Ich schaute aus dem Fenster des Zuges, in der Tasche das Tütchen voller kleiner bunter Pillen. Ich hing meinen Gedanken nach, fragte mich, wie ich wieder so abrutschen konnte.
Tag 5 des Fastens. Tag 5 und ich rieche überall essen, denke an essen, träume von essen. Meine gehirnleistung hat deutlich spürbar abgenommen. Heute würde ich, zwei Tage verfrüht, mein Fasten brechen. Ich würde wieder konsumieren. Eben noch war ich mir sicher, hatte siegessicher in einem lockeren Handschlag am Bahnhof Geld gegen Pillen getauscht , jetzt beschlich mich die Angst.
Erinnerst du dich nicht an das letzte Mal? Am die Überdosis? Daran das der Trip statt 8 plötzlich 48 Stunden ging? Das du es keinem sagen konntest und alleine mit Todesangst warst? Dachtest du würdest sterben? Erinnerst du dich nicht dass du damit eine Angsstörung ausgelöst hast, das gerade abgeklärt werden muss ob die Epilepsie hast welche durch Drogen ausgelöst werden kann? Willst du das wirklich?
Nein, wollte ich nicht. Aber es fühlte sich an als wäre es die einzige Möglichkeit für ein paar Stunden wieder glücklich zu sein. Die Tage danach in depressivität würde ich schon schaffen. Montag begann die Schule wieder. Was sollte mir schon passieren, ich würde diesmal besser aufpassen und weniger nehmen. Vielleicht nur eine halbe. Ist sowieso geldsparender. Mein herz raste. Verzweifelte betrachtete ich die kalte Landschaft draußen. Wann war ich wieder so abgerutscht? Wann hatte ich die Kontrolle über mein Leben so sehr verloren? Warum bemerkte ich es erst jetzt so spät? Zu Hause lag alles auf dem Boden rum, sieht mir als ordnungsfanatikerin gar nicht ähnlich. Die Essstörung ist endgültig eskaliert und ich traue mich kaum mehr etwas zu essen selbst wenn es kaum Kalorien hat. Ich traue mich ja kaum mehr genügend Wasser zu trinken. Der bewegungszwang ist endgültig zurück. Ich trank schon wieder zu viel Alkohol ehe ich Angst vor den Kalorien bekam. Ich begann wieder viel zu rauchen. Ich besorgte mir wieder Drogen und schnitt mir die Arme auf. Wann? Wann hatte sich alles so entwickelt? Seit wann hatte ich keine Ziele mehr? Der Hunger stach in meinem Magen. Das einzige Gefühl das ich wirklich noch spüren konnte. Ich hatte mich von allem und jedem distanziert. Wenn nun etwas passierte war ich auf mich allein gestellt. Und das war gut so, aber es macht nunmal Angst. Das hungern macht Angst. Die Drogen machen Angst. Diese kalte Welt macht Angst. Es würde schon alles gut werden? Glaubte ich das? Nein. Aber ich wusste das ich es konnte. Vielleicht musste ich nur nochmal sinken. Ich wusste ich würde alles wieder auf die Kette bekommen können. Ich hatte in diesem ständig wiederkehrenden Kreislauf nur noch nivht durchblickt was immer erst passieren musste damit ich etwas ändern konnte und es gelingt. Alle versuche zuvor es zu ändern misslangen. Im Kopf ging ich durch was ich gleich zu essen holen würde. Es durfte nichts zu leichtes sein. Man konsumiert nicht auf nüchternen Magen und auch nicht auf reiswaffeln und Gurke. Es musste etwas anständiges sein, aber das würde Kalorien haben. Und ich würde wieder dick werden. Ich nahm unter dem Fasten ja kaum ab. Heute hatte ich sogar 100g zugenommen. Ich war gut in Biologie und daher wusste ich dass das absolut keinen Sinn ergab da ich bereits so lange schon im Defizit war. Vielleicht wassereinlagerungen wegen der Brühe. Ich musste die Brühe reduzieren.
Der Zug näherte sich der Endstation und ich bereitete mich darauf vor etwas zu essen zu kaufen und es auch zu essen.Was jetzt? Was nun? Was tust du nun? Wie geht es weiter?
In dauerschleife rasten die Gedanken durch meinen Kopf. Ich saß auf meinem Bett, starrte die Wand an und war völlig überfordert mit der Welle an Gedanken und Gefühlen die auf mich zu kam. Insbesondere Ecstasy hat auf Leute mit adhs nachweislich eine andere Wirkung als auf nicht neurodiverse. Viele ADHS Medikamente werden tatsächlich als Drogen gedealt, diese nutzen mir jedoch wenig. Emma wirkt auf mich , wenn es vernünftiges und gut dosiertes ist, beruhigend. Es lässt die rasenden Gedanken verstummen und das Chaos an Emotionen die ich nicht zuordnen kann beruhigt sich. Und oh Lord, wie ich das genieße! Ruhe. Einfach Ruhe. Ich kann mein Gehirn auf eine völlig andere Art und Weise nutzen, manchmal glaube ich, dass ich unter mdma fast besser therapierbar wäre. Aber von Anfang an.
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Bodenlos
Teen FictionFortsetzung der beiden Bücher „Ana" und „Mental illnes Vibes" , es wird wieder um psychische Instabilität gehen, besonders um Essstörungen, depressive Episoden, ADHS und Trauma in Form von Gewalt. Hiermit eine gesamte TW für das Buch! Genauso wird e...