Heute mal etwas Ernsteres. Basierend auf dem Wettbewerb "Two Notes - One Story" von Grazia_Nera habe ich eine Geschichte zu den Wörtern Liebe und Verzweifelung geschrieben.
Zudem habe ich als kleine Extra-Challenge oder inspriration den Satz „Der Wodka war leichter zu schlucken, als die Tatsache, dass du nie mehr zurückkommen würdest" von SteffiDa eingebaut.
Trigger: Tod, Trauer, Krieg, Suizid
Über Kommentare und Feedback freue ich mich wie immer sehr ♥️
Laut atmete Mikail aus, berührte mit nun ruhigen Fingern den Aufnahmeknopf und blickte dann gerade in die Kamera. Auf dem Bildschirm erschien das Profil seines schmalen Gesichtes mit den, in den letzten Monaten trübe gewordenen, grünen Augen; im Hintergrund sein Zimmer im siebzig Stock hohen Plattenbau der Megametropole.
„Guten Morgen", hauchte er in das Mikrophon, dass er vor sich aufgebaut hatte; bewusst leise, denn die Wände der Wohnung waren dünn und hatten bisweilen Ohren.
„Ich melde mich heute wahrscheinlich das letzte Mal bei euch, denn die Schlinge um meinen Hals wird enger, die Blicke schärfer und die Situation immer gefährlicher." Mikas Stimme war fast nur ein Flüstern, aber gerade laut genug, dass seine anonymen Zuschauer überall auf der Welt seine Botschaft verstehen konnten, die er aus dem Käfig seiner Wohnung hoch über der Stadt eines Landes sendete, das seit knapp zwei Jahren einen aussichtslosen und irrsinnigen Krieg gegen ein Nachbarland führte, um seine Macht gegenüber dem Ausland zu demonstrieren.
„Gestern haben sie Majah abgeholt. Mitten im Unterricht kamen zwei Soldaten und haben sie wegen des Verdachts auf Gefährdung der Staatssicherheit mitgenommen. Nur, weil sie sich, wie inzwischen immer mehr von uns Lehrern, geweigert hat, die Wahrheit über die Angriffe auf unsere Nachbarn zu verschweigen", erzählte er mit stockender Stimme.
Im Chat, der parallel zu der Liveübertragung lief, häuften sich inzwischen Beileidsbekundigungen, Empörungen und Fragen, die Mikail versuchte so gut es ging zu berücksichtigen. Doch immer wieder wanderte sein nervöser Blick auf das, was hinter ihm vor sich ging. Fast jede Sekunde rechnete er damit, dass die Tür aufliegen und Soldaten hereinstürmen würden. Er musste sich mit dieser, seiner letzten Show, beeilen.
„Ich sehe, ihr wollt wissen, was mit Majah passiert ist. Ob sie das gleiche Schicksal wie Koni erleiden wird. Aber ich weiß nicht, was sie mit ihr tun werden. Weiß nicht, ob es ihr ergehen wird wie Jokoni", gab Mika zu und musste schlucken. Vor gut vier Monaten, als sie seinen geliebten Bruder einberufen hatten, um gegen die Menschen zu kämpfen, mit denen sich die Brüder immer gut verstanden hatten, hatte Mika angefangen, diese Lifeshow heimlich in alle Welt zu übertragen.
Zuerst hatte er seinen Followern im Kleinen - mit einer Hand voll Zuschauern und sehr privat - sein Leid geklagt. Doch mit jeder weiteren Sendung wurde sein Publikum umfassender, seine Reichweite größer und die Gefahr des Entdecktwerdens höher. Seine erste Sendung mit mehr als tausend anonymen Zuschauern, war die Anfang März gewesen, als er gerade erfahren hatte, dass sein Bruder, kurz vor Ende seiner Dienstzeit, nahe der Grenze gefallen war.
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Bobbys Short Stories
Storie breviHier veröffentliche ich alle Kurzgeschichten bis 5k Wörter, die kein eigenes Buch bekommen. Das können Geschichten aus Wettbewerben, Beteiligungen an anderen Projekten oder solche, die einfach aus Spaß am Schreiben entstanden sind, sein. Verschiede...