Kapitel 4

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Mein High Heel drückte an meiner Ferse und ich versuchte den Schmerz etwas erträglicher zu machen, indem ich am Schuh rüttelte. Aber selbst dafür war zu wenig Zeit, denn die Fahrstuhltüren gingen auf. Ich atme noch einmal tief durch und ging mit einem angezogenen Tempo Richtung Konferenzraum. 09:48 Uhr, nun ja, noch pünktlich. Ich hätte trotzdem gerne mehr Zeit gehabt, um mich vorzubereiten. Charly, mein Chef, saß schon im Zimmer mit gerunzelter Stirn. Das heißt er ist gestresst.

"Hallo Charly, tut mir leid, dass ich nicht früher da war."

"Morgen Katy, setz dich bitte und schnappe ein wenig Luft, bevor du mit den Kunden sprichst."

Das war nicht meine einzige Sorge. Meine Haare sehen bestimmt auch nicht mehr so aus wie ich sie heute morgen zurecht gemacht hatte. Die Präsentation muss trotzdem perfekt laufen. Nicht umsonst hat mir Charly den neuen großen Mandanten anvertraut. Aber ich schaffe das. Ich muss einfach. Dann kann ich endlich in eine größere Wohnung ziehen. Ich sehe sie schon vor mir. Aber warte Katy, erst einmal die Präsentation.

"Guten Morgen Herr Richards, es freut mich, Sie heute persönlich treffen zu können", riss mich Charly aus meinen Gedanken heraus. Verdammt, wie lange habe ich denn geträumt? 

"Guten Morgen Herr....", ich stockte für einen Augenblick. Einen langen Augenblick. Und ich traute meinen Augen nicht. John?

"Richards. Freut mich auch." Er schaute mich und meinen Chef mit einen skeptischen Lächeln an. Das kann doch alles nicht wahr sein.

"Wo bleiben meine Manieren. Darf ich Ihnen meine Assistentin Frau Angelina vorstellen. Ich wollte sie unbedingt als zweite Meinung dabei haben.", sagte John während er die Frau mit seinem Arm sanft nach vorne brachte.

"Sehr erfreut.", sagte sie händeschüttelnd.

Ich bemerkte wie Charly mir einen leicht panischen Blick zuwandte, doch darauf konnte ich gerade nicht reagieren. Wie ist das möglich? 

"Nun ja, ich hoffe ihre Top Beraterin hat heute noch mehr Worte zu verlieren. Wir haben uns nämlich viel von diesem Termin erhofft.", sagte John, während er erst Charly, dann mich anschaute.

Die Frau kicherte.

"Gewiss doch. Katy, du kannst jetzt starten.", forderte Charly mich mit einer Handbewegung auf.

Ich erhob mich vom Stuhl und ging auf das Whiteboard zu. In der Zeit, in der ich die Präsentation auf dem Laptop suchte, versuchte ich klarzukommen. Mir bleibt keine Zeit jetzt darüber nachzudenken. Egal was er vorhatte, ich lasse mir das nicht von ihm vermiesen. Das hier ist mein Traumjob.

Ich schaute auf und legte mein professionelles Lächeln auf, welches die Frau erwiderte. Ich hielt die Präsentation. Erst zögernd, dann fand ich in meinen Flow und ich spürte wie sich Charly mit mir entspannte. Seine Falten auf der Stirn wurden weniger. Als ich zum Ende kam, war ich zuversichtlich, dass ich meinen Job gut gemacht habe.

"Sie haben das Wort.", sagte Charly zu John mit einem strahlenden Lächeln.

John murmelte noch mit seiner blonden Assistentin und sie nickte.

"Herr Preissler, ich danke Ihnen vielmals für ihre Zeit. Ich muss Ihnen leider sagen, dass ihre Beraterin meine verschwendet hat."

Mir blieb kurz der Atem stocken. Was hat er gerade gesagt? In mir brodelte es auf einmal. Mein Puls stieg. Nein. Bitte sag mir, dass das nicht war ist. Bitte sag mir, dass das alles nicht geplant ist.

"Entschuldigen Sie, Herr Richards. Ich verstehe nicht. Was hat Ihnen nicht gefallen?"

"Einfach alles. Das was Sie top nennen, wusste ich auch schon vorher. Ich habe sichtlich mehr erwartet."

Mein Blick verengte sich und ich machte ihm deutlich, dass ich rasend vor Wut bin. Nicht. Mit. Mir.

"Herr Richards, bitte äußern Sie doch konstruktive Kritik, damit wir ihren Anforderungen gerecht werden können.", sagte ich und versuchte meine Professionalität beizubehalten, obwohl ich ihm gerade lieber eine verpassen würde.

"Ich passe. Trotzdem vielen Dank für ihren Versuch. Wir verabschieden uns dann." Mit einem trockenen Händeschütteln verließen die beiden den Raum. 

Ich kann es nicht fassen. Ich merkte wie die Tränen hochschießen wollten, doch ich halte sie zurück.

"Charly, ich habe wirklich..." 

"Ist okay Katy, wir sprechen morgen in meinem Büro darüber.", antwortete er trocken und auch er verließ den Raum.

Ich stützte mich am Stuhl ab und ließ es raus. Ich schluchzte, weil ich irgendwo wusste, auf wen ich mich eingelassen habe. Auf ein krankes Arschloch, das nichts Besseres zu tun hatte, als mir meine Karriere zu zerstören, nur weil sein Ego gekränkt wurde. Ich nahm einen tiefen Atemzug und machte mich auf den Weg zum Fahrstuhl. Ich wollte einfach nur nach Hause.

Als ich aus dem Gebäude ging, stand John vor seiner Karre und rauchte eine Zigarette, als hätte er gerade im scheiß Lotto gewonnen. Ich ignorierte ihn und stürmte vor, als er mich am Arm packte.

"Lass mich los!", schrie ich, sodass auch die anderen es mitbekommen. "Du hast gewonnen. Jetzt verpiss dich aus meinem Leben!"

Er beugte sich vor und zog mich noch näher an sich heran. "Das reicht mir nicht.", flüsterte er mir ins Ohr. "Ich will, dass du mich hasst. Ich will, dass du an nichts Anderes mehr denken kannst, Katy."


Nimm es dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt