Kapitel 21 - Vollmond mit Adam 2

341 43 4
                                    

Immer wieder drückte Adam Dexter auf den Boden und war dabei mitunter gar nicht sanft. Teils packte er den Kleineren im Nacken und schüttelte ihn, dass Mr Hurt sich doch bereits in der Verpflichtung sah, beide zu trennen.
Dabei kommentierte er nebenbei noch für die anderen Beobachter, dass der kleinere Wolf in seinem Umwerben aggressiver wurde, und der Größere diesen mit erstaunlich viel Geduld für einen Einzelgänger zurückwies.

"Steht zu vermuten, dass der ältere Wolf ihn als Sohn wahrnimmt? Also als Kind und daher nicht paarungsbereit ist?", fragte die Studentin aus der ersten Reihe.
"Das denke ich. Er verhält sich dem Kleineren gegenüber wie eine Art Erzieher. Sie können zwischendurch immer wieder beobachten, wie er diesem hilft sich zurecht zu finden und zu bewegen. Das weitere Setzen der Duftmarken zeigt deutlich, dass er den jüngeren Wolf schützen will. Und würde er dem Gegenüber negativ eingestellt sein, wäre das Bild gänzlich anders. Dennoch kann es, wie gesagt, immer umschwenken."

Dann packte Adam nochmal zu. Doller. Ein schmerzerfülltes Fiepen drang aus der Kehle des kleineren Wolfs.
Und sofort richtete Mr Hurt den Wasserschlauch auf den Größeren.
Den juckte Wasser aber herzlich wenig. Er ließ von dem Kleineren ab und leckte diesem durchs Fell. Ließ sich einfach gießen.

Den kleineren Wolf hatte das Wasser sehr beeindruckt. Der sah aus, als wollte er mit den Vorderläufen des Größeren verschmelzen, der wiederum das Wasser nun doch etwas genervt anknurrte.

Mr Hurt stellte es ab.
"So, wir sehen jetzt, dass der Kleinere offenbar verstanden hat, dass er den Größeren nicht für sich gewinnen kann. Das Lecken der Lefzen ist eine Geste der Unterwerfung und verbunden mit der Bitte um Nahrung. Damit sollte das Ganze jetzt ausgestanden sein."
"Wie wird das ablaufen, wenn der Kleine aus das Rudel trifft?"
"Wir könnten ihn mit Medikamenten einstellen, wenn er das möchte. Im Grunde ist das Verhalten nicht zurück zu führen auf eine erhöhte Paarungsbereitschaft, sondern eher auf den Wunsch nach Zugehörigkeit und Schutz. Für ihn ist das der einfachste Weg beides zu bekommen."
"Das scheint mir nicht ganz unproblematisch...", murmelte ein Student.
"Das ist Natur."
"Wie entsteht eine solche Verankerung?", fragte die Studentin von eben wieder, während die Wölfe jetzt ruhig beieinander lagen.

"Nun, zum einen ist das darauf zurück zu führen, dass sein Körper sich noch nicht an die Lykanthrophie gewöhnt hat. Während der Vollmondphasen sind die wesentlichen Antriebe die niederen Instinkte. Also Fressen und Fortpflanzung. Die Variante mit dem Fressen, also der Jagd, hat der Kleine bisher gar nicht erlebt. Sein erster Vollmond ist nahezu schlechtestmöglich verlaufen. Er war, zwar abgesperrt, aber dennoch, von anderen größeren und stärkeren Wölfen umgeben. Der Drang sich zu unterwerfen wäre vermutlich bei so gut wie jedem aufgekommen. Die haben deutlich gemacht, was sie wollten und er hat entsprechend reagiert. Das ist das einzige Verhalten, was sein Wolf kennt. Also hat er das heute wieder versucht. Wir werden die beiden jetzt gleich raus lassen. Möglicherweise favorisiert er dann die Jagd und das übersteigerte Sexualverhalten wird dann von ihm aus selbst beendet."
"Wie ist das als Mensch?", fragte einer der Lehrer.
"Bisher ist mir da nichts aufgefallen. Er reagierte auf seine erste Vollmondnacht angesprochen schamhaft. Daher ist von einem ähnlichen Verhalten in Menschenform nicht auszugehen. So. Dann lassen wir sie Mal raus.", entschied Mr Hurt und zog einem Hebel, woraufhin sich ein kleines Tor öffnete. Sofort rannte der größere Wolf los und der kleinere tapste hinterher.

Mr Hurt und die anderen beobachteten die beiden nun über diverse Überwachungskameras im Außenbereich.

