•neun•

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vivienna apolline de valois

Sofort spürte ich wie mir ein wenig wärmer wurde und der Schmerz in meinen Gliedmaßen ein wenig nachließ.
Ich sah die Verwirrung in Vincents Augen und konnte mir gut vorstellen, dass ich aussehen musste wie sein Ebenbild. Ich hatte mit allem gerechnet, jedoch nicht damit, dass ich nun an dem Haus von Vincent Vandelorr klingeln würde, seine kleine Schwester auf dem Arm.
Nervös räusperte ich mich und sah, wie auch Vincent sich unbeholfen am Nacken kratzte. Es entstand eine unangenehme Stille. „Ich... Ähm, also ich wollte eigentlich auch
nur d-", leise erhob ich meine Stimme, doch wurde nach nur ein paar Wörtern von einem lauten Poltern unterbrochen. „Vinc! Wo bleibst du denn? Ich hab so hunger,
du glaubst das nicht!" Erschrocken versteifte ich mich und versuchte, Charlotte, welche immernoch seelenruhig auf meinem Arm schlief die Ohren zuzuhalten. Ich wollte um jeden
Preis verhindern, dass die Kleine aufwachte!
Nur wenige Sekunden später sah ich auch, von wem die ungeduldige Stimme und das Poltern stammten. Und ich wusste nicht, ob mich diese Erkenntniss ein wenig beruhigte oder
nur noch mehr verunsicherte.

Am anderen Ende der Eingangshalle, welche mehr einem breiten Flur ähnelte stand am Geländer der Treppe, ein völlig verwirrt dreinblickender Oscar.
„Vivienna, hi!" Auch er schien ziemlich verwirrt. „Vinc, ich wusste gar nicht, dass du noch jemanden eingeladen hast! Es tut mir leid Vivienna, ich dachte, du wärst der Pizzabringdienst, sonst hätte ich nicht so herumgeschrien!" Ein leises Lachen kam über meine Lippen. „Alles gut! Ich hatte eigentlich auch nicht vor heute noch vorbeizukommen." Die Stimmung war nun ein wenig lockerer, doch während Oscar mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen auf uns zugelaufen kam, standen Vincent und ich immernoch ein wenig unbeholfen da.
Als ein weiterer kurzer Moment der Stille herrschte, nahm ich mir die Zeit, die beiden zu mustern.
Während Oscar einen ausgewaschenen grauen Pullover und eine kurze Trainingshose trug und aus welchen Gründen auch immer eine kleine rosane Blume hinter seinem Ohr klemmte, sah Vincent doch völlig anders aus. Irgendwie besonders.

Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte. Er trug nichts auffälliges. Lediglich eine graue Jogginghose und einen Königsblauen Zipper mit dem winzigen Pferd über dem Herzen. Seine hongblonden Haare fielen ihm wirr in die Stirn und betonten seine tiefblauen Augen. In seiner Hand hielt er einen Controller, den er vermutlich vergessen hatte, aus der Hand zu legen. Das charmante Lächeln und die kleinen Grübchen, die dabei entstanden waren echt und ließen jung wirken.
Es war nichts besonderes. Aber echt. So echt, wie die Gänseblümchen auf den Wiesen im Park. Sie waren einfach da. Existierten, ohne wirklich wahrgenommen zu werden und doch wäre etwas anders, wenn sie nicht da wären. Etwas würde fehlen und die Welt würde an Farbe verlieren.
Und diese Dinge, diese durch und durch echten Dinge, an denen die meisten einfach vorbeiliefen waren es, die dem Leben Farbe verliehen.

Ich spürte, wie sich das kleine Mädchen auf meinem Arm sich bewegte und langsam ihren Kopf von meiner Schulter hob.
Verschlafen blinzelte sie ein paar Mal und schon hatte sich ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht gelegt.
„Vivi, deine Jacke ist so gemütlich! Fast so gemütlich wie die von meinem Bruder, die ist noch ein mini-bisschen weicher!" Aufgeregt fuchtelte sie mit ihren Händen in der Luft herum, während ich meinen Kopf ein wenig zurückzog, aus Angst, eine ihrer kleinen Hände in meinem Gesicht zu spüren.
Meine Mundwinkel verzogen sich nach oben. Dieses Mädchen strotze nur so vor Lebensfreude und Emotionen, dies hatte ich in der kurzen Zeit, die wir gemeinsam verbracht hatten festgestellt.
Charlotte schien die beiden Jungen uns gegenüber nicht zu bemerken, doch als ich einen kurzen Blick in ihre Richtung warf, stellte ich fest, das den beiden wohl gerade ein Licht aufzugehen schien. Schmunzelnd tippte ich der Brünetten auf die Nase und setzte sie dann zurück auf den Boden.
Verschmitzt grinsend zwinkerte, ich ihr zu und nickte dann zu den beiden Jungen hinter ihr.
Langsam drehte Charlotte sich um und rannte dann auf die beiden zu, ihre Arme nach vorne ausgestreckt, bereit, ihren Bruder fest zu umarmen.

Doch was ich als nächstes sah, verwirrte mich. Anders, als ich anfangs erwartet hatte, fiel der kleine Körper dem, bereits auf dem Boden knienden Oscar entgegen.
„Carlito! Ich hab dich voll vermisst! Aber weißt du was? Vivi hat mich zu dir und Vini gebracht und wir hatten so viel Spaß, sie ist meine Freundin geworden und dann habe ich dich nur noch ein ganz kleines bisschen vermisst, weil dann war ich endlich nicht mehr alleine." Ehrlich lachte der Brünette auf und wuschelte seinem Ebenbild über den Kopf. Erst jetzt fiel mir auf, was ich zunächst übersehen hatte. Sie hatten die gleiche Nase und auch ihre Haare hatten einen identischen Farbton. Nur ihre Augen unterschieden die beiden. Giftgrün und Tedelybärbraun.
Charlotte war gar nicht die Schwester von Vincent, wie ich es am Anfang vermutet hatte. Sie war die kleine Schwester seines besten Freundes Oscar!
Ein wenig peinlich berührt stand ich nun da, unschlüssig, was ich tun sollte. Verloren blickte ich zu Vincent, doch dieser war ganz auf das Geschehen fokussiert.

Ich versuchte, seine Augen zu lesen. Denn das war etwas, dass mir meine Mamá von Anfang an mit auf den Weg geben hatte.
Augen lügen niemals.
Egal, wie sehr ein Mensch versuchte, seine Fassade aufrecht zu erhalten. In seinen Augen lag die Wahrheit.
Doch was ich jetzt in Vincents Augen sah, überraschte mich ein wenig. Ich konnte es nicht deuten.
Ich wusste nicht, was Vincent fühlte doch trotz des schmalen Lächelns auf seinen Lippen wirkten seine Augen trüber als sonst. Das Funkeln war verloren gegangen.

Und auf eine wundersame Weise versetzte mir dies einen Stich. Unsicher bewegte ich mich auf den blonden Jungen zu und stupste ihn leicht von der Seite an. Als meine Haut den weichen Stoff berührte, der seinen Körper bedeckte, wurde meine Hand von einer Gänshaut überzogen.
Langsam senkte er seinen Blick und sah mir direkt in die Augen. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und in meine Augen legte ich all die Wörter, die ich nicht aussprechen konnte.
Es war dieses besondere Lächeln, welches man den Menschen schenkte, die man wirklich liebte.

Und mit diesem Lächeln hatte ich bis zu eben dieser Sekunde nur eine Person angelächelt. Und das war, warum auch immer, Vincent.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 29 ⏰

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