufgrund von Pogromen ihr Herkunftsland verlassen mussten, wodurch Bessie in ihren jungen Jahren nach Amerika gekommen war und zurecht sauer war. Hosea versuchte ihr Gemüt zu besänftigen: „Zumindest haben wir etwas zum Essen, damit wir ein paar weitere Tage in dieser Staubwüste überleben können.". Obwohl er auch auf die Jagd gehen könnte, nützte ihnen das in diesem Niemandsland nur wenig, denn abgesehen von Kojoten und Gürteltieren hatte er noch nicht viele Tiere gesehen und ließ es daher auch bleiben. Wahrscheinlich war auch das der Grund, warum er an diesem Ort nichts abgewinnen konnte. Inständig hoffte er, schon bald Armadillo zu verlassen, was angesichts der Tatsache, dass ihren Boss jegliches Vernunftgefühl verlassen hatte, äußerst unwahrscheinlich war. Bessie seufzte: „Die Frage ist, ob wir jemals von hier wegkommen... habt ihr euch bereits einen Plan ausgedacht?", „Nein, noch nicht. Du weißt ja, dass Dutch inzwischen andere Pläne hat.", was sie zum Schmunzeln brachte.
Wohl jeder in der Bande konnte sein Verhalten nicht länger nachvollziehen, denn sie befanden sich viel zu lange hier, ohne dabei etwas ausgerichtet zu haben. Zum Glück war Arthur, der jüngste im Bunde, klug genug gewesen, um auf ihrem Weg nach Armadillo mit einem Farmer namens Drew MacFarlane in Bekanntschaft zu treten, welcher aufgrund einer Heuschrecken-Plage verzweifelt genug war, den jungen Burschen als Farmhelfer anzustellen. Trotzdem mussten sie sich auch eingestehen, dass sie das nicht zu Wohlstand führte, so viel stand fest. Mr. Van der Linde verbrachte seine kostbare Zeit anderweitig, so hatte Hosea am Morgen von Miss Grimshaw erfahren, dass sein Freund mitten in der Nacht abgängig war und erst kurz vor Sonnenaufgang wieder aufgetaucht war. Hosea hatte kein Wort vor Susan verloren, er wusste, wohin es seinen Komplizen verschlagen hatte.
Beide erreichten den Wagen, auf dem er die Kiste abstellte und Bessie meinte: „Es hat ihn ganz schön erwischt. Ich freu mich für ihn, wirklich. Aber wenn ich Susan sehe, die die ganze Sache mitnimmt, mach ich mir auch Sorgen.", „Um Susan braucht man sich keine Sorgen machen. Sie ist hart im Nehmen.", „Du kennst nicht die Susan, die ich kenne. Sie fürchtet sich, uns verlassen zu müssen, wenn Dutch das Mädchen zu sich holt.", was Mrs. Matthews sichtlich beunruhigte, immerhin hatte sie Miss Grimshaw in den wenigen Monaten lieb gewonnen. Hosea legte seine Hand auf ihre Schulter und versuchte ihr die Angst zu nehmen: „Miss Grimshaw ist für uns unabkömmlich geworden. Ich denke nicht, dass sie uns bald verlassen muss, das würde Dutch ihr nicht antun. Außerdem... ich habe große Zweifel daran, dass sich Fräulein Sutton uns anschließen wird. Das wird nicht passieren.", insbesondere vor dem Hintergrund, dass Dutch eigentlich die Familie ausrauben wollte.
Nur als Hosea den Blick hob und an Bessie vorbeischaute, wollte er seinen Augen nicht trauen und flüsterte: „Wenn man vom Teufel spricht...". Am helllichten Tage in der prallen Sonne ritt Albert Sutton gemeinsam mit seiner Tochter durch die Straßen von Armadillo. Die ansässigen Bewohner schauten den beiden ehrfürchtig hinterher, was nur Annabelle zu kümmern schien, während der Bankenchef die Menschen keines Blickes würdigte. Langsam drehte sich auch Bessie um, die neugierig mit Blick auf das Mädchen ihren Gatten fragte: „Ist sie das?". Hosea nickte stumm, als die Suttons unerwarteterweise Halt vor dem Büro des Sheriffs machten. Mr. Sutton half Annabelle vom Pferd, die auf dem Boden angelangt die Rüschen ihres viktorianischen Rockes richtete und ihrem Vater in das Innere des Gebäudes folgte. Hosea beschlich ein ungutes Gefühl. Noch in dieser Nacht hatte sich Mr. Van der Linde auf das Grundstück der besagten Familie gestohlen, aber hatte keinen Gedanken daran verloren, was das für Folgen haben könnte. Vielleicht hatte Annabelle seinen nächtlichen Besuch nicht für sich behalten und musste vor dem Sheriff antanzen, um Cillian Connelly wegen dem unerlaubten Betreten ihres Grundstücks anzuzeigen.
Aufgrund seiner Befürchtung packte er Bessie an der Hand und bewegte sich verhalten auf die andere Seite des Gebäudes, wo ein verschmiertes Fenster einen Spalt offen stand und ihnen erlaubte, die Unterhaltung zu belauschen. Mr. Sutton begrüßte den Hilfssheriff Leigh Johnson mit ausgebreiteten Armen: „Der Stern steht dir, Leigh.", „Hat auch gedauert, bis ich den bekommen hab.", erwiderte Deputy Johnson. Der Stolz war ihm ins Gesicht geschrieben, als er sich von seinem Schreibtisch erhob und bemerkte: „Wie ich sehe, hast du deine Tochter dabei.", „Ich dachte mir, ich nehme sie in die Stadt mit. Allein kann ich sie nicht mehr losschicken, wie du ja weißt...", antwortete Albert, als er wie ein aufgeplusterter Hahn durch den Raum stolzierte und vor seinem Freund zum Stehen kam: „Was ist mit Marshall Draper?", erkundigte er sich. Leigh fiel es sichtlich schwer, ihm diese Frage zu beantworten: „Auf Streife. Aber wie ich ihn kenne, hat es ihn schon längst in den Saloon verschlagen.", „Das dacht ich mir.", entgegnete Mr. Sutton verärgert und weigerte sich, auf dem Stuhl Platz zu nehmen.
Der Deputy warf einen Blick zu Annabelle, die sich nicht an der Unterhaltung beteiligen wollte und stattdessen die aufgehängte Dekoration an der Wand inspizierte. Leigh kam nicht drum herum, das Handeln seines Vorgesetzten zu entschuldigen: „Ich weiß, dass er etwas nachlässig geworden ist...", aber das beruhigte Mr. Sutton in keinster Weise: „Deswegen treibt sich auch so ein Gesindel wie die Connellys in unserer Gegend herum, ohne dass der Marshall gedenkt, etwas dagegen zu unternehmen.". Draußen warf Hosea seiner Frau einen vielsagenden Blick zu, um ihr zu verdeutlichen, dass ihre Bande damit gemeint war. Nur Bessie schien das nicht zu kümmern, ihr Interesse galt vielmehr Miss Annabelle Sutton. Sie konnte nicht bestreiten, dass sie nicht weniger von der Schönheit dieses Mädchens eingenommen war, das sich umdrehte und dem Deputy einen unschuldigen Blick zuwarf, als dieser aufgeregt auf ihren Vater einredete: „Was soll er auch tun? Diese Leute haben sich bisher nichts zu stehlen kommen lassen, Albert. Uns sind die Hände gebunden.".
Angespannt setzte sich Mr. Sutton doch noch auf dem Stuhl nieder und warnte ihn: „Noch sind uns die Hände gebunden, aber nicht mehr lange und die Scheiße ist am Dampfen. Nehmt euch in Acht vor den falschen Propheten, heißt es. Die, die in Schafskleidern zu uns kommen, aber inwendig reißende Wölfe sind.", und er zog aus seinem Mantel ein Stofftuch heraus, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn abtupfte und den Hilfssheriff fragte: „Hast du in der Zwischenzeit irgendetwas über diese Heuchler herausbekommen?".
Seufzend lehnte sich Leigh gegen den Rücken seines Stuhls und antwortete: „Nicht wirklich. Es gibt weder Einträge zu Cillian noch zu Finnegan. Auf die Connellys ist kein Kopfgeld ausgesetzt.", „Wenn das überhaupt ihre Namen sind.", warf Mr. Sutton ein und wandte sich vorwurfsvoll an seine Tochter, „Soweit ich weiß, kommt ihr Familienname aus Irland. Annabelle, sind sie denn nach deiner Meinung zu urteilen Iren?". Jene warf fassungslos die Arme in die Luft und antwortete geladen: „Woher soll ich das wissen? Möchtest du das etwa an der Haarfarbe oder den Akzent festmachen? Oder müssen sie etwa beim nächsten Mal einen Stammbaum vorweisen?", was die beiden außerhalb des Hauses zum Schmunzeln brachte. Mrs. Matthews wisperte begeistert: „Ich mag sie.", und auch Hosea musste zugeben, dass sie eine temperamentvolle Seite besaß, die er noch nicht zu sehen bekommen hatte.