"Wir sehen jetzt, wie viel wohler sich gerade der Ältere nun fühlt. Eingesperrt sein ist ihnen eine Qual. Wir sehen, dass er auf den Jüngeren wartet. Ihr Rudelverhalten ist gut zu beobachten und es gibt eine klare Hierarchie."
"Wäre es da nicht besser, man würde die beiden zusammen lassen?", fragte der Student, der eben auch schon was gefragt hatte.
"Nein. Kein bisschen. Gerade junge Wölfe lassen sich hervorragend umprägen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass es nach einer kurzen Übergangszeit voll umfänglich akzeptiert wird. Selbst wenn der Rang nicht gehalten werden kann. Ein Rudel sollte außerdem aus mehr als zwei Mitgliedern bestehen, damit sie die Möglichkeit zur Entfaltung bieten können. Dazu ist der Ältere in diesem Fall schon sehr viele Jahre allein unterwegs. Sich da dauerhaft um einen anderen Wolf zu kümmern ist nicht so einfach."
"Inwiefern spielen die Geschlechter bei Werwölfen eine Rolle?", fragte die Studentin.
"Kaum. Im Gegensatz zu den normalen Wölfen, bei denen es in der Regel ein gegengeschlechtliches Anführerpaar gibt, bleiben Werwölfe erfahrungsgemäß lieber mit Geschlechtsgenossen zusammen. Wir haben ja auch eine Schule im Land mit einem weiblichen Rudel. Wobei es auch immer Ausnahmen gibt. Verzerrt wird das Bild von der Tatsache, dass es sehr viel mehr männliche als weibliche Menschen mit Lykanthropie gibt. Möchten sie dazu vielleicht mehr sagen, Mr Brown?", fragte Mr Hurt und nickte einem Lehrer zu.

"Gern.", nickte der und erklärte: "Für die Paarung und damit letztlich die Zeugung von Nachwuchs, ist es bei Werwölfen nicht nötig, sich mit einem gegengeschlechtlichen Wolf zusammen zu tun. Uns liegen bislang keine belegten Fälle von geborenen Lykanthropen vor. Also wo Vater und Mutter während des Vollmonds Nachwuchs gezeugt haben. Außerhalb des Vollmonds ist ihnen der Geschlechtsverkehr mit gesunden Menschen verboten. Es ist uns nicht bekannt, ob zwei Lykanthropen außerhalb des Vollmonds miteinander Nachwuchs zeugen können. Es kommt zu Geschlechtsakten. Aber von einer erfolgreichen Schwangerschaft liegt uns nichts vor."
"Also sind sie unfruchtbar?", fragte die Studentin.
"Werwölfe vermehren sich über das Blut. Sie wandeln Menschen und wie wir vorhin von dem älteren Werwolf gehört haben, betrachten sie junge Menschen, die frisch gebissen wurden als Welpen. Eine Blutsverwandtschaft muss zwischen Werwölfen für diese Betrachtungsweise nicht bestehen.", erklärte Mir Brown.
"Was würde passieren, wenn ein Werwolf mit einem Menschen Geschlechtsverkehr hat?", fragte die Studentin.
"Dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass der menschliche Part sich dabei infiziert. Sei es durch einen Biss im Affekt, durch eine zufällige Verletzung oder einem vom beiden mit Absicht. Deshalb ist es ja auch verboten. Wir beobachten, dass auch sexuell oft innerhalb eines Rudels agiert wird und wenn sich da die Geschlechter eher selten mischen, ist die Rate an homosexuellem Verkehr entsprechend hoch."
"Inwiefern ist denn da die Lust ausschlaggebend und in wie weit, wie hier eben zu sehen war, das Bedürfnis nach Schutz oder vielleicht auch ein Rangaufstieg im Rudel? Besteht überhaupt ein Fortpflanzungstrieb im herkömmlichen Sinne? Wenn sich doch so gar nicht fortgepflanzt werden kann?", fragte der Student.

"Ganz klar voneinander trennen kann man die Motivation für einen Akt natürlich nicht. Aber Werwölfe haben im Frühjahr sogar eine deutlich erkennbare Paarungszeit. In dem Sinne ist definitiv von einem Fortpflanzungstrieb auszugehen.", erklärte Mr Brown.
"Wenn sie hier einmal schauen wollen: Die Jagd beginnt.", lenkte Mr Hurt den Blick aller auf einen der Bildschirme der Überwachungskameras.

Werwolf wider Willen - wird fortgeführt auf StorybanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt