🎅 Nicht alle Männer mit Bart heißen Claus 🏳️‍🌈

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Moin ihr Lieben,

Diese Episode ist ein kleiner Spin-Off zu Jasons Geschichte aus „Medicine". Sie kann aber unabhängig davon gelesen werden.

Erstmals erschienen im Instagram Adventskalender von Antonia_Sandmann .
Unter #antonias_adventskalender könnt ihr viele schöne Geschichten von tollen Autoren nachlesen.

Aber nun viel Spaß!

🎄

Gerade habe ich meine Schicht im Pandoora beendet und meine Jacke aus der Angestellten-Garderobe geholt, als mich jemand am Arm zurückhält. Doch ich habe keine Lust mehr auf einen Flirt und wimmele ihn ab. „Sorry Süßer, ich habe jetzt Feierabend!"

„Warte kurz", sagt der Mann mit tiefer Stimme und ich drehe mich nun doch zu ihm um. Er ist groß, dunkelhäutig und trägt einen dunkelbraunen Vollbart. Seine Augen sehen mich durch eine modische Brille hindurch an.

„Sorry, ich stehe überhaupt nicht auf Vollbart", entfährt es mir. Der Mann zieht eine Augenbraue hoch, doch bevor ich ihn fragen kann, was er von mir will, wird er angerempelt und stolpert auf mich zu. Grinsend bleibt er vor mir stehen und ich nehme den Duft eines sehr männlichen und, wie mir scheint, auch sehr teuren Parfüms wahr. „Wenn es nur der Bart ist, der dich stört", raunt er und ich fühle mich an meinen Exfreund erinnert, der eine ähnliche Bassstimme herausgeholt hat, wenn er mich verführen wollte.

„Auf der Brust stören mich Haare nicht", plaudere ich aus, denn so nah bei ihm fallen mir ein paar Härchen unter dem Shirtkragen auf. „Nur im Gesicht finde ich sie schwierig. Vielleicht liegt das an meiner Großtante Gertrud, die hatte immer so einen dicken Flaum auf der Oberlippe", zeige ich mit meinem Finger und verziehe dabei das Gesicht.

Der Mann lacht laut auf und ich lächele. Die letzten Monate waren schwer für mich, nachdem mein Freund, in eine andere Stadt gezogen war und sich dort in seinen alten Schwarm verliebt hatte. Für eine Weile hatte ich schon den Glauben an die Männerwelt verloren. Selbst in dem Gayclub, in dem ich arbeite, sprach mich keiner so richtig an. Doch dieser eine mit dem netten Lächeln gefällt mir irgendwie. Trotz des Bartes.

„Ich bin Tristan", lächelt er freundlich und ich will mich ebenfalls vorstellen. „Ich bin..." „Jason", unterbricht er mich. „Woher...?", frage ich ihn verwundert. Er zeigt mir grinsend den Ausweis meines Fitnessstudios, der aus meiner Jacke gefallen sein muss.

„Oh Gott, und ich dachte du wolltest mich anbaggern...", platzt es aus mir heraus.  „Es ist nicht so, dass ich gänzlich abgeneigt wäre", grinst er. „Vor allem, nachdem du das mit der Brustbehaarung gesagt hast. Davon hätte ich viel zu bieten", zwinkert er. Nun lache ich laut auf. Seine direkte Art gefällt mir. Wir unterhalten uns noch eine Weile und er lädt mich am nächsten Tag auf den Weihnachtsmarkt ein.

Als ich am späten Nachmittag auf Tristan warte, beginnt es auf einmal zu schneien. Dicke hellgraue Flocken gleiten träge zu Boden und werden von den vorbeieilenden Menschen sofort wieder zertreten. Auf einmal fällt mir wieder ein, warum ich die letzten Monate zuhause verbracht habe. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen an IHN überall in dieser Stadt. Selbst der Schnee erinnert mich an meinen ersten Winter mit Aiden.

Wir waren zusammen auf der Schlittschuhbahn, als es anfing zu schneien, genau wie heute. Ich war viel zu dünn angezogen und Aiden hatte seine Jacke geöffnet und mich darin dicht an sich eingewickelt. Die Flocken waren auf meine Nase gefallen und er hatte sie mir einfach weggeküsst.

Doch nun hält er einen anderen in seinen starken Armen. Und ich stehe hier wie bestellt und nicht abgeholt und warte auf einen Nachtclub-Bekanntschaft, die wahrscheinlich niemals kommen wird.

„Rate wer ich bin?", fragt plötzlich eine Bassstimme hinter mir, während meine Augen von zwei behandschuhten Händen verdeckt werden. „Der Weihnachtsmann?", rate ich plump. Doch bei dem Gedanken, dass an Weihnachten jemand wie Tristan mit einem lauten „Ho Ho Ho" aus meinem nicht vorhandenen Kamin purzelt, muss ich kichern.

