der Antrag teil 1

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1 Jahr zuvor

Tris

Am nächsten Morgen wache ich auf, drehe mich auf die Seite und sehe....
Nichts.
Na toll. Tobias und ich haben Jahrestag und er ist morgens schon verschwunden, was soll mir das jetzt sagen? Vielleicht macht er ja Frühstück für uns. Ich bin ganz still und lausche... Im Haus ist es totenstill. Ich kann kein einziges Geräusch hören. Vielleicht ist er ja beim Treffen wegen der Regierung... Moment... Das geht gar nicht. Dann wäre ich doch auch dort und außerdem habe ich mitbekommen, dass das Treffen erst morgen Mittag ist. Dann ist Tobias wohl woanders, aber auf jeden Fall nicht hier. Also muss ich wohl damit leben, dass ich den Tag alleine beginnen werde. Aber wenn ich Tobias heute nicht mal sehe, dann gibt es wahrscheinlich Tote und er wird der erste sein. Wenn er unseren Jahrestag schon vergisst, dann will ich ihm das wenigstens unter die Nase reiben und ihm ein richtig schlechtes Gewissen verpassen.
Ich denke daran, dass ich gestern noch bei den Ferox war und mich tätowieren lassen hab. Aus meinem eingeritzten ‚F', das Evelyn mir unbedingt in den Rücken ritzen musste, ist jetzt tatsächlich ein ‚Four' geworden. Ob das jetzt die richtige Entscheidung war, weiß ich immer noch nicht. Klar liebe ich Tobias und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird. Aber was ist, wenn er ganz anders denkt als ich und sich gar nicht so sicher ist, dass wir noch lange oder vielleicht sogar für immer zusammen bleiben?
Naja, ich muss ihm mein neues Tattoo ja nicht sofort zeigen... Erstmal kann ich duschen gehen und was frühstücken. Esse ich eben alleine, wenn er nicht da ist.
Als ich nach einer entspannenden Dusche unten ankomme, finde ich einen Zettel auf dem Esstisch. Mein erster Gedanke, noch bevor ich ihn gelesen habe ist:
Nachmacher! Was ich dann lese, überrascht mich ein wenig:

Guten Morgen Tris.
Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Neben dem Kühlschrank liegen frische Brötchen. Frühstücke bitte und komm dann zu dem Ort, an dem wir uns das erste Mal gesehen haben. Ich hoffe, du hast heute nichts mehr vor, denn ich hab noch ein bisschen etwas geplant...
Guten Appetit!
Dein Tobias.
PS: Du brauchst unsere Freunde gar nicht erst fragen, was ich geplant habe, keiner wird dir etwas sagen. ;)

Ich muss ein wenig schmunzeln. Er kennt mich einfach und wusste, dass ich direkt zu Chris und Uriah gehen würde. Das kann ich mir ja jetzt sparen, dann beeile ich mich lieber mit dem Essen und gehe direkt zum Netz bei dem Ferox. Das Netz, in das ich als erste Initiantin gesprungen bin. Das Netz, aus dem aus dem Tobias mir herausgeholfen hat. Dort haben wir uns zum ersten Mal gesehen und miteinander gesprochen. Dort habe ich meinen Spitznamen bekommen. Obwohl ich ihn nicht mehr als Spitznamen bezeichnen kann, immerhin nennt selbst Caleb mich mittlerweile Tris statt Beatrice.

So mache ich mich nach einem schnellen Frühstück auf den Weg zum Zug. Wenn ich schon wieder zum Netz gehen soll, dann mache ich das auch genauso wie beim ersten Mal.
Im Zug frage ich mich dann, was Tobias geplant hat. Hat er unseren Jahrestag vielleicht doch nicht vergessen? Oder will er mich nur so überraschen, weil wir einen Tag frei haben? Obwohl es wohl eigentlich genug zu tun gibt, das scheint ihn aber nicht zu interessieren. Soll mir nur recht sein. Da kommt mir aber noch eine Idee, die hinter seinen Plänen stecken könnte: Er will über die Regierung, die Ferox oder sonst irgendwas Politisches reden/diskutieren. Vielleicht sind sogar ein paar von den anderen da...
Ich hoffe einfach, dass ich mich da irre, sonst kann der nämlich was erleben. Dann hätte er auch wenigstens auf mich warten können.

Jetzt stehe ich auf dem Vorsprung. Diesmal weiß ich, was mich erwartet. Vielleicht freue ich mich deshalb darauf wieder runter zu springen. Doch ein dunkler Gedanke kommt mir vor dem Absprung noch dazwischen. Das letzte Mal bin ich hier mit Caleb und meinem Vater herunter gesprungen, kurz danach ist er gestorben... Ich glaube, er hätte Tobias gemocht und er hätte sich für mich gefreut, nachdem die beiden ein Gespräch geführt hätten. Das wäre bestimmt ziemlich lustig geworden, immerhin war ich sein ‚kleines Mädchen', das beschützt werden muss...
Ich sollte langsam springen statt in meinen eigenen Gedanken zu versinken.
Wie ich die Höhe und das Fallen liebe, solange ich nicht dabei draufgehe. Im freien Fall fühle ich mich so, als würde ich fliegen. So frei und irgendwie unabhängig. Das Gefühl habe ich auch schon, wenn ich mich in der Höhe befinde, aber beim Fallen ist es einfach so viel stärker.
Dann bin ich auch schon im Netz angekommen und es schleudert mich ein paar Mal wieder etwas nach oben. Ich muss wieder lachen, wie beim ersten Mal. Aber dieses Mal ist es kein hysterisches Lachen, nein, ich freue mich einfach und finde es lustig.
Ich sehe eine Hand, die sich mir hinstreckt und die ich ergreife. Im ersten Moment denke ich, dass es Tobias ist. Aber falsch gedacht. Uriah hilft mir gerade aus dem Netz und grinst mich an.
„Du weißt ganz genau, was heute auf mich zukommt, oder?", frage ich ihn.
„Jap.", sein Grinsen wird breiter.
„Und du wirst mir natürlich nicht sagen, was mein Freund vorhat.", stelle ich fest.
„Du hast es erfasst."
Ich seufze. Dann höre ich ein Lachen.
„Da musst du wohl jetzt durch.", sagt Chris danach, immer noch, zu mir.
Sie kommt aus der Richtung der Grube und hält zwei Kartons in den Händen.
„Was hast du da?", frage ich sie neugierig.
„Wie gerne ich jetzt sagen würde, dass dich das nichts angeht... Aber das darf ich nicht. Das hier ist für dich. Zieh das alles an und geh dann in den Trainingsraum zum Messerstand. Dann wirst du schon weiter sehen."
„Okaaaay, da bin ich mal gespannt. Ich hasse euch gerade dafür, dass ihr alle wisst, was los und mir nichts sagt."
„Du wirst es überleben.", sagt Uriah.
„Vielleicht freust du dich sogar später noch darüber.", ergänzt Christina, diesmal lächelt sie ehrlich und freundlich.
Ich seufze wieder: „Kannst du mir wenigstens einen Gefallen tun und für mich einkaufen gehen? Ich wollte heute noch für mich und Tobias kochen und backen...", frage ich sie.
„Klar mach ich."
„Gut, die Einkaufsliste dürfte irgendwo im Wohnzimmer liegen."
Dann gebe ich ihr meinen Schlüssel und verabschiede mich von den beiden um mich umzuziehen.
Ich entschließe mich dazu, mich in Tobias' altem Zimmer umzuziehen. Irgendwie kommt es mir richtig vor.
Dort angekommen, lege ich erstmal die beiden Kartons auf das Bett ab und sehe mich ein wenig um. Eigentlich hätte ich erwartet, dass es hier staubig ist. Falsch gedacht, es sieht so aus, als wäre vor kurzen jemand hier gewesen. Vielleicht gehört das Zimmer ja mittlerweile jemand anderen und ich bin hier gerade unfreiwillig eingebrochen...
Eigentlich sollte ich deshalb vielleicht aus dem Zimmer verschwinden... aber erstmal will ich mich etwas umsehen. Das Bett ist gemacht, alles ist sauber und aufgeräumt. Na gut, Tobias hatte hier auch nicht viel, das aufgeräumt werden müsste...
Als ich am Schreibtisch vorbeigehe, fällt mir eine Dose auf, die auf einem Zettel liegt. Ich bin neugierig und nehme den Zettel um ihn zu lesen:

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