17. April 2024

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Bin ich falsch oder nur der Ort an welchem ich mich befinde? Muss ich mich verändern oder lediglich die Umgebung? Wenn alles dunkel ist, kann ich mein eigenes Licht sein? Aufhören wenn es am schönsten ist, oder wenn man auf dem Boden der Tatsachen sitzt? Aufhören womit? Die Ausbildung? Die Schule? Das Leben? Ich fühle mich falsch, fehl am Platz. Irgendwo in tiefem Nebel verloren, welcher immer dunkler wird. Ich habe meinen Platz verloren. Meinen Platz in der Familie, in der Klasse, in diesem Leben. Ganz langsam, ohne das es mir aufgefallen ist. Überall nur kurz, nur zu Besuch. Nirgendwo wo ich wirklich hingehörte, wo ich okay war, wo ich aufatmen konnte. Ich kann mich nicht beschweren, sicher nicht, läuft doch alles recht gut. Und vielleicht ist das genau dass, weshalb ich mich so verloren fühle. Habe ich es nicht allen recht gemacht nun? Ich habe mich verbogen und verstellt, versucht ein Quadrat in einen Kreis zu quetschen. Ich war zu dünn, aß zu wenig, man fürchtete um mein leben, also aß ich. Und ich esse. Ich habe acht Kilo zugenommen. Ich habe kein Normalgewicht, aber ich stehe kurz davor. Ich bin wieder recht fit, habe wieder neue Energie meine Rolle aufrecht zu halten. Zu lachen, wenn mir nicht danach ist. Aufzupassen und zu lernen, selbst wenn die Sehnsucht an mir nagt. All den ärger wieder herunter zu schlucken. Ich habe meine Führerschein doch tatsächlich vergangene Woche bestanden.
Und während ich das so nieder schreibe fällt es mir wie schuppen von den Augen. Es ergibt plötzlich Sinn. Es ergibt Sinn weshalb ich mich so falsch fühle. Es ergibt Sinn weshalb ich weg will. Es ergibt Sinn weshalb die Essstörung an mir nagt obwohl es mir gut gehen müsste. Es müsste, aber das tut es nicht. Es gibt einfach nichts mehr was mich hier hält. Und dennoch komme ich nicht weg und das macht mich hilflos. Ich weiß gar nicht recht wo alles anfing. Ich war schon immer irgendwie anders, aber das war okay. Ich glaube als ich von zuhause auszog. Plötzlich war ich überall nur das Problemkind, alles war eine Übergangslösung. Andauernd sollte ich mich an neue Formen anpassen. Ich kam gelegentlich noch nach Hause, aber ich wurde immer mehr nur der Gast. Mein Zimmer war nicht mehr meines, meine Möbel waren nicht mehr meine, bis ich auf einer Matratze auf dem Boden lag. Mein Platz am Tisch verschwand, nur die Bilder an der Wand blieben. Ich war nichts weiter als eine Erinnerung. Eine verblassende Erinnerung. Mein gesamter kram verschwand nach und nach und dann verschwand auch ich. Ich hatte keinen platz mehr in der kleinen Familie. Aus der Wohngruppe flog ich raus, wieder einmal, und wieder wurde mir klar, dass ich nirgends ganz zuhause war. Alles war nur ein Übergang. In der Schule versuchte ich nicht weiter aufzufallen, versuchte mich still zurück zu ziehen. Unsere Gruppe zerbrach sowieso langsam und auch hier schien ich nicht mehr viel mehr als ein schatten zu sein. Ich verlor mich in den vielen Stunden hinter der falschen Seite des Fensters. Ich konnte den Blick in die Ferne richten, nicht jedoch selbst hin gehen. Stattdessen sollte ich still und ruhig auf einem Stuhl sitzen und starr nach vorne zur Tafel schauen. Ignorieren das es draußen regnete, die sonne schien, ein Vogel vorbei flog, eine Blume wuchs. Ich sollte all das herrliche, dass mein Herz höher schlagen ließ, ignorieren. Und es fühlte sich zunehmend falsch an. Aber war ich wirklich falsch, oder nur meine Umgebung? Aber wenn ich überall falsch war, dann war vielleicht nicht die Umgebung falsch, sondern tatsächlich ich. Aber hier fühlte ich mich definitiv nicht richtig. Alle erzählen von ihren Familien und von ihrem tollen Elternhaus, von der emotionalen, der physischen und der finanziellen Unterstützung zu Hause. Aber ich war alleine. Ich hatte weder das eine, noch das andere. Und wir wurde älter und so viel es immer mehr auf. Es war noch nie so hart wie aktuell sich durchzukämpfen. Alleine, ohne Unterstützung von zuhause. Aber jeder Gedanke an zu Hause war ein Messerstich in der Brust.
Verblasst wie eine Erinnerung. Ein Schatten. Nur die Bilder an den Wänden blieben. Problemkind.
Nur die Bilder an der Wand blieben.
Und auch die Bilder werden verschwinden.
Du wirst verschwinden.
Ich werde verschwinden.
Es tut vermutlich mehr weh als es sollte. Abe es tut weh. Und ich kann nichts dagegen tun. Ich kann auch nichts gegen das Gefühl tun, falsch zu sein. Ich kann meine AirPods anmachen, die Musik versuchen lauter zu stellen als der Unterricht, als die Stimmen, als mein Kopf. Aber es gelang eher selten. Eine Tasche packen und gehen? Wohin? Mit welchem Geld? Die Ausbildung abbrechen und eine neue beginnen? Sicher, dass wäre eine Möglichkeit. Aber dann wäre ich wieder die Enttäuschung. Dann gäbe es einen Grund zu sagen „ siehst du, ich habs doch gesagt, du schaffst es nicht. Du bist nicht gut genug." ich wäre dann wie sie. Und ich will nicht wie sie sein. Also welche Optionen hatte ich? An einem Ort bleiben an dem mir täglich vermittelt wurde, dass ich falsch war? Oder an einen Ort gehen an welchem ich möglicherweise richtig war, jedoch wäre dann alles umsonst gewesen. Und Fehler kann ich mir kaum erlauben. Kaum vorstellbar für Leute deren Eltern gemeinsam die Konsequenzen tragen, Leute die noch halben Welpenschutz haben. Ich habe auch hier wieder weder das eine noch das andere. Ich muss jeden einzelnen Fehler alleine tragen, ihn am besten vorher wissen. Fehltritte kann ich kaum erlauben. Welpenschutz habe ich schon so lange nicht mehr. Ich habe die Welt gesehen, von ihrer hässlichsten Seite, eine Seite, welche die meisten nie zu Gesicht bekommen. Ich habe gelernt mich durchzuschlagen, in Kriminalität, zwischen. Gewalt und Drogen, auf der Straße. Und ich stehe hier, aber ich stehe hier falsch. Ich gehöre weder an den einen noch den anderen Ort. Und eine Familie habe ich nicht. Also wohin? Du kannst nicht gesund werden wo du krank geworden bist. Vielleicht ist es aber kein Ort gewesen, vielleicht war es diese Welt. Und diese Welt zu verlassen... wo wäre das ein Ausweg? Aufhören wenn es am schönsten ist? Oder auf dem Boden der Tatsachen wenn ma klar genug denken kann das man nicht richtig ist? Immer wieder weiter zu machen ist genauso wie ein Kind das inmitten von einem Kreis Menschen groß wird das es immer wieder zu Boden schlägt. Und wenn es mal ein paar Tage Pause hat und es kurz aufstehen kann, denkt es plötzlich die ganze Welt wäre wieder okay, dabei sind es nur wenige Tage. Aber es würde sich nicht trauen zu gehen, denn grade ist ja alles okay. Aber es wird nicht okay bleiben. Man wird es immer und immer wieder zu Boden schlagen. Und immer und immer wieder wird es keine kraft mehr haben. Und dann wird es gehen wollen. Nicht aber dann, wenn es am schönsten ist. Aber das „am schönsten" wird nicht von Dauer sein. Also gehen solange man den Mut dazu hat? Würde es auffallen? Fällt es auf, wenn ein Mensch verschwindet, der sowieso nie wirklich da war?
Verblassen. Die Bilder werden verschwinden. Du wirst verschwinden. Und du wirst nichts weiter als eine Erinnerung bleiben. Selbst für sie. Denn die Bilder vo der wand werden verschwinden, wie dein platz in der Familie.
Und in der Schule- nun ich gehörte nie wirklich hier her. Demnach würde es nicht auffallen. Tagtäglich starre ich aus dem Fenster, frage mich ob das hier eine Schule oder ein Gefängnis ist. Und seit ich esse, seit ich mehr wiege, scheint es kaum mehr aushaltbar.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 15 ⏰

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