Am besten nur in einer roten Badehose aus Samt. Mit einer Bommelmütze aus Plüsch auf seinem besten.... ‚Halt, Jason, jetzt gehen die Rentiere mit dir durch.' Als ich mich umdrehe, sehe ich warme braune Augen, die mich anlächeln. Vielleicht ist ja jetzt die Zeit gekommen, mich einfach wieder ins Leben zu stürzen. Auch wenn es mit dem bärtigen Santa Claus ist.

Wir gehen eine Weile über den Weihnachtsmarkt und am Stand mit den Kerzen fällt unser Gespräch auf einmal wieder auf das Bartthema.

„Hast du denn schon einmal jemanden mit einem solchen Bart geküsst", will Tristan neugierig wissen.

„Nein, habe ich nicht", muss ich ehrlich zugeben.

"Dann fußt deine Abneigung nur auf deinem Vorurteil gegen Bärte?", fragt er.

„Also wenn du das so sagst, hört es sich ziemlich blöd an", gebe ich zu. „Aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen", verteidige ich mich.

„Vielleicht musst du es einfach mal ausprobieren", schlägt er vor und grinst mich dabei an. Ist das etwa eine Einladung? Langsam komme ich ihm näher.

„Wenn ich doch nur jemanden kennen würde, den ich tatsächlich gerne küssen würde, obwohl er einen Bart hat...", überlege ich laut.

Tristan lacht auf und sieht mich dann durchdringend an. „Ja, wenn...", sagt er und legt seine Hand an meine Wange. Sie steckt noch in dem Handschuh und ist ein wenig feucht von angetautem Schnee. Ich fühle mich an Aiden erinnert und doch, ist dies nicht mein Exfreund. Es ist ein netter Mann, der mich vielleicht endlich wieder auf andere Gedanken bringt. Aber was ist mit diesen Haaren in seinem Gesicht? Soll ich wirklich?

Ach, Scheiß drauf, denke ich und beuge mich das letzte Stück zu ihm hinüber. Meine Lippen landen auf denen meines Begleiters und ich bin erstaunt, wie weich seine Barthaare sich anfühlen. Ich hatte angenommen, sie würden mich piksen, aber Tristans Bart ist gar nicht stachelig. Statt mich gleich wieder zurückzuziehen, nutze ich die Chance und beginne seine Lippen und seinen Mund mit meinem zu erkunden.

Ein herber Duft steigt mir in die Nase und ich versinke förmlich in dem Gefühl von Sehnsucht, dass mir die Nähe zu diesem Mann schenkt. Wie lange habe ich keinen mehr geküsst, seit Aiden weg ist. Verdammt, Aiden! Wieso muss der sich ausgerechnet jetzt in meinen Kopf zecken? Habe ich nicht schon genug gelitten?

„Du scheinst mir ein wenig abgelenkt zu sein? Ist es so schlimm mit dem Bart?", schmunzelt Tristan amüsiert, als sich unsere Lippen voneinander lösen. Vehement schüttele ich den Kopf. „Tatsächlich bin ich überrascht, wie weich er ist."

„Wo ist dann das Problem?"

„Ich..." Wie sage ich ihm bloß, dass mir jemand vor über einem halben Jahr das Herz gebrochen hat und es noch immer nicht geheilt ist?

„Weißt du, Jason, es ist auch egal", sagt er plötzlich und hebt seine Hand zu meinem Gesicht. Doch diesmal spüre ich weiche Haut auf meiner. Noch warm vom Handschuh berühren seine Finger meine Wange und ich lege mein Gesicht instinktiv an seine Handinnenfläche, die sich so gut anfühlt und eine ungewohnte Nähe ausstrahlt. Nähe, die ich seit Aiden so vermisst habe.

„Ich mag dich und möchte dich glücklich sehen. Was auch immer dich bedrückt, lass es uns für den heutigen Nachmittag vergessen, okay?"

Ich nicke wie von selbst, denn auch ich möchte die Einsamkeit endlich hinter mir lassen und von vorne beginnen. „Was hälst du von dem Stand mit den Schokobananen? Die sehen köstlich aus!", unterbricht Tristan nun meine Gedanken.

„Ernsthaft ?", lache ich, als er mich tatsächlich zu dem Stand mit dem Obst zieht. Dabei hält er meine Hand fest in seiner und ich kann ein breites Grinsen nicht unterdrücken, als er zwei mit Schokolade überzogene Bananen ordert. Eine mit weißer Schoki und eine mit Vollmilchschokolade.

„Und welche ist für mich?", frage ich grinsend, als er mir beide stolz entgegenstreckt.

„Das kannst du dir bestimmt denken", antwortet er und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. Ich lache und greife nach der Vollmilch. Mit unserem Snack in der Hand spazieren wir über den hell erleuchteten Weihnachtsmarkt und halten uns dabei an den Händen. Und zum ersten Mal seit Monaten, fühle ich wieder so etwas wie Geborgenheit in mir aufsteigen und glaube fest daran, dass ich Weihnachten dieses Jahr doch nicht allein verbringen werde.

Ca. 1.300 Wörter

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