Unit 1

20.9K 863 420
                                    

Ich seufzte laut, obwohl niemand hier war. Und selbst wenn würde es wohl keiner hören, weil die Musik in der Küche noch so laut dröhnte, dass man sein eigenes Wort kaum verstand. Es war meine Abschiedsparty und ich versumpfte alleine in der Küche in Selbstmitleid. Allerdings konnte ich mich so schon mal daran gewöhnen, wie ich mich in Zukunft immer fühlen würde: Einsam.

Ich hatte immer noch nicht begriffen wieso wir überhaupt umziehen mussten. Okay, das Leben meiner Mutter war vermutlich nicht so wie sie es sich vorgestellt hatte, als sie noch so alt war wie ich. Aber glaubte sie wirklich in England würde sich das ändern?

Sie bekam es seit sie mich hatte nicht mehr auf die Reihe eine richtige Beziehung zu führen. Wobei man fairerweise sagen musste, dass sich meine Mutter auch nie beziehungsfähige Typen aussuchte. Mum hatte eine ungesunde Obsession mit Typen die sich selbst für den Größten hielten. Meistens waren es irgendwelche Anwälte oder Richter die sie in ihrem Beruf kennenlernen und die eine Menge Kohle scheffelten. Und die nicht vorhatten einen Teil dieser Kohle für ein Häuschen und eine eigene Familie zu investieren sondern lieber ihr „Player" Leben weiterführten. Aber anscheinend konnte man von einer 38-jährigen nicht erwarten, dass sie das durchschaute.

Vermutlich war mein Vater genau so ein Typ. Mit gegelten Haaren und Anzug. Mama behauptete gerne, dass er unglaublich gut aussah und unglaublich intelligent gewesen wäre.

Aber mal ganz ehrlich wie klug konnte er schon sein, wenn er zu blöd war bei einem One-Night-Stand zu verhüten?

Meine Mutter und ich waren eigentlich immer ein gutes Team gewesen, es hatte durchaus seine Vorteile eine junge „coole" Mutter zu haben. Anna, meine beste Freundin, beneidete mich oft um sie, da ihre Eltern extrem streng und penibel waren. Mittlerweile wünschte ich mir allerdings öfters ihre Eltern zu haben, denn die würden nie auf die Idee kommen einfach in ein anderes Land zu ziehen.

Ich konnte gar nicht mehr zählen wie oft ich in den letzten Monaten den Satz „Das ist nicht fair!" ausgesprochen hatte.
Ich war mir sicher, dass ich nach dem anfänglichen Schock das ich umziehen würde, alle Leute in meinem Umkreis mit meinem Gejammer auf die Nerven ging. Aber ich teilte halt gerne mit wie ich mich fühlte und wenn ich mich schlecht fühlte teilte ich das eben auch mit.
England... ich konnte mich auch so gar nicht damit anfreunden. In meiner Vorstellung regnete es dort jeden Tag und alle waren Fußballverrückt. Wobei sie sich dabei auch gerne auf ein paar Schlägereien einließen. An diesem Bild war vor allem mein Exfreund Schuld mit dem ich bestimmt tausend Hooligansfilme ansehen musste. Wer hätte gedacht das Elijah Wood den ich eher als Frodo kannte, nebenbei bemerkt musste ich Herr der Ringe auch wegen meinem Ex sehen, so ein harter Kerl sein konnte?

Außerdem konnten Engländer nicht kochen, das hat unsere Englischlehrerin die aus Manchester kam selbst oft genug bestätigt.

Und nebenbei bemerkt, machen wir uns nichts vor: Die Wahrscheinlichkeit, dass dort alle Typen so gut wie One Direction aussahen war doch ziemlich gering. Um ehrlich zu sein hätte ich den Engländern Adjektive wie gutaussehend und sexy wohl nie zugeordnet.

Wenn wir schon auswandern mussten wieso dann nicht in ein cooles Land? Klar nach Australien oder den USA auswandern war wohl schwieriger als nach England, wo man dank EU kein Visum mehr brauchte, aber hey Spanien wäre doch vielleicht gar nicht so schlecht gewesen?! Oder Italien? Schließlich war Latein eins meiner stärksten Fächer und dank zwei Wochen Bibione jeden Sommer seit ich vier war konnte ich sogar ein bisschen Italienisch. Außerdem stand ich auf Eiscreme und Sommer und Strand und Italiener.

„Da bist du ja!" die Stimme von Tim riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte sich vor mir aufgebaut und blickte zu mir herunter.„Ich hab dich im ganzen Haus gesucht und du hockst hier vor dem Herd!" sagte er vorwurfsvoll, aber ich seufzte nur und streckte meine angezogenen Beine zwischen seine aus. Dann klopfte ich neben mich auf den Boden um ihm anzudeuten sich neben mich zu setzen. Er verstand es und nachdem er sich niedergelassen hatte lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter.

Englisch für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt