Kapitel 6

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Sugawara's Sicht: 

Der Tag bricht an und ich habe keine Minute ein Auge zubekommen. Der Gedanke, dass Rara genau hinter mir sitzt, hält mich wach und lässt mich nicht einschlafen. Daichi neben mir schläft schon lange, mittlerweile ist sein Kopf auf meine Schulter gesunken und seine ruhigen Atemzüge sind in der Stille kaum zu hören. Rara scheint auch eingeschlafen zu sein, wie ich es in der Spiegelung des Fensters sehe, ihr Kopf liegt auf Shimizus Schulter und Shimizus Kopf liegt auf Raras Kopf. Es sieht wirklich süß aus, wie die beiden da sitzen. Der Rest der Fahrt geht schnell herum und als wir in Tokyo ankommen, wacht auch endlich Rara auf. Shimizu ist schon lange vor ihr aufgewacht, sie wollte ihre kleine Freundin allerdings nicht aufwecken. 

Die Nekoma stand schon bereit, um uns zu begrüßen. Daichi gab Kuroo die Hand, dessen Blick schon kurz darauf auf Rara fiel, die verschlafen neben Shimizu stand. „He, das kleine Kätzchen kenne ich doch!", sagte er und deutet auf Rara, die aufschreckte und ihn mit großen Augen ansah. „Du hast mal in Tokyo gewohnt. Du warst doch diejenige, die bei unserem vorletzten Spiel zusammengebrochen ist, hab ich Recht?" Rara nickte nervös und senkte den Blick zu Kuroos Schuhen. „Aber wie ich sehe, geht es dir ja wieder gut! Das freut mich zu hören!", rief Kuroo und lachte einmal. Wir wurden zu unserem Haus gebracht, in dem wir schlafen, und dann packten wir unsere Taschen aus. „Daichi, wusstest du etwas davon, dass Rara bei dem Spiel der Nekoma zusammengebrochen ist?", fragte ich Daichi, der gerade seinen Futon neben mir einrichtete. 

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mal gehört, dass jemand bei dem Spiel zusammengebrochen ist und mit dem Krankenwagen abgeholt wurde, aber ich wusste nicht, dass es unser kleines Küken ist." Unser kleines Küken... Der Spitzname gefällt mir. „Hm... Ich wusste auch nichts davon.", murmelte ich und verharrte in meiner Bewegung. „Aber ich glaube du solltest momentan noch nicht mit ihr darüber sprechen. Ich glaube, ihr war das ziemlich unangenehm.", grübelte Daichi. Ich nickte nur wieder.

Beim Abendessen saß nun Nishinoya neben Rara und unterhielt sie durchgehend über den Job eines Liberos. Sie schien wirklich interessiert an dieser Position zu sein. Nishinoya redete so viel, dass er offenbar vergaß etwas zu essen, auch Rara aß nichts. Shimizu hatte ihr mehrmals angeboten, mit ihr essen holen zu gehen, doch sie hatte es immer abgelehnt. Ich machte mir langsam Sorgen um sie, wenn sie weiter nichts aß, würde sie irgendwann umkippen. 

Nach dem Essen war es bereits schon zu spät, um ein Spiel zu starten, also gingen alle auf ihr Zimmer. Shimizu war wohl schon aufs Zimmer gegangen, Rara ging alleine den Flur entlang. Sie hatte mich anscheinend nicht bemerkt, denn als sie sich ihre Trainingsjacke noch einmal enger um den Körper wickelte, seufzte sie einmal leise. „Rara! Warte kurz!", sagte ich schließlich und sie blieb stehen. „Wieso wolltest du heute nichts essen?", fragte ich, als ich vor ihr stand und sie zu mir hochsah. „Ich hatte keine Lust.", antwortete sie tonlos und zuckte mit den Schultern. „Keine Lust? Hattest du denn Hunger?", fragte ich. Ihre Augen weiteten sich kurz, sie schluckte und dann schüttelte sie den Kopf. 