Mr. Sutton ignorierte ihren hysterischen Wutanfall und sprach zu seinem Freund: „Ein nächstes Mal wird es nicht geben. Etwas stimmt nicht mit diesen Leuten, das hab ich im Gefühl. Und mein Gefühl hat mich noch nie im Stich gelassen.", und legte dabei ergriffen seine Hand aufs Herz. Annabelle drehte sich wieder zu einem Bild, aber nicht um den bunten Blumenstrauß zu bestaunen, sondern damit keiner der beiden ihr hämisches Lachen sehen konnte. Sie wusste bereits im Vorfeld, dass das Ersuchen ihres Vaters aussichtslos war, sie hatte ihn rein aus Höflichkeit begleitet und auch, um nicht ständig Harriet unterrichten oder mit ihrer Mutter Dominos spielen zu müssen. Außerdem hoffte sie, dass Deputy Johnson, der trotz seines jungen Alters das Vertrauen von Mr. Sutton genoss, dazu imstande wäre, ihren Vater endlich davon überzeugen zu können, dass seine Angst unbegründet war.
Nur zu ihrer Verwunderung sagte Leigh: „Da gibt es tatsächlich etwas.", und brachte seine neuen Erkenntnisse zur Aussprache, „Ich habe einen Bekannten in Virginia, der als Vorarbeiter in den Kohleminen von Midlothian arbeitet. Und auf Nachfrage hat er mir dieses Telegramm geschickt.". Auch Annabelle horchte auf und verfolgte aus dem Augenwinkel, wie der Hilfssheriff die Schublade öffnete und einen länglichen Papierstreifen herausholte, den er freundlicherweise Mr. Sutton reichte. Das Gemüt ihres Vaters hob sich, weil damit sein Verdacht an Gestalt gewann. Nüchtern stellte Albert fest: „Die Connellys sind also gar keine Bergmänner.", „Zumindest sind sie in den Listen nicht aufgeführt.", fügte Leigh hinzu und nahm das Telegramm wieder an sich, das er sorgfältig in der Mitte zusammenfaltete, während Albert wutentbrannt vom Stuhl aufsprang und daraus schlussfolgerte: „Notorische Lügner! Ich habe es doch gewusst! Jetzt können wir sie dran kriegen!".
Selbst Deputy Johnson wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als über den Eifer des Bankenchefs zu grienen, und versuchte ihn, auf den Boden der Tatsachen zu bringen: „Eine Lüge rechtfertigt noch lange keine Festnahme. Das ist noch lange kein Beweis dafür, dass sie dich ausrauben wollen.", „Aber was können wir dann machen?", fragte er nahezu verzweifelt, „Ich kann nicht darauf warten, Leigh! Wenn ihr nichts dagegen unternehmt, muss ich selbst etwas tun!", und stürmte ohne ein weiteres Wort aus dem Büro. Annabelle hatte sich in der Anwesenheit ihres Vaters aus der Angelegenheit rausgehalten, aber sie war noch nicht bereit, ihm hinaus zu folgen, sondern blieb an Ort und Stelle stehen.
Schwermütig richtete sich Leigh auf: „Tut mir leid, dass ich euch nicht weiterhelfen kann. Aber...", „Aber dir sind die Hände gebunden, ich versteh schon.", fuhr sie ihm ins Wort. Sie kannte Leigh noch aus ihrer Schulzeit, er war ein paar Jahre älter als sie und hatte damals nur Unsinn im Kopf. Auch sie war von seinen Streichen nicht unverschont geblieben, welche sie ihm für immer und ewig nachtragen würde. Und doch steckten beide im selben Boot, das vom Sturm mit dem Namen „Albert Sutton" getroffen wurde. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie hier blieb, weil sie in ihm einen Verbündeten gefunden hatte.
Annabelle schaute hinaus zu ihrem Vater und teilte ihm mit: „Ich halte die Connellys für anständige Leute. Sie haben Thomas das Leben gerettet, als er im Saloon zusammengeschlagen worden ist. Nur mein Dad hält das für eine einzige Verschwörung und sieht nicht, wie er sich vor allen Leuten zum Gespött macht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.", „Wenn du mich fragst,", sprach Leigh im Vertrauen zu ihr, „dreht er vollkommen durch. Ich hoffe, dass die Connellys schon bald über alle sieben Berge sind. Das ist der einzige Weg, damit er wieder zur Besinnung kommt.", aber sie gab sich damit nicht zufrieden: „Glaubst du wirklich, dass es dann aufhören wird?", fragte sie ihn als einen der Wenigen, dem wirklich etwas an ihrem Vater lag.
Dieser rief nicht viel später nach seiner Tochter, die fest ihre Handtasche umklammerte und betreten zu Boden schaute. Sie tat besser daran, ihn nicht länger warten zu lassen. Nur Leigh, der nicht wusste, wann oder ob er sie überhaupt wiedersehen würde, hielt sie auf: „Annabelle.". Unmittelbar kam sie im Türrahmen zum Stehen und drehte sich ein letztes Mal zu ihm um. Leigh hatte kein schlechtes Bild von ihr und gab ihr deswegen einen Rat auf den Weg mit: „Verschwinde, solange du noch kannst.".
Sie schaute ihn verblüfft an, erneut ertönte ihr Name, doch dieses Mal war der Ton in seiner Stimme eindrücklicher und forderte sie sofort dazu auf, nach draußen zu treten. Letztlich schenkte sie Leigh noch ein Lächeln, bevor sie ihre Füße in Bewegung setzte.
Draußen am Anbindepfosten wartete Mr. Sutton ungeduldig auf seine Tochter: „Was hast du mit ihm besprochen?", verlangte er zu erfahren. Annabelle antwortete ihm prompt: „Er hat mir geraten, nur in Begleitung nach Armadillo zu kommen.", ließ sie sich einfallen, weil ihm die Wahrheit nicht gefallen würde. Ihr Vater grummelte, half ihr anschließend auf den Rücken von Apache und legte seine Hand auf ihr Knie: „Armadillo ist nicht mehr sicher. Es ist besser, wenn du gar nicht mehr hierher kommst.". Als auch er seinen Gehstock am Pferd angebracht hatte und im Sattel saß, spornte er mit den Steigbügeln den Hengst zum Galopp an, um so schnell wie möglichst zurück nach Hause zu kehren. Auch sie konnte es kaum erwarten, das Anwesen zu erreichen, denn sie erwartete noch Besuch.
Auf ihrem Weg hatten sie einander nichts zu sagen, Mr. Sutton trieb diese Angelegenheit mit den Connellys um, er dachte laut nach, was in den Augen seiner Tochter nur wirres Zeug war. Natürlich beschäftigte sie nicht weniger die Tatsache, dass die Connellys bezüglicher ihres bisherigen Werdegangs gelogen hatten, aber solange sie nicht mit ihnen darüber gesprochen hatte, konnte sie sich kein Urteil darüber bilden.
Vor der Einfahrt brachte Mr. Sutton seinen Hengst zum Stehen, einer ihrer Wachmänner, der auf den Namen Diego hörte und mit seinem Gewehr an dem hölzernen Tor ihre Rückkehr abwartete, entfernte sich von seinem Posten und näherte sich den gehobenen Leuten. Er kam ursprünglich aus Mexiko, seinen Kopf zierte ein pechschwarzer Hut, der ihm vor der glühenden Sonne etwas Schatten bot. Trotzdem glänzte sein terracottafarbenes Gesicht förmlich, als er Annabelle von dem Pferd herabhalf und das Wort an seinen Arbeitgeber richtete: „Senior, soll ich Annabelle zum Haus begleiten?", „Sicher. Richte meiner Frau aus, dass ich heute später nach Hause kommen werde.". Überrascht schaute Annabelle zu ihm hoch: „Wo willst du hin?", aber er machte sich schon aus dem Staub.
Annabelle war erzürnt, denn ihr Vater konnte sich alles erlauben und teilte ihr nicht einmal mit, wohin es ihn ziehen würde. Ehe sie sich versah, spürte sie eine feste Hand um ihren Oberarm. Diego hatte sie gepackt und flüsterte schadenfroh: „Señora Sutton will dich sehen. Ich frag mich, was du dieses Mal ausgefressen hast.", aber jene ließ sich nicht wie eine Schwerverbrecherin abführen und riss sich von dem Wachmann los: „Lass deine dreckigen Finger von mir! Ich kann alleine gehen!". Wutentbrannt rannte die junge Miss Sutton voraus und dachte darüber nach, warum ihre Mutter sie sehen wollte. Verbrochen hatte sie in den letzten Tagen vieles, aber Annabelle bezweifelte, dass sie etwas mitbekommen haben könnte; vor allem nicht von ihrem nächtlichen Besucher.
Auf der Veranda ihres Anwesens wartete bereits Mrs. Sutton mit verschränkten Armen auf die Ankunft ihrer Tochter, die von Diego zur Einfahrt geführt wurde. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war Judith alles andere als erfreut über ihr Erscheinen, Diego richtete ihr die Nachricht ihres Gatten aus, bevor sie sich ohne ein weiteres Wort in das Hausinnere begab. Während Annabelle aufgeregt ihrer Mutter eilte, rief ihr Diego hinterher: „Irgendwann wirst du dir wünschen, mit mir davonzulaufen, Señorita! Du weißt ja, wo du mich findest!", er legte seine Finger an seine Mundwinkel und streckte seine rosafarbene Zunge raus. Angewidert davon ging sie weiter, für sein Benehmen könnte man ihn feuern, aber damit würde der nächste Dreckskerl die Stelle besetzen und wer wusste schon, ob dieser nicht noch schlimmer als Diego sein würde.
Drinnen angelangt saß Harriet am Fuß der Treppe, das Mädchen hockte auf den Stufen, trübsinnig ließ sie den Kopf hängen, während ihre Mutter ein Stück Papier in die Luft hielt: „Siehst du das?", Annabelle näherte sich den beiden, nahm das Schriftstück zur Hand. Als sie die unordentlich verfassten Zeilen überflog, wetterte Mrs. Sutton: „Kannst du mir verraten, woher Harriet solche Ideen hat?!". Tatsächlich handelte es sich um einen eigens aufgesetzten Brandbrief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Ausgehend von ihren Geschichtsstunden bei ihrer älteren Schwester richtete das Mädchen zahlreiche Vorschläge an den Präsidenten, das Leben der indigenen Völker zu verbessern; unter anderem beklagte sie die Entmündigung der Indianerstämme durch den Indian Appropriations Act von 1871, forderte deren Aufhebung sowie die Wiederaufnahme der Tradition, Verhandlungen mit den Stammesführern der indigenen Völker zu führen.
Annabelle konnte nicht stolzer sein, schenkte ihrer Schwester ein Lächeln, das sofort verflog, als ihre Mutter den Brief an sich riss und entzweite: „Lach nur! Euer Vater...", seufzte sie und erhob mahnend den Zeigefingern, „...er hatte gegen diese Monster gekämpft und damit beinahe mit seinem Leben bezahlt! Seid froh, dass er nicht diesen Brief in die Finger bekommen hat, denn dann wäre euch schon längst das Lachen vergangen! Wenn ihr...", aber ihre Rede musste ein jähes Ende nehmen, als das Dienstmädchen hinter ihr stand. Annabelle schaute sie vorwurfsvoll an, sie hatte seit dem Vorfall mit den Zigaretten kein Wort mehr mit ihr gewechselt und auch Silence war ihr stets aus dem Weg gegangen, wissentlich über den Vertrauensbruch an der jungen Miss Sutton. Stattdessen suchte sie das Vertrauen ihrer Mutter und bat sie um Rat beim Kochen, was Judith schmeichelte und sich lieber dieser Angelegenheit widmete als eine Sekunde länger in der Anwesenheit ihrer ungehorsamen Töchter zu verweilen: „Ab in eure Zimmer!", war ihr letzter Befehl.
Die Schwestern klommen die Stufen empor, hoch in das obere Geschoss, wo Harriet bei ihrer Tür stehen blieb und erzählte: „Ich wollte ihn nicht abschicken, nicht wirklich. Mir war einfach nur langweilig und...", „Und wenn schon, ich bin nicht sauer auf dich. Aber Ma hat recht, wir hätten nichts mehr zu lachen, wenn Dad das gelesen hätte.", Harriet zwirbelte aufgeregt eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern: „Ich pass in Zukunft besser auf.", „Wenigstens weiß ich, dass du aufgepasst hast.", meinte Annabelle und verschwand in ihrem Zimmer, um dort den Rest des Tages zu verweilen und sehnsüchtig auf die Ankunft von Mr. Connelly zu warten.
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She gave you all she had. // Red Dead Redemption 2
FanfictionArmadillo, New Austin - 1879: Annabelle Sutton taucht in ihrer Freizeit gerne in die einfältigen Geschichten ihrer Liebesromane ein, ohne dabei zu bemerken, dass sie selbst Teil einer ist. Als Tochter des Bankenchefs von Armadillo soll sie sich dem...