In mir baute sich Besorgnis auf. Wieso aß sie nichts, wenn sie Hunger hatte? „Hast du Lust noch ein wenig draußen Spazieren zu gehen?", fragte ich schließlich, um die drückende Stille zwischen uns zu brechen. Rara überlegte kurz, dann nickte sie und zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Wir bogen nicht zu unseren Zimmern ab, sondern gingen aus der Tür und verließen das Schulgelände. Die Sterne leuchteten wie einzelne kleine Sonnen am Himmel und der Mond war wie eine leuchtende Scheibe am dunklen Schwarz. 

Rara's Sicht:

Sugawara legte den Kopf in den Nacken und blickte hoch zum Himmel, der mit unzähligen strahlenden Sternen übersät war. Er stieß einen leichten Seufzer aus und in seinen Augen leuchtete etwas Trauriges, das allerdings verschwand, als er bemerkte, dass ich ihn ansah. Ich wandte meinen Blick ab und folgte Sugawara in einen etwas abgelegenen Park, wo wir uns auf einer Bank niederließen. Es war ein wenig kalt und ohne es zu merken, rückte ich ein paar Millimeter mehr zu Sugawara. Er bemerkte es allerdings nicht, denn er betrachtete wieder den Himmel. „Die Sterne sind schön...", murmelte ich und er wandte mir den Blick zu. „Du magst Sterne auch?", fragte er und seine Augen leuchteten. Ich nickte und er lächelte wieder sein warmes Lächeln, das die Schmetterlinge in meinem Bauch austicken ließ. Ich lächelte allerdings zurück, um meine roten Wangen ein wenig zu überspielen. 

Eine Weile sprachen wir nicht. „Du kanntest Kuroo also schon?", fragte Sugawara plötzlich. „Nein, nein, ich war nur bei seinen Spielen und ich hab ein paar Autogramme von ihm. Mein Cousin war relativ gut mit ihm befreundet, aber ich weiß nicht, ob sie sich jetzt noch so oft sehen, nachdem er die Nekoma verlassen hat. Er war oft bei ihm zu Besuch.", erklärte ich. „Ah, achso." „Aber du meintest wohl eher das, was er vorhin gesagt hat, hab ich Recht?", fragte ich und Sugawara nickte ertappt. „Nun, eigentlich rede ich mit niemandem darüber. Ich habe eine Essstörung, seit ich auf die Mittelschule gekommen bin. In dem Monat hatte ich anscheinend einfach zu wenig gegessen und bin dann umgekippt. War aber auch nichts schlimmes.", erzählte ich und meine Hände verkrampften sich dabei. Nun, das war eigentlich gelogen. Ich konnte das Krankenhaus für mehrere Wochen nicht mehr verlassen, da ich nichts festes herunterbekam. Deshalb mussten mir Infusionen verabreicht werden, damit ich nicht zu viel an Gewicht verliere. Meine Großmutter hatte sich enorme Sorgen gemacht und mein Cousin war auch mehrmals zu mir gekommen. Einmal war sogar Kuroo dabei gewesen, aber daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Es war ja schließlich auch schon lange her.

„Die Essstörung wurde dann am selben Tag noch diagnostiziert." Sugawara hatte nichts gesagt, als ich die Geschichte fertig erzählt hatte, also stand ich auf. „Ich denke, wir sollten gehen. Es ist dunkel und Kiyoko macht sich sicher schon Sorgen." Ich stand nun direkt vor ihm, doch Sugawara hatte sich noch immer nicht bewegt. Plötzlich packte er mich an meinen Armen und zog mich zu sich runter. Ich saß zwischen seinen Beinen auf der Bank und er schlang seine Arme um mich. Seinen Kopf legte er auf meine Schulter und zog mich dicht an sich heran. Ich saß angelehnt an seine Brust und konnte sein klopfendes Herz laut hören. Es hörte sich an, als würde es jeden Moment aus seiner Brust herausspringen. Und ohne es kontrollieren zu können kamen mir plötzlich Tränen.

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Wörter: 1091

Song: First Love von Jurrivh